Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) muss bei der Landtagswahl ihre absolute Mehrheit verteidigen.

Foto: apa / georg hochmuth

FPÖ-Chef Udo Landbauer drängt auf einen U-Ausschuss.

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Die SPÖ unter Landeshauptfraustellvertreter Franz Schnabl zeigt sich gesprächsbereit.

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St. Pölten – Im Jahr vor der Landtagswahl könnte Niederösterreich einen demokratiepolitischen Meilenstein erreichen. Zwischen FPÖ und SPÖ laufen Gespräche über die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses im Landtag – es wäre der erste in der Geschichte von Österreichs größtem Bundesland. Inhaltlich geht es um eine Wohnbaucausa, laut den Freiheitlichen sind dem Land dabei 50 Millionen Euro entgangen. Sie fordern deshalb den U-Ausschuss. Die Sozialdemokraten, deren Stimmen dafür nötig wären, zeigen sich gesprächsbereit.

"Selbstverständlich stehen wir allen Gesprächen grundsätzlich offen gegenüber. Wir werden – soweit vorliegend – alle Unterlagen einer intensiven Prüfung durch unsere Juristen unterziehen und nach Kenntnis der Sach- und Rechtslage eine Entscheidung treffen", heißt es aus der Sozialdemokratie auf STANDARD-Anfrage. "Fakt ist: Wo Ungereimtheiten bestehen, müssen die Instrumente der Demokratie genutzt werden und muss genau hingesehen werden."

Entgangene Millionen

Inhaltlich geht es um die Wohnbaugesellschaft "Die Eigentum". Sie baute in Wien Wohnungen mit Geld aus der Wohnbauförderung und verkaufte diese später zum Teil sehr günstig. Kurz bevor die Stadt Wien der Gesellschaft die Gemeinnützigkeit aberkennen und damit die ausgezahlten Wohnbaugelder zurückverlangen konnte, übersiedelte die "Eigentum" nach Niederösterreich.

Nach der damaligen Rechtslage hatte nun Niederösterreich Anspruch auf die Rückzahlung der Wohnbauförderung, obwohl Wien diese ursprünglich ausbezahlt hatte. Es geht um rund 50 Millionen Euro. Die Landesregierung erlaubte der "Eigentum" aber eine Stundung dieser Zahlungen beim Land, sie zahlte zunächst nur 6,6 Millionen. Laut FPÖ passierte das ohne Rechtsgrundlage. Später ging die "Eigentum" in Insolvenz, das Land wird wohl um den größten Teil seiner Ansprüche umfallen.

"Warum dieser Deal mit Immobilienspekulanten vertuscht werden sollte, muss ein Untersuchungsausschuss klären", sagt Udo Landbauer, Obmann der blauen Landespartei und des Landtagsklubs. "Der Verdacht auf Untreue und Amtsmissbrauch steht hier im Raum."

VP: Kein Schaden entstanden

Der zuständige Wohnbaulandesrat Martin Eichtinger (ÖVP) erklärte der Austria Presse Agentur, dass bezüglich der ausständigen Zahlungen noch ein Gerichtsverfahren laufe. Ohnehin sei aber alles, was Niederösterreich von der "Eigentum" erhält, ein Gewinn fürs Land, weil das Geld ja nicht dort ausbezahlt worden sei. Niederösterreich sei kein Schaden entstanden.

Ein Untersuchungsausschuss könnte für Aufregung im Land sorgen – zumal im Frühjahr 2023 Landtagswahlen stattfinden. Die Zusammenarbeit der drei Proporzregierungsparteien ÖVP, SPÖ und FPÖ gestaltete sich zuletzt immer turbulenter. Grüne und Neos hätten in einem solchen Ausschuss wegen der Kräfteverhältnisse im Landtag kein Stimmrecht.

Zweite Causa

Den Ruf nach Aufklärung gibt es aber auch in einer anderen Sache: Die Neos wollen mehr über die Inseratengeschäfte der Volkspartei wissen – sie hegen den Verdacht, dass es hier einen ähnlichen Skandal wie beim Vorarlberger Wirtschaftsbund geben könnte. DER STANDARD berichtete etwa zuletzt über das Magazin "Jung", das einen deutlichen ÖVP-Schwerpunkt und viele Inserate von landeseigenen Unternehmen vorweisen kann. Die niederösterreichische Volkspartei bestreitet freilich jegliches Fehlverhalten.

Die Neos prüfen derzeit eine Sonderprüfung des Landesrechnungshofs zu Inseraten in Medien der Volkspartei. Sollte deren Ergebnis einen eigenen U-Ausschuss sinnvoll erscheinen lassen, werde man sich auch diese Option offenlassen, heißt es. (Sebastian Fellner, 22.4.2022)