Hatten schon mal mehr zu lachen: Kanzler Karl Nehammer (rechts) und ÖVP-Wien-Chef Karl Mahrer. Laura Sachslehner kritisierte bei ihrem Abgang Nehammer, Mahrer stellte sich demonstrativ auf seine Seite.

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Nach den Turbulenzen in der ÖVP, die Laura Sachslehners Rückzug als Generalsekretärin der Bundespartei am Wochenende nach sich gezogen hatten, waren am Montag die Scheinwerfer auf die Wiener Landesorganisation gerichtet. Immerhin waren es allen voran Türkise in der Hauptstadt, die der streitbaren Politikerin Respekt zollten und damit Parteichef Karl Nehammer in den Rücken fielen. Der Rest der ÖVP hüllte sich in Schweigen. Gestern traf sich der Wiener Landesparteivorstand zu einer Sitzung – die zwar schon seit Wochen anberaumt war, aber nach den jüngsten Entwicklungen gehörig Interesse auf sich zog.

Frage: Worum ist es bei der Sitzung gegangen?

Antwort: Von offizieller Seite versuchte man den Ball im Vorfeld flach zu halten. Themen der Zusammenkunft würden die Herbstkampagne und die geplante U-Kommission zur Causa Wien Energie sein, ein Tagesordnungspunkt Sachslehner sei nicht vorgesehen, erklärte ein Sprecher im Vorfeld. Das werde eher in den Kaffee- und Bierpausen besprochen.

Hinter vorgehaltener Hand war aus türkisen Kreisen aber zu vernehmen, dass man durchaus mit einer längeren Sitzung rechne – und diese Vermutung bewahrheitete sich dann auch. Die Geschehnisse seien gleich zu Beginn des Treffens mehr als eine Stunde debattiert worden, erfuhr der STANDARD im Anschluss aus dem Kreis der Anwesenden. Auch Sachslehner selbst war, da sie als Gemeinderätin Mitglied des Landespareivorstands ist, zugegen.

Parteichef Karl Mahrer habe die Causa in ihrem Beisein "deutlich adressiert", ist zu hören. Die Debatte habe zwar lange gedauert, sei aber weitgehend unemotional verlaufen. Offizielle Statements waren nach der Sitzung nicht geplant. Parteichef Mahrer und Klubchef Markus Wölbitsch werden aber am Dienstag gemeinsam vor die Presse treten.

Klubchef Markus Wölbitsch goutierte Sachslehners Arbeit und ihre Positionen in einem mittlerweile gelöschten Posting.
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Und das wohl nicht zufällig: Während Wölbitsch Sachslehner am Wochenende in einem mittlerweile gelöschten Posting Rosen streute, stellte sich Mahrer in einer Aussendung demonstrativ hinter Nehammer und dessen Kurs. Die Botschaft des gemeinsamen Auftritts: Es gibt keinen Richtungsstreit. In der Sitzung des Landesparteivorstands soll Mahrer jedenfalls mahnende Worte für Wölbitsch gefunden haben.

Frage: Haben sich mittlerweile auch andere Landesorganisationen aus der Deckung getraut?

Antwort: Eigentlich hatte ja die wahlkämpfende Tiroler Volkspartei vergangene Woche damit begonnen, sich am 500-Euro-Klimabonus für Asylwerber abzuarbeiten – ehe Sachslehner die Sache auf Bundesebene auf die Spitze trieb. Folgerichtig kamen auch zu Wochenbeginn unterstützende Worte aus dem Westen. Landesgeschäftsführer Martin Malaun bekundete am Montag seinen Respekt für Sachslehner und nannte sie eine "toughe Frau".

Für den Tiroler Landesgeschäftsführer Martin Malaun ist Sachslehner eine "toughe Frau".
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Die Tiroler Landespartei habe ihren Unmut über den Klimabonus für Asylwerber bereits im vergangenen Jahr ÖVP-intern deponiert, betonte Malaun – und nun eben auch öffentlich.

Frage: Sachslehner schadet der ÖVP mit ihrem Auftritt, sie bleibt aber Mandatarin im Wiener Gemeinderat. Warum lässt man sie gewähren?

Antwort: Weil man "am besten den Mund halte und diese Posse", so wird es ÖVP-intern erzählt, am besten "über sich ergehen und auslaufen lassen" solle. Zwar habe Sachslehner bei ihrem Abgang als Generalsekretärin auch Kanzler Karl Nehammer als ÖVP-Chef massiv infrage gestellt, aber es bringe nichts, noch mehr Staub aufzuwirbeln, als es ohnehin schon geschehen sei.

