"Kürzlich ist ein Gast im Hotel herumgelaufen wie ein wildgewordener Gaucho." Elisabeth Gürtler.
Foto: David Johansson Location: Alpin Resort Sacher Seefeld-Tirol, Geigenbühelstraße 185, 6100 Seefeld in Tirol

Die Etikette

Tischmanieren sind wichtig. Shorts zum Galadinner finde ich nicht gut! Es darf aber nicht zu förmlich zugehen. Aber kürzlich ist ein Gast im Hotel herumgelaufen wie ein wildgewordener Gaucho. Von der Kleidung her, aber auch von der Lautstärke, mit der er telefoniert hat. Das geht gar nicht! Doch auch wenn Menschen im bürgerlich-mitteleuropäischen Verständnis nicht wohlerzogen sind, will ich ihnen keinesfalls das Gefühl geben, nicht wohlerzogen zu sein. Auch sie sollen sich wohlfühlen.

Die Gästeliste

Eine Tischordnung zu erstellen ist ein Zeichen der Wertschätzung den Gästen gegenüber. Es kann aber auch herausfordernd sein, vor allem wenn Gäste kurzfristig absagen. Man muss überlegen, wer mit welchen Sitznachbarn ein gemeinsames Gesprächsthema hat. Beim Aperitif stelle ich die Leute, die am Tisch beisammensitzen werden, einander vor. So kann man gleich Anknüpfungspunkte finden. Am besten beginnt man mit oberflächlichen Themen, um die Standpunkte des Gegenübers zu sondieren. Dann kann man sich in Gespräche mit mehr Tiefgang vorwagen. Da braucht es Feinsinnigkeit.

Das Menü

Beim Menü sollte man darauf achten, dass man Speisen auswählt, die nicht polarisieren, und auch an vegetarische und vegane Optionen denken. Froschschenkel, Innereien oder Schweinefleisch würde ich nicht servieren. Gelegentliche Dinner-Einladungen nehme ich gerne an. Aber normalerweise esse ich nach 16 Uhr nichts mehr. Das ist für eine gewisse Jugendlichkeit wichtig. Nur bei hochwertiger Schokolade mit zartem Schmelz kann ich kaum widerstehen. Da ist es mit einem Stück nicht getan, wenngleich ich nachher ein schlechtes Gewissen habe. Ich möchte wieder mehr selbst kochen. Aber ich muss nach Jahren intensiven Berufslebens und notgedrungenerweise rascher Zubereitung einfacher Gerichte immer erst nachdenken, wo welche Geräte aufbewahrt sind.

Die Erinnerung

Eine Speise, die ich stark mit meiner Kindheit verbinde, ist Schweinsbraten. Vor allem der Fettrand erzeugte großen Ekel in mir. Aber ich musste immer aufessen. Ich habe mich also überwunden und den Schweinsbraten mit viel Wasser hinuntergespült. Vor einigen Jahren gab es bei einem Event kleine Häppchen auf Spießen mit asiatischer Sauce und Sesam. Die waren köstlich. Als mir der Gastgeber aber sagte, es handle sich um Schweinebauch, war ich schockiert. Ich dachte, mir wird gleich übel. (Protokoll: Michael Steingruber, RONDO, 12.10.2022)