Die Achterbahnfahrt der vulnerablen Bevölkerung in Österreich geht weiter, und zwar bergab. Die von Gesundheitsminister Johannes Rauch für die Zukunft in Aussicht gestellten fünf PCR-Tests und fünf Antigentests pro Monat reichen nämlich nicht aus, um für Hochrisikopatienten eine halbwegs sichere Umgebung im Familien- und Berufsleben zu garantieren. Man könnte einwenden, dass der Minister versprochen hat, dass "in Risikosettings" mehr Tests zur Verfügung stehen werden. Doch damit gemeint sind Altenheime und Pflegeeinrichtungen. Damit werden Vulnerable, die zu Hause leben, nicht nur diskriminiert, sondern ihre Existenz wird weiter ignoriert.

Vulnerable haben in den vergangenen zwei Jahren gelernt, dass sie vergessen werden. Rauch hat das am Dienstag wieder deutlich gemacht, als er zu verstehen gab, dass man sich nicht an diesen Gruppen orientieren könne. Er irrt. Die Politik hat im Gegenteil die Verantwortung, solidarisch auch auf die Schwächsten aufzupassen. Das sind neben Betagten und Vorerkrankten auch Kinder.

Vor allem die Jüngsten in Kindergärten, die noch nicht geimpft werden können, aber auch die Schulen der Durchseuchung auszusetzen ist unethisch und unmoralisch. Sie müssen vielleicht in Jahren mit noch nicht abzuschätzenden Auswirkungen auf ihre Gesundheit fertigwerden, wenn niemand aus der aktuellen Regierung mehr im Amt ist.

Die für die Zukunft in Aussicht gestellte Anzahl der Tests pro Monat reicht nicht aus, um für Hochrisikopatienten eine halbwegs sichere Umgebung zu garantieren.
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Man muss aber gar nicht so weit in die Zukunft schauen. Experten wie der Mikrobiologe Michael Wagner warnen angesichts aktueller Zahlen aus den USA, die zeigen, dass die Hospitalisierungen bei Kindern während Omikron stark zugenommen haben. 2,9 von 100.000 waren es beim Vorherrschen der Delta-Variante, 14,5 sind es nun.

Verschiedene Bedürfnisse

Die Vulnerablen aller Generationen werden in Österreich kaum eine neue Partei gründen, da ihre verschiedenen Bedürfnisse keine ideologischen sind. Sie werden nicht auf Demos krakeelen, da sie Angst vor Ansteckung und ihren Mitbürgerinnen und Mitbürgern haben. Sie fühlen sich in vielen Bereichen gemobbt und melden das auch – etwa der Wiener Patientenanwältin Sigrid Pilz. Die Politik schaut im besten Fall dabei zu. Im schlechtesten befeuert sie das Mobbing noch indirekt mit dem falschen Narrativ der wiedererlangten Freiheit.

Vulnerable haben keine Freiheit wiedererlangt, stattdessen wird der Druck auf sie in allen Bereichen erhöht. Nicht einmal das Gesundheitspersonal muss sich impfen lassen, wie das in Nachbarländern wie Deutschland und Italien der Fall ist. Vulnerable wollen auch niemanden einsperren. Sie müssen sich nur regelmäßig testen lassen können, ohne reich sein zu müssen. Damit sie oder ihre Familien Infektionen möglichst früh erkennen und behandeln können – mit Medikamenten, die übrigens noch nicht ausreichend vorhanden sind. Bis sie es sind, könnte man sich mit Masken in geschlossenen Räumen und Tests Zeit verschaffen und die Inzidenzen zumindest niedriger halten. Über die E-Card von Betroffenen und ein von ihnen definiertes Umfeld könnte man das auch abwickeln. Von diesen Maßnahmen würde die gesamte Bevölkerung profitieren.

Wer unter Politik vor allem Machterhalt, das Bedienen der eigenen Klientel oder das Zufriedenstellen des Koalitionspartners versteht, vergisst nicht nur auf seine Schutzbefohlenen, sondern gefährdet das ganze Land. (Colette M. Schmidt, 17.3.2022)