Marco Pogo steht für einen Prozess, der auch ohne ihm im Gange ist, erläutert Psychologe Daniel Witzeling im Gastblog.

“Kinder und Narren sagen die Wahrheit“ lautet eine alte Weisheit. Im “Kommentar der anderen“ äußerte die Kommunikationsberaterin Nina Hoppe die Befürchtung, dass das Antreten des Gründers der Bierpartei, Dominik Wlazny alias Marco Pogo, in gewisser Form einen demokratiegefährdenden Populismus darstelle, den man nicht unterstützen sollte. Hier stellt sich der gelernten Österreicherin oder dem gelernten Österreicher die Frage, ob dieser Prozess in seiner vollen Wucht nicht schon längst im Gange ist und inwiefern der studierte Mediziner nicht eher, in Ausformung einer Spieltherapie, ein Gegenmittel gegen Politik(er)verdrossenheit ist.

Gefährdet die Kandidatur von Marco Pogo wirklich die Demokratie?
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In dem erwähnten Beitrag wird die Sorge geäußert, es fehle am nötigen Respekt einem Amt gegenüber, das inhaltlich wie organisatorisch enorm komplex ist. In Bierpartei-Manier könnte man sich natürlich bei der hohen Anforderung des Amtes reduziert und satirisch der Imagination des Bildes eines reifen Herrn hingeben, der seinen Hund Gassi führt, während er genussvoll an seinem Glimmstängel zieht. Aber Spaß beiseite, denn diesen darf und kann es bei einem derart wichtigen Amt, wo es um nicht weniger als politischen Weitblick, Großmut, Verständnis des Wesens und der Stärke der Diplomatie, die Komplexität der Verfassung sowie um die Sensibilität internationaler Beziehungen samt dem Wissen um Geostrategie oder Sicherheitspolitik geht, nicht geben. So schön so gut.

Die Bierpartei als einzige Spaßpartei?

Laut der Autorin können Vertreter und Vertreterinnen von Spaßparteien aus Verantwortung gegenüber der Demokratie nicht Ämter wie Minister, Bundeskanzler oder eben Bundespräsident anstreben, weil solche "Projekte" demokratiegefährdend sind. Setzt Marco Pogo mit seiner Bewegung nicht vielmehr der aktuellen Politlandschaft, deren Vertreter manches Mal besser sind als jedes Satireprojekt, einen analytischen Spiegel vor, als dass seine Revolution gefährliches Potenzial in sich birgt? “Nein, so sind wir nicht“ oder “So schlimm steht es um unsere Demokratie noch nicht“, könnte man angelehnt an den momentanen Bundespräsidenten denken, der nicht übertrieben affektiert, aber zumeist im richtigen Moment mit mahnenden Worten zur Stelle ist. Außer es geht um die Repräsentanten und Repräsentantinnen der schwarz-grünen Koalition. Denn hier sieht Alexander Van der Bellen die Lage und den Unterschied in puncto Verfehlungen zwischen ÖVP und FPÖ viel komplexer, wohingegen er bei ÖVP und Grünen mit der notwendigen Sensibilität für interparteiliche Beziehungen waltet.

Therapie für die Demokratie

Van der Bellen und seine Kompetenz in Ehren, aber es ist gut, wenn die Bürger die Politik der letzten Jahre noch mit etwas Humor wahrnehmen können, denn die Performance der österreichischen Spitzenpolitik von Ministern und Ministerinnen auf- und abwärts ist schon längst nicht mehr lustig, sondern traurig. Dazu braucht es keinen Marco Pogo, der das ach so seriöse und wichtige Amt des Bundespräsidenten scheinbar zu beschädigen in der Lage ist. Das macht unsere Politik in Wechselwirkung mit der österreichischen Seele schon ganz alleine. Wäre die FPÖ strategisch intelligent, dann würde sie auf eine eigene Kandidatur verzichten und dem aktuellen Präsidenten fehlte der rechte Reibebaum zum Aufladen des parteipolitischen Akkus jenseits der politisch linken Wertegemeinschaft. Aber wahrscheinlich hat diese zu viel Angst davor, dass Gerald Grosz ihnen ihr Wahlpotenzial nachhaltig abschöpft und zu einem Kickl 4.0 mutiert.

Dominik Wlazny mag nicht jedermanns oder jederfraus Gusto entsprechen, jedoch handelt es sich bei ihm um alles andere als eine negative Störvariable. Vielmehr ist er eine positive Manifestation der Politik, mit der sich Teile der Jugend und neue Generationen an Stimmberechtigten identifizieren und somit überhaupt erst politisch interessieren. So gesehen, gehört der lustige Vogel vielleicht politpädagogisch in eine Demokratiewerkstatt. (Daniel Witzeling, 27.6.2022)

Kommentar der anderen

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