Sachslehner ist eine gewählte Gemeinderätin, sie fungiert als Mediensprecherin. In der ÖVP steht man auf dem Standpunkt, dass sie ihr Mandat nur selbst zurücklegen könne. Gegenteiliges sei bisher kein Thema gewesen und könne ihr auch kein Parteivorstand verordnen. Ihr Mandat werde sie nach ihrem "rabiaten Abgang" sicherlich nicht zurücklegen, glaubt ein Funktionär. Sachslehner sei nun gewissermaßen im "Leo" – also aus dem Schneider.

Frage: Gibt es einen veritablen Richtungsstreit innerhalb der ÖVP?

Antwort: Ja und nein. Hört man in die ÖVP hinein, dürfte es weniger um die inhaltliche Ausrichtung gehen, etwa beim Thema Asyl, wie Sachslehner monierte. Da seien Nehammer als Ex-Innenminister und dessen Nachfolger Gerhard Karner voll auf türkiser Linie, heißt es. Auch die Koalition mit den Grünen werde innerhalb der ÖVP lang nicht so kritisch gesehen, wie es die nun ehemalige Generalsekretärin am Wochenende dargestellt hatte.

Laura Sachslehner bei ihrer Rücktritts-Pressekonferenz am Samstag.
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Für Spaltung sorgt aber das unaufgearbeitete Erbe der türkisen Ära um Sebastian Kurz. Von manchen werde der Altkanzler und frühere Parteichef trotz aller Affären weiter glorifiziert. Diese hielten es für unverzeihlich, dass ihn die Grünen einst vom Thron stießen, heißt es. Andere würden am liebsten endlich mit dieser Zeit abschließen.

Frage: Ist die Ära Kurz also zu Ende?

Antwort: Zumindest an relevanter Stelle sei keine Vollbluttürkise oder kein Vollbluttürkiser der "Kategorie Laura" mehr zu finden, wird erzählt. Sachslehner sei die letzte Platzhalterin aus dieser Riege gewesen. Man schätzt ÖVP-intern, dass die Kurz’schen Altlasten nun zumindest in der operativen Arbeit ein Ende gefunden haben.

Man geht aber davon aus, dass sich das Match auf ein anderes Feld verlagern könnte – in die Öffentlichkeit. Im Herbst soll jedenfalls eine weitere Biografie über Sebastian Kurz erscheinen. Schreiben wird diese Krone -Interviewerin Conny Bischofsberger, die Sachslehner nur fünf Stunden nach ihrer Abschiedspressekonferenz bereits ausgiebig interviewte.

Frage: Zurück zum Anlass der ÖVP-Querelen: Warum erhalten Asylwerber und Strafgefangene eigentlich wirklich den um den Teuerungsausgleich aufgestockten Klimabonus?

Antwort: Weil dieses Geld laut Klimabonusgesetz allen "natürlichen Personen" zugutekommt, die sich im Jahr der Auszahlung mindestens 183 Tage lang mit Hauptwohnsitz im Inland aufgehalten haben. Aus welchen Gründen sie in Österreich lebten, ist unwichtig.

Frage: Ist das nicht ungerecht? Wer als Flüchtling grundversorgt ist oder wer im Gefängnis sitzt, lebt ja rein auf Staatskosten.

Antwort: Das stimmt so nicht. Ein Strafgefangener kann mit seinem im Gefängnis verdienten Geld einkaufen – durch Inflation und CO2-Besteuerung teurer als zuvor. Und in der Grundversorgung sind Ausgaben für Mobilität nicht enthalten, Asylwerberinnen müssen etwa Öffi-Fahrscheine von ihren 40 Euro Taschengeld im Monat bezahlen.

Frage: Dennoch: Ist es nicht fragwürdig, wenn Menschen, die – so Ex-Generalsekretärin Sachslehner – "arbeiten, Steuern zahlen, jeden Tag aufstehen", in einen Topf mit Migranten und öffentlich untergebrachten Personen gesteckt werden?

Antwort: Diese Fragestellung hat einen ausländerfeindlichen Bias – und sie verfehlt die grundlegende Absicht des Klimabonus. Dieser ist weder eine Sozialleistung noch ein Einkommen, sondern soll vielmehr die höhere CO2-Bepreisung sozial klug kompensieren. Das funktioniert, weil alle Bezieher gleich viel Geld erhalten, was Menschen mit niedrigem Einkommen mehr hilft als besser Verdienenden.

Frage: Hätten Asylwerberinnen und andere Gruppen vom Klimabonus ausgeschlossen werden können?

Antwort: Diskussionen darüber gab es während der Gesetzwerdung durchaus. Aufgrund des starken Diskriminierungsschutzes in der EU und in der heimischen Verfassung wäre das rechtlich riskant gewesen. Erlaubt ist hier nur "sachgerechte" Benachteiligung – ob das hier der Fall wäre, ist fraglich. Auch wäre die Klimabonusauszahlung durch Ausnahmen datenmäßig komplizierter geworden. (Jan Michael Marchart, Irene Brickner, Stefanie Rachbauer, 12.9.2022)