Das österreichische Bundeskanzleramt begründet die Tatsache, dass der neue Kanzlerberater Kai Diekmann (vormals Bild-Zeitung) in Moskau mit war, damit, "dass Diekmann Putin aus mehreren persönlichen Begegnungen kennt".

Diese Form der "Ich habe Wladimir Putin in die Augen geschaut"-Diplomatie weckt schlimmste Befürchtungen. Nämlich über die Professionalität unserer Politik in der größten europäischen Krise seit 1945.

Und es ist nicht egal, wie professionell die österreichische Russland-Politik ist. Wir sind ein EU-Mitglied, das aber in Gefahr war und in Gefahr ist, eine gefährliche Extratour in der Haltung der EU gegenüber Putin zu fahren. Das in vielerlei, noch längst nicht voll ausgeleuchteter Weise ein Einfallstor für russische Spaltungspolitik bietet.

Diese Krise besteht darin, dass im 21. Jahrhundert ein russischer Machthaber, der in den letzten Jahren eine lupenreine Tyrannei in seinem Land errichtet hat, nunmehr dazu übergegangen ist, einen großrussischen Faschismus gewaltsam über die eigenen Grenzen auszudehnen. Das Mittel dazu ist ein Vernichtungskrieg, der die ukrainische Zivilbevölkerung bewusst terrorisiert und schon sehr in die Nähe des Völkermords, des Genozids kommt.

Kennzeichen von faschistischen Systemen sind immer: antidemokratische Herrschaft, Verfolgung Andersdenkender, Abwürgen der Meinungsfreiheit, Organisation der "Massen", eine rassistische und nationalistische "Volksideologie" und ein starker Personenkult um den Führer der Bewegung sowie "kolonialistische" Kriege.

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Putin möchte einen großrussischen Faschismus über die eigenen Grenzen ausdehnen.
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All das trifft auf Putins Russland zu. In Putins Fall geht es darum, einer benachbarten Nation den Status als solcher und die Souveränität abzusprechen – unter dem Vorwand, das seien "drogensüchtige Nazis". Wobei, wie der Historiker und Ukraine-Kenner Timothy Snyder schreibt, für Putin "jeder Ukrainer ein Nazi ist, der nicht zugeben will, dass er eigentlich ein Russe ist".

Snyder sagt aber auch, dass Putin in politischen Begriffen denkt, "die für die meisten demokratischen Politiker und überhaupt die allermeisten im Westen vollkommen unverständlich sind". Ebenjenem imperialistischen, mit großrussisch-orthodoxer Religiosität unterlegtem Faschismus. Ein "heiliges" Russland mit einer ganz besonderen Mission: den dekadenten Westen zu besiegen, zunächst in Russland und seinem unmittelbaren Einflussbereich, aber dann auch in ganz "Eurasien". Von Lissabon bis Wladiwostok.

Absurd? Ja, aber nachzulesen in Putins Reden und den Aufsätzen seiner Ideologen. Im Westen wurde/wird das nicht ernst genommen (da der Vorwurf auch gegenüber Journalisten erhoben wird, sei ausnahmsweise auf eine Kolumne von 2008 verwiesen: "Realismus gegenüber diesem Russland" ).

Was da die richtige Strategie wäre, ist unendlich schwer zu beantworten. Eines kann man aber sagen: Putin darf diesen Krieg nicht gewinnen. Unter einem großrussischen Faschismus kann die Ukraine nicht und können wir nicht leben.

Und Österreich? Karl Nehammer muss seinen Diekmann nach Hause schicken und sich mit echten Kalibern umgeben. Ähnliches gilt für die SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner. Dass in TV-Diskussionen die SPÖ von der Appeasement-Politikerin Muna Duzdar vertreten wird, ist eine Fahrlässigkeit.

Wir sind wirklich an einer Zeitenwende. Aber uns fehlt einfachstes geistiges, professionelles Handwerkszeug. (Hans Rauscher, 15.4.2022)