Natürlich habe auch ich einen kleinen Freudenschrei losgelassen, als mich die frohe Nachricht erreichte: Mit Return of Monkey Island wird die legendäre Adventure-Serie aus den frühen 1990er-Jahren fortgesetzt! Noch in diesem Jahr! Und zwar nicht von irgendwem – nein, von Ron Gilbert selbst! Mit Musik von Michael Land!

Die durch diese Ankündigung hervorgerufenen Retro-Gefühle sind wohl mit jenen vergleichbar, die Cineasten mit Casablanca oder King Kong verbinden. Als Kind war der zweite Teil der Serie für mich die Eintrittskarte in die Welt des interaktiven Storytelling: Kannte ich zuvor noch nur Arcade-Titel wie Pacman oder Pong, so erlebte ich hier eine mitreißende Geschichte, während ich gemeinsam mit meinem Vater an den teils kniffligen Rätseln kiefelte.

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Später, als Jugendlicher, konnte ich auch den schwarzen Humor besser verstehen, zeichnete Guybrush-Comics, anstatt meine Hausübungen zu machen und lernte gemeinsam mit meinen Freunden jeden einzelnen Dialog aus den Beleidigungsduellen auswendig. Kurzfristig, rund um 2008, erlebte ich als Erwachsener aus nächster Nähe mit, wie Wien durch die Monkey Island Revival Partys so etwas wie das Epizentrum der Piraten-Popkultur wurde.

Kurzum: Mit Guybrush Threepwood und seinen karibischen Abenteuern verbinde ich – wie wohl viele unserer Leserinnen und Leser – zahlreiche wunderschöne Erinnerungen. Dennoch ist es angebracht, die Euphorie in Bezug auf den nun neu erscheinenden Teil zu bremsen. Warum?

Tradition vs. Innovation

Zur Untermauerung meiner Argumentation möchte ich auf Spiele aus anderen Genres verweisen, die im Gamingjahr 2022 bereits erschienen sind. Zu nennen wären da etwa die Rollenspiele. Hier hatte Sony alles daran gesetzt, Horizon: Forbidden West zu einem echten Hit zu stilisieren – und dabei haben sie auch viel richtig gemacht: Der Vorgänger, Horizon: Zero Dawn, schrie geradezu nach einer Fortsetzung, entsprechend wurde die Marketingmaschine angekurbelt und am Ende wurden Aloys neues Abenteuer ein Spiel, das nicht nur durch wunderschöne Grafik und einen bombastischen Soundtrack überzeugt, sondern auch die Geschichte der postapokalyptischen Erde weiter erzählt und RPG-Fans durch diverse Leveling-Optionen bei Laune hält.

Blöd nur, dass circa zur gleichen Zeit Elden Ring das Licht der Welt erblickte, welches alles anders macht als die übrigen Branchenvertreter: Hier wird einem nicht erklärt, was man tun soll und wo man hin muss, auch grundlegende Funktionen – wie das Trinken von Zaubertränken – muss der Gamer alleine durchschauen, und überhaupt ist das Spiel vor allem für Anfänger eher Frust als Lust. Dieser unkonventionelle Zugang scheint aber anzukommen: Kritiker überhäuften das Werk mit Top-Bewertungen, seit Wochen belegt Elden Ring die Top-Positionen in den Steam-Charts – und der "Spiel des Jahres"-Titel dürfte somit wohl auch schon fix vergeben sein.

Ähnlich läuft es in einem anderen Genre, welches sich in den vergangenen Jahren stets im Hintergrund hielt: die Echtzeitstrategie. Hier wurde mit Age of Empires 4 im vergangenen Jahr ein grundsolides Werk abgeliefert, welches die kultige Serie fortführte und für Fans keine Wünsche offen ließ – allerdings mit dem Wermutstropfen, dass man hier kreative neue Ansätze vergeblich sucht und alles letztlich doch mehr an ein Remake als an eine echte Fortsetzung erinnert. Diese Lücke wiederum könnte Dune: Spice Wars erfüllen – es lebt davon, der geistige Nachfolger des Genreklassikers zu sein, überzeugt beim ersten Hineinschnuppern aber vor allem dadurch, dass es in puncto Gameplay vieles anders macht, als es vor 30 Jahren üblich war.

Auf der Suche nach dem Abenteuer

Und eben diese Dune-Lehre zeigt auch, vor welchem Dilemma das Monkey Island-Team nun steht. Denn was Anfang der 1990er-Jahre ein Erfolgsrezept war, das muss im 21. Jahrhundert nicht unbedingt erneut funktionieren. Konkret sei darauf verwiesen, dass wir zwar noch recht wenig über das kommende Spiel wissen, eine Sache von Ron Gilbert klargestellt wurde: Es wird sich wieder um ein Adventure-Game handeln. Ein Genre also, das in den vergangenen Jahren sogar noch mehr in der Versenkung verschwunden ist als die zuvor erwähnten Echtzeitstrategiespiele. Zwar sammelten Spiele wie Sherlock Holmes oder Ron Gilberts Thimbleweed Park Top-Bewertungen ein, ein Massenphänomen sind sie aber sicher nicht.

Gewiss, es hatte mal seinen Charme, sich etliche Abende lang durch Dialoge zu klicken und mit der Maus über den Bildschirm zu fahren, um die passenden Objekt-Kombinationen zu finden – aber macht das noch wer? Das letzte echte Point-&-Click-Adventure, das ich durchgespielt habe, war Satinavs Ketten – und selbst dafür habe ich viel Geduld gebraucht. Eine Geduld, die vielen Menschen heutzutage fehlt. Was wiederum ein Grund für das langsame Verschwinden dieser Spiele in unserer schnelllebigen Welt ist.

Als Alternative dazu haben sich Games wie jene von Quantic Dream etabliert, die ebenfalls auf Rätsel, Dialoge und gut erzählte Geschichten setzen, dies aber mit frischen Elementen anreichern – seien es Action-Einlagen oder die Tatsache, dass mit den eigenen Entscheidungen der tatsächliche Ausgang der Geschichte beeinflusst wird.

Angriff der Retro-Fanboys

Es ist zu wünschen, dass das Monkey Island-Team sich an dieser Entwicklung orientiert und frischen Wind in das angestaubte Genre bringt – schade nur, dass man dies zwar anscheinend vorhat, dabei aber auch mit dem Gegenwind der Fanboys zu kämpfen hat. So musste Ron Gilbert zuletzt einen Blogbeitrag verfassen, in dem er klarstellte, dass man kein Pixel-Art-Spiel, sondern eines mit moderner Grafik machen wolle – und dass es ironisch sei, dass ausgerechnet seinen größten Fans damit ein Problem haben.

Genau mit diesem Dilemma war jedoch zu rechnen – denn Fans alter Franchises wollen in Nostalgie schwelgen, für sie soll alles so sein wie früher. Zugleich gilt im Gaming-Umfeld der Imperativ der Innovation: Wer sich nicht durch Neues von den Vorgängern abhebt, der hat keine echte Daseinsberechtigung. Diese beiden Pole miteinander auszubalancieren, ist geradezu ein Ding der Unmöglichkeit. Und wir müssen uns wohl damit abfinden, dass Enttäuschung hier vorprogrammiert ist. Oder, um einen von Guybrushs nervigsten Sätzen zu zitieren: Das klappt so nicht. (Stefan Mey, 7.5.2022)