Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) beschwerte sich in der Fragestunde über "Pauschalverdächtigungen" der SPÖ – und setzte einen Schritt zur Versöhnung mit der FPÖ.

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FPÖ-Mandatar Christian Hafenecker und Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) könnten am Freitag zumindest ein bisschen Frieden schließen. Wie berichtet, ärgern sich allen voran die Freiheitlichen seit Wochen darüber, dass Nehammer kürzlich eine dringliche Anfrage der Blauen zu den aktuellen ÖVP-Affären nicht selbst beantwortete, sondern seine Parteikollegin, Staatssekretärin Claudia Plakolm, vorschickte. Nehammer sei "geflüchtet", warf ihm die FPÖ vor.

Seine Vertreterin Plakolm zeigte sich – zum Missfallen der Opposition – jedoch wenig auskunftsfreudig. In einer eilig einberufenen Stehpräsidiale wurde schließlich sogar beschlossen, ein Gutachten über den Umgang mit dem Interpellationsrecht anfertigen zu lassen. In der freitäglichen Fragestunde im Nationalrat räumte Nehammer ein, dass die Anfragebeantwortung "nicht in dem Sinne" gewesen sei, wie es die Abgeordneten verdient hätten. "Der Anspruch an einen selbst ist immer, in diesen Fragen besser zu werden", sagte er.

Plakolm wolle er "ausdrücklich" in Schutz nehmen, betonte Nehammer. Sie habe ihn ja lediglich vertreten. Inzwischen habe er sein Haus beauftragt, Hafenecker die Antworten im Lauf des Freitags in schriftlicher Form zukommen zu lassen.

Wortgefechte und eine türkis-rote Aussprache

Inhaltlich war zu den ÖVP-Affären vom türkisen Parteichef wenig zu erfahren. Von SPÖ-Mandatar Kai Jan Krainer auf "parteipolitisch motivierte" Umfragen im Finanzministerium und anderen ÖVP-geführten Ministerien angesprochen, verwies Nehammer auf teils laufende Ermittlungen. "Ich danke Ihnen sehr für Ihre wertschätzende Frage. Was Sie da hineinformuliert haben, sind Pauschalverdächtigungen und unrichtige Anschuldigen", erklärte er süffisant. Daher werde er auch nicht näher darauf eingehen.

Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP), Christoph Zarits (ÖVP) und Alexander Melchior (ÖVP) vor der Fragestunde.
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Auch die rote Abgeordnete Julia Herr versuchte es – was in einem Wortgefecht zwischen SPÖ und ÖVP gipfelte. Herr verlangte von Nehammer eine Garantie, dass keine Umfragen, die mit Steuergeld bezahlt wurden, in die Hände der ÖVP gekommen seien. Daraufhin verwies dieser auf seine diesbezüglichen Aussagen im U-Ausschuss. Den Sozialdemokraten reichte das nicht: Krainer verlangte ein Machtwort von Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka (ÖVP). Das erzürnte wiederum ÖVP-Klubchef August Wöginger. "Die SPÖ missbraucht ständig die Geschäftsordnung", monierte er. "Ich verlange eine Aussprache in der nächsten Präsidialkonferenz."

Nehammer lehnt Preisdeckel weiter ab

Weiteres dominierendes Thema der Fragestunde war die gegenwärtige Energie- und Teuerungskrise infolge des Kriegs in der Ukraine. Eine Deckelung des Strompreises, wie sie KTM-Chef Stefan Pierer im STANDARD-Interview eingefordert hat, lehnt der Kanzler nach wie vor ab. Auf der iberischen Halbinsel, die in dieser Frage oft als Vorbild genannt werde, sei die Ausgangssituation eine andere, erklärte er. Dort sei eine Deckelung möglich, weil der Markt abgeschotteter sei als jener in Österreich, führte Nehammer auf eine Frage von Neos-Mandatar Helmut Brandstätter aus. Günstiger Strom würde daher sofort weggekauft werden. "Das Ziel ist erstrebenswert, aber ein total komplexes Unterfangen."

Eine Deckelung der Spritpreise ist für den Bundeskanzler ebenso wenig denkbar. In Ungarn und Deutschland, die diesen Weg gegangen seien, habe es zwar eine kurzfristige Preissenkung an Zapfsäulen gegeben, diese wurde aber "rasch wieder aufgefressen". Die Bundesregierung habe sich daher dazu entschlossen, den Menschen direkt zu helfen – mit dem bereits präsentierten Antiteuerungspaket, das Nehammer einmal mehr referierte und lobte.

Patientenmilliarde: "Reform braucht Anschubfinanzierung"

Von SPÖ-Mandatarin Karin Greiner auf den kritischen Rechnungshof-Rohbericht zur nicht realisierten Patientenmilliarde infolge der Krankenkassenzusammenlegung angesprochen, erklärte Nehammer: "Die Kosten sind nicht zu bestreiten. Jede Strukturreform braucht eine Anschubfinanzierung, bringt aber auch langfristige Einsparungen."

Es überrasche ihn nicht, dass es nach wie vor eine "Emotion" zu dem Thema gebe, sagte Nehammer. Wichtig sei nun, die Strukturreform und die Leistungsharmonisierung voranzutreiben. (Stefanie Rachbauer, 8.7.2022)