Der Kauf einer vermieteten Wohnung ist ein Risiko.

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Dass ihre Wohnung verkauft wird, erfuhr Iris L. von ihrer Nachbarin. Die Altbauwohnung im siebten Bezirk, die ihre Eltern in den 1940er-Jahren angemietet hatten und in deren Altmietvertrag Iris L. in den 1990er-Jahren eingetreten ist, wird auf einer Plattform als Investment beworben.

336.000 Euro werden für die 84-Quadratmeter-Wohnung im "prächtigen Jugendstilhaus" verlangt. Sie ist, wie im Inserat betont wird, an drei Mieter für eine Nettomiete von rund 320 Euro im Monat unbefristet vermietet. Das ist wenig im Vergleich zu den aktuellen Mieten – allerdings hat die Familie auch viel Geld in die alten Mauern investiert.

Nun wird die Wohnung also verkauft. Was nach einem absurden Auswuchs des Immobilienmarktes klingt, ist rechtlich okay. Mieterinnen und Mieter müssen über den Verkauf nicht informiert werden und erfahren davon häufig erst, wenn ihnen der neue Vermieter die Kontonummer für das Überweisen der Miete mitteilt. "Das Mietrechtsgesetz hat so einen starken Schutz für den Mieter, dass es letztendlich egal ist, wem die Wohnung gehört", sagt der auf Immobilienrecht spezialisierte Wiener Rechtsanwalt Christoph Rechberger.

"Ein Glücksgeschäft"

Auf Immobilienplattformen werden zahlreiche unbefristet vermietete Wohnungen angeboten. "Im Grunde ist das ein Glücksgeschäft", sagt Rechberger. Man baue dabei darauf, dass der Mieter oder die Mieterin stirbt und niemand in den Mietvertrag eintritt, um ein gutes Geschäft zu machen. Rechberger hat erst vor wenigen Tagen einem Klienten davon abgeraten, eine solche Wohnung zu kaufen – auch weil die im Gesetz geregelten Eintrittsrechte oft nicht vorhersehbar sind. Grundsätzlich spreche aber nichts gegen den Kauf einer Wohnung mit verkehrsüblichem Mietzins zu Anlagezwecken, wenn man auf die Wohnung nicht zum persönlichen Bedarf angewiesen ist.

Iris L. hat Angst, dass ihr in Zukunft eine Eigenbedarfskündigung ins Haus steht und sie ihre Familienwohnung verliert. Diese Angst ist nach einem Eigentümerwechsel oft groß. Um solche Spekulationskäufe zu verhindern, gibt es per Gesetz eine zehnjährige Sperrfrist, innerhalb derer ein neuer Eigentümer bzw. eine neue Eigentümerin nicht wegen Eigenbedarfs kündigen kann: "Und da fährt die Eisenbahn drüber", sagt Rechberger – vorausgesetzt, das Mietverhältnis fällt in den Anwendