Draußen hat es Temperaturen um die 30 Grad – und die Leute kaufen wie verrückt Brennholz ein. Das mag schmerzhaft klingen: Holz ist das neue Klopapier. Wie zu Beginn der Corona-Pandemie finden Hamsterkäufe statt. Die Menschen decken sich mit Holz ein, in Baumärkten werden die Vorräte knapp oder sind schon ausgegangen – und das bei mittlerweile geschmalzenen Preisen. Diese Hamsterkäufe sind auch ein Zeichen der Verunsicherung. Die Leute versuchen vorzusorgen für den Fall, dass uns der Strom, das Gas oder das Öl ausgeht und dass im Winter die Heizungen kalt bleiben.

Umwelttechnisch ist das Heizen mit Holz eine Belastung.
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Umwelttechnisch ist das Heizen mit Holz eine Belastung. Erst recht, wenn die Bobos in den Innenstadtbezirken in schicken Schwedenöfen Holz verheizen, das nicht ganz trocken ist – und ein solches bekommt man derzeit in den Baumärkten.

Tatsache ist aber, dass überhaupt nur ein geringer Teil der Bevölkerung – vorwiegend auf dem Land – auf das Heizen mit Holz zurückgreifen kann. Die meisten Menschen wohnen in Mietwohnungen mit vorgegebenen Heizsystemen, auf die sie keinen Einfluss nehmen können. Fernwärme, wenn man Glück hat, oft sind es Gasthermen. Erdwärme ist in der Stadt nur eine theoretische Möglichkeit. Die allermeisten Menschen sind der Energiekrise hilf- und alternativlos ausgeliefert. Dass es teuer wird, steht fest: Strom, Gas, Öl sind im Preis gestiegen, in vielen Haushalten macht das schon ein paar Hunderter mehr aus – monatlich. Es könnte noch teurer werden.

Zur Ratlosigkeit gesellt sich Angst. Wie werden wir diese Krise aushalten? 19 Grad als Obergrenze beim Heizen – das probieren wir vielleicht aus, lassen es uns aber ungern vorschreiben. Gleiches gilt für den 100er auf der Autobahn: ein guter Ratschlag, aber bitte nicht als Gesetz. Aber was tun, wenn die Ressourcen wirklich knapp werden, wenn uns Geld und Rohstoffe ausgehen?

Eigenverantwortung

Keine Frage, jede und jeder kann selbst etwas beitragen, und es ist gut, Eigenverantwortung einzumahnen. Längst wissen die meisten noch nicht ausreichend, was man alles tun kann. Die Veränderung der Welt fängt im Kleinen an, bei uns selbst. Aber dort kann sie nicht aufhören.

Die Koalition erweckt den Eindruck, sie hätte sich in den Urlaub verabschiedet. Die Menschen fühlen sich alleingelassen und nicht ernst genommen. Es ist nicht akzeptabel, wenn versucht wird, den Bürgerinnen und Bürgern die Verantwortung in der Krise umzuhängen.

Der Kanzler lässt Führungsqualitäten vermissen. Die Regierung müsste das Land längst in die Pläne einweihen: Was tun wir beim Strom, beim Gas, beim Öl, bei den Treibstoffen? Oder gibt es etwa gar keine belastbaren Pläne? Muss ich mir jetzt auch einen Schwedenofen kaufen und mich beim Obi ums Holz anstellen? Die Regierung kann gerne auch gute Tipps geben, wie man sinnvoll spart, darüber kann man immer noch streiten. Aber erst muss der Staat in die Gänge kommen und sollen auch die großen Konzerne ihr Licht dimmen.

Die Regierung muss aus ihrem Kabäuschen heraus und klar kommunizieren. Wir brauchen mutmachende Entscheidungsträger, einen Hauch von Zuversicht und Entschlossenheit, weniger Ratlosigkeit. Wir alle sind bereit, etwas zur Bewältigung der Krise beizutragen, schon aus eigenem Interesse, aber lieber tun wir das gemeinsam als einsam. (Michael Völker, 15.7.2022)