Kanzler Karl Nehammer fährt nach Kiew, um Präsident Wolodymyr Selenskyj zu treffen. Das ist relevant. In Österreich diskutieren wir über den Personenschutz des Kanzlers und seiner Familie. Zu Recht? Ja, zu Recht. Auch das ist ein Thema. Kein großes, aber eines, bei dem Fragen offen sind.

Eines muss man auch festhalten: Nehammer selbst hat dem Thema Gewicht gegeben, indem er eine Pressekonferenz dazu abhielt. Das war taktisch nicht ganz schlau. Ob er dort eine souveräne Figur abgegeben hat, sei dahingestellt. Es ist verständlich, dass sich der Kanzler darüber ärgert, wenn seine Frau und seine Kinder an die Öffentlichkeit gezerrt werden. Dass er und seine Familie Personenschutz brauchen, ist betrüblich genug, dass das dann in polemischer Art und Weise Gegenstand einer politischen Auseinandersetzung wird – da kann man schon emotional werden. Und das wurde der Kanzler – in wohldosierten Schüben.

Bundeskanzler Karl Nehammer.
Foto: APA/GEORG HOCHMUTH

Tatsächlich hat die Pressekonferenz aber mehr Fragen aufgeworfen, als dort beantwortet wurden. Es geht um einen Autounfall, den Personenschützer der Cobra offenbar sturzbetrunken verursacht haben. Nach oder während ihrer Dienstzeit, darüber gibt es unterschiedliche Aussagen. Das ist eine relevante Frage, die aufgeklärt werden muss. Und es geht darum, ob der Kanzler dazu beigetragen hat, den Vorfall zu vertuschen oder herunterzuspielen. Ferner geht es darum, ob die – im nüchternen Zustand hoffentlich hochqualifizierten – Cobra-Beamten in ihrer Dienstzeit zu Botenfahrten, Babysitter-Aufgaben und anderen Gefälligkeiten angehalten wurden.

Letzter Punkt: Es geht auch darum, ob die Nehammers zu ihren Personenschützern ein allzu amikales Verhältnis entwickelten, das dazu beigetragen haben könnte, die Berauschung der Beamten zu begünstigen.

Nicht alles ist politisch brisant, nicht alles muss in der Öffentlichkeit verhandelt werden. Aber das Verhalten der Beamten und der Umgang ihrer vorgesetzten Dienststelle mit diesem Vorgang müssen untersucht werden, rasch und von einer glaubhaften, also unabhängigen Stelle. Wurde vertuscht, und, wenn ja, wer war involviert – das zu erfahren, darauf hat die Öffentlichkeit ein Anrecht. Nehammer wird gut beraten sein, alles zu unternehmen, um diese Vorwürfe restlos vom Tisch zu bringen. Solange solche Geschichten im Raum stehen, kratzt das an seiner Souveränität als Kanzler. Und wir könnten einen souveränen Kanzler gut brauchen. (Michael Völker, 5.4.2022)