Das rechte (nördliche) Ufer ist bei Touristinnen und Touristen beliebter. Den schöneren Blick hat man aber aus dem Süden.

Foto: www.corn.at Heribert CORN

Nach ihrer Zeit vor Ort in der Wachau ziehen unsere Redakteure Stefan Weiss und Jakob Pflügl Bilanz. Für die beiden war die Reise eine Rückkehr in gewohntes Gebiet, sind sie doch beide in der Region aufgewachsen. Sie wollten das "Mariandlland" aber aus einem anderen Blickwinkel sehen und haben dafür ihre "angestammten" Donauufer gewechselt. Haben sich ihre Vorurteile von der jeweils anderen Seite bestätigt?

Den größten Fauxpas möchte ich gleich vorweg bereinigen: Ein Weinhauer meiner Heimatgemeinde hat mich dankenswerterweise daran erinnert, dass "wir", "die Wachauer", die Bezeichnung "Nord- und Südufer" doch nur für die ahnungs- und orientierungslosen Touries erfunden hätten, um ihnen nicht ständig erklären zu müssen, was genau denn nun gemeint ist, wenn man, wie eigentlich üblich, von "linkem und rechtem Donauufer" spricht. Einmal noch soll es hier nun also erklärt sein: Links und rechts richtet sich nach der Fließrichtung der Donau, wonach auch sonst. "Owe" und "auffi" ist somit klar, "drüben" und "herüben" ist bekanntlich Ansichtssache.

Nun musste ich unserer Versuchsanordnung nach also als gelernter Rechtswachauer "drüben", genauer in Weißenkirchen, eine Woche lang mein Dasein fristen. Haben sich meine Vorurteile (Touristen, Autos, Lärm, Geld, Touristen, Touristen) bestätigt? Oder konnte ich dieser Strafversetzung auch etwas Positives abgewinnen?

Nun. Meine Wachauer Weltsicht mag sich durchaus um Nuancen, vergleichbar etwa dem Unterschied zwischen einem Veltliner Steinfeder und Veltliner Federspiel, verschoben haben. Ja, es stimmt: Infrastruktur vor der Haustür schadet nicht. Bank, Post, Supermarkt, Polizei (meistens eh ohne Alkomat), Hotels und Restaurants haben schon ihre Berechtigung.

Die Radwege sind doch an vielen Stellen breiter, als ich es in meiner wohl vom Heurigen vernebelten Erinnerung gespeichert hatte. Und wenn man die Postkartenkulissen mit ihren touristischen Heerscharen erst einmal überwunden hat, finden sich im Hinterland der Metropolen durchaus Plätzchen, wo man auch einmal ganz für sich sein kann. 24-Stunden-Weinautomaten gibt es übrigens hüben wie drüben – am rechte Ufer gibt es dafür über weite Strecken keinen Bankomaten mehr. Gründe genug also, um das Ufer zu wechseln? Nein, liebe Linkswachauer. Bleibt ihr nur Kulisse, ich bin glücklich im Zuschauerraum. (Stefan Weiss, 14.10.2022)

Ich will ehrlich sein: Lang hat es nicht gedauert, bis ich nach meiner Ankunft am rechten (südlichen) Wachauufer "Ma, ist es da schön" an Kollegen Stefan Weiss geschrieben habe. Von meiner Unterkunft in Rossatz-Arnsdorf hatte ich eine perfekte Aussicht auf Weißenkirchen, das am anderen Ufer liegt.

Der Blick nach Norden ist aber nicht das einzig Schöne, das der Süden zu bieten hat – das muss ich nach meiner Zeit in der Wachau zugeben. Die Heurigenkultur ist genauso gut wie am linken Ufer, der Veltliner genauso grün und die Donau genauso "blau". Vor allem aber eines gibt es zwischen Melk und Mautern im Überschwang: Ruhe. Wer entspannen will, ist hier auf der richtigen Seite. Selbst im Sommer ist nicht viel los. Wer wandert, der begegnet nur selten anderen Menschen. Wer sich an die Donau legt, hat oft einen eigenen Strandabschnitt für sich.

Manchmal kann es einem allerdings auch zu viel werden vor lauter Ruhe. Schließlich ist am rechten Ufer in Sachen öffentlicher Verkehr und Infrastruktur genauso wenig los. Das einzige kleine Geschäft auf der 30 Kilometer langen Strecke zwischen Mautern und Melk hat nur wenige Stunden am Tag offen. Dort gibt es – für Österreicherinnen und Österreicher besonders wichtig – die einzige Möglichkeit, Bargeld abzuheben. Busse fahren nur alle zwei Stunden. Ohne Auto geht da gar nichts.

In Sachen Umweltschutz ist das ruhigere Ufer der linken Seite trotzdem einiges voraus. Sicher: Wo nicht tagtäglich tausende Touristinnen und Touristen durch die Straßen ziehen und Kabinenschiffe ihren Müll abladen, ist die Natur schon prinzipiell besser dran. Das Life-Projekt bei Rossatz zeigt aber, was möglich wäre: Zwischen 2015 und 2022 wurde mit Unterstützung der EU ein Abschnitt der Au renaturiert. Mittlerweile etabliert sich um den Donauarm ein neues Ökosystem.

Ich habe in den letzten Wochen mehr Zeit am rechten Ufer der Wachau verbraucht als in zwanzig Jahren, die ich im nördlichen Krems gelebt habe. Meine Bilanz fällt ausgewogen aus: Der Vorteil am rechten Ufer ist die Ruhe. Der Nachteil am rechten Ufer ist die Ruhe. (Jakob Pflügl, 14.10.2022)