Budgetfinanzierung statt GIS, empfiehlt der Wiener Rechtsanwalt und Neo-Stiftungsrat des ORF Niki Haas.

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Wien – Die FPÖ hat den Wiener Rechtsanwalt Niki Haas im Frühjahr ins oberste ORF-Gremium entsandt. Wie sieht der freiheitliche Neo-Stiftungsrat des ORF die jüngste Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs, dass eine – im Gegensatz zu Rundfunk – GIS-freie Streamingnutzung verfassungswidrig ist? Haas ist – wie die FPÖ – für eine Budgetfinanzierung des ORF, wie sie Frankreich gerade einführt.

"Anachronistische Regelung"

"Es ist zu begrüßen, dass diese anachronistische Regelung aufgehoben wird", sagt Haas im Gespräch mit dem STANDARD. GIS-Gebühren alleine an den Besitz eines empfangsbereiten Fernseh- oder Radiogeräts zu knüpfen sei aus der Zeit gefallen, sagt der Medienanwalt.

Haas plädiert für eine Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks aus dem Bundesbudget: "Das wäre die beste Lösung mit Planungssicherheit für den ORF-Konzern – man weiß, wie viel hereinkommt."

"Bizarre Situation": GIS-Erhöhung, erhöhte Abmeldungen

Bei der aktuellen GIS-Finanzierung aus rundfunkabhängigen Programmentgelten gebe es diese Planbarkeit nicht, wie sich gerade an der "bizarren Situation" (Haas) seit Jahresbeginn gezeigt habe: Der ORF habe die Programmentgelte mit 1. Februar um acht Prozent erhöht. Doch vermehrte Abmeldungen hätten die erwarteten Mehreinnahmen wieder infrage gestellt. Begründet wurden die Abmeldungen vor allem mit Hinweis auf die – nun mit Ende 2023 gekippte – GIS-Freiheit für reine Streamingnutzung. Die Gefahr lasse sich durch Budgetfinanzierung abwenden, sagt Haas.

Eine Budgetfinanzierung des ORF würde zudem den Verwaltungsaufwand für das Inkasso der Gebühren ersparen – derzeit hebt das ORF-Tochterunternehmen GIS die Programmentgelte ein, zusammen mit Steuern und Abgaben, die an Bund und Länder gehen.

Budgetfinanzierung statt GIS-Inkasso

Das Inkasso durch die ORF-Tochter GIS bedeute auch ein Imageproblem für den ORF: "Das Unternehmen wird immer als Gebühreneintreiber gesehen, das nicht nur ORF-Gebühren einkassieren muss, sondern auch Abgaben für Bund und Länder", sagt Haas: "Es macht das Unternehmen beim Kunden nicht gerade beliebt, wenn man an die Haustür kommt, fragt, welche Geräte man daheim hat, und Geld eintreibt." Schon psychologisch, sagt Haas, wäre also eine Budgetfinanzierung besser für den ORF.

Bedeutet Budgetfinanzierung nicht nur eine weniger augenfällige Methode als die eigene GIS-Gebühr, den ORF aus dem Geld der Steuerzahlerinnen und Steuerzahler zu finanzieren? "Jeder weiß, dass er mitzahlt", sagt Haas. Und mit der Budgetfinanzierung wäre der Beitrag sozial gestaffelt – wer mehr Steuern zahle, trage mehr bei.

Mehrjährige Finanzierungszusage

Budgetfinanzierung für den ORF hatten ÖVP und FPÖ 2017 in einem Sideletter zu ihrem Koalitionsabkommen als Ziel ihrer Regierung festgehalten. Der ORF und eine Reihe von Kommunikationswissenschaftern sprachen sich gegen Budgetfinanzierung aus; das zentrale Argument: Sie bedeute noch höhere Abhängigkeit, noch größeren Einfluss der (Regierungs-)Politik auf den ORF.

"Es wird Möglichkeiten geben, dem vorzubeugen", sagt Haas. Er nennt etwa eine mehrjährige Finanzierungszusage, "damit der ORF nicht jedes Jahr zur Regierung betteln gehen muss".

"Wie groß, wie mächtig darf der ORF sein?"

Die Medienpolitik müsse sich grundsätzlich fragen: "Einen wie großen ORF will der Staat? Wie groß, wie mächtig darf der ORF sein?" Der Österreichische Rundfunk sei der "mächtigste Player" unter den österreichischen Medienkonzernen. Da stellten sich Fragen wie: "Muss er Anbieter in sämtlichen Mediengattungen sein?" Haas findet aus der Sicht der Konkurrenten des ORF "nachvollziehbar, wie private Medien dagegen rebellieren". Eine Öffnung für Streaming- und Online-Dienste des ORF sollte in einem neuen ORF-Gesetz jedoch jedenfalls aufgenommen werden. Die Details gilt es bei den Verhandlungen der unterschiedlichen Akteure letztlich durch die Politik zu klären.

Private Medien würden sich hingegen – wie bisher – gesetzliche Einschränkungen erhoffen, "dass der ORF nicht alles machen darf, was er machen könnte.

"Mammutaufgabe" für Gesetzgeber

Diese Fragen gelte es nun zu klären, der Ball liege – nicht zuletzt nach der Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs – beim Gesetzgeber. Der Medienanwalt und ORF-Stiftungsrat sieht in einem neuen ORF-Gesetz eine "Mammutaufgabe". Haas: "Das wird eine schwierige Aufgabe für die Medienministerin und die übrigen politischen Entscheidungsträger, das alles unter einen Hut zu bringen".

Haas rechnet in diesem Jahr nicht mehr mit einem neuen ORF-Gesetz. (fid, 27.7.2022)