Es dürfte eigentlich keine Überraschung sein, dass in einem Ermittlungsverfahren gegen angebliche Muslimbrüder und mutmaßliche Mitglieder der terroristischen Hamas in Österreich Arabischkenntnisse vonnöten sein werden. Fast zwei Jahre nachdem hunderte schwerbewaffnete Exekutivkräfte im Zuge der sogenannten Operation Luxor landesweit Razzien durchgeführt haben, erhoffen sich Verfassungsschützer bei der fallführenden Staatsanwaltschaft Graz aber nun genau in diesem Bereich personelle Unterstützung, um das stockende Verfahren zu beschleunigen.

In der Causa wird nach wie vor gegen etwa hundert Beschuldigte ermittelt. Sie alle stehen aus Sicht der Staatsanwaltschaft unter Terrorverdacht. Bisher wurde weder jemand verhaftet noch angeklagt. Dafür setzte es nach Entscheidungen des Oberlandesgerichts Graz bereits Rückschläge. So wurden in einigen Fällen die Razzien für rechtswidrig befunden. Das Gericht stellte auch eine zentrale These der Ermittlungen infrage, wonach jeder Muslimbruder als Terrorist anzusehen sei. Zuletzt wurden zudem die Gutachter in der Operation Luxor wegen Anscheins der Befangenheit ihrer Funktion enthoben.

Und jetzt fehlen auch noch Übersetzer. Bei der Landespolizeidirektion Steiermark etwa sei kein einziger Dolmetscher fix angestellt, wie aus einem Amtsvermerk aus den Ermittlungsakten hervorgeht. Das Personal, das den in der Causa zuständigen Verfassungsschutzstellen in der Steiermark und in Wien zur Verfügung steht, sei nur stundenweise und aufgrund anderer Tätigkeiten etwa bei Gericht nicht jeden Tag einsetzbar. Im Durchschnitt handle es sich jeweils um vier bis fünf Dolmetscher, die abwechselnd eingesetzt werden könnten, heißt es.

An Exekutivkräften mangelte es in der Operation Luxor keineswegs.
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Diese Lücke hat Folgen. Im Zuge der Operation Luxor stellten Ermittler am 9. November 2020 mit 200 Terabyte nämlich eine immense Datenmenge sicher. Das entspreche einem A4-Papierstapel von 5.000 Kilometern Länge, wird vorgerechnet. Und dessen Inhalt sei eben "zu 95 Prozent in arabischer Sprache geschrieben".

Die Ermittler rufen regelrecht um Hilfe – wohl aus Gründen. Denn: "In einer vergleichbaren Amtshandlung aus dem Jahre 2015 nahm die Auswertung von ca. 14 Terabyte in etwa 1,5 Jahre in Anspruch", wird in dem Dokument angeführt. Nach dieser Rechnung sitzen die Ermittlungsbehörden auf Material, dass zumindest das Potenzial hat, Polizei und Justiz etwa 21 Jahre lang zu beschäftigen.

Wenig überraschend weisen die Verfassungsschützer darauf hin, bis Ende August erst sechs Abschlussberichte von Beschuldigten an die zuständige Staatsanwaltschaft Graz übermittelt zu haben. Allerdings wird angemerkt, dass überall noch größere Nachträge in Form von Übersetzungen nachgereicht werden müssen. Völlig abgeschlossen scheint hier bald zwei Jahre nach den Razzien also noch nicht allzu viel zu sein.

Ein Mailordner, 400.000 Nachrichten

Wie dringlich ihr Anliegen ist, versuchten die Ermittler anhand eines weiteren Beispiels zu veranschaulichen. Demnach befänden sich allein in dem Mailordner eines Beschuldigten rund 400.000 Nachrichten in arabischer Sprache.

"Beim ersten Augenschein stellte sich heraus, dass der Inhalt dieser Mails die Führungsposition (in der Muslimbruderschaft, Anm.) des Tatverdächtigen bestätigen und aufgrund dessen Anordnungen und Anweisungen zur Geheimhaltung einschlägige Tatbestände der gegenständlichen Gruppierung deutlich sichtbar werden", heißt es in dem Amtsvermerk. Jener Ordner stelle aber "nur einen Bruchteil" aller Dateien des Beschuldigten dar. "Der Einsatz von Spezialisten für forensische Textanalyse mit Sprach- und Fachkenntnissen könnte diese Auswertung beschleunigen."

Mindestens zwei Spezialisten wären "vorteilhaft"

Die Verfassungsschützer legten der Staatsanwaltschaft auch gleich eine Kostenschätzung vor. Demnach würde ein Dolmetscher die Allgemeinheit gemäß aktuellen Tarifen und bei einer 40-Stunden-Anstellung im Schnitt 13.094 Euro brutto pro Monat kosten. Ein Spezialist für Textanalyse käme auf circa 6.000 Euro brutto. Den Einsatz von "zumindest zwei" solcher Spezialisten empfände man "für den Anfang" als "vorteilhaft".

Wird die Staatsanwaltschaft Graz diesem Wunsch Folge leisten? Eine Anfrage des STANDARD blieb unbeantwortet. (Jan Michael Marchart, 3.10.2022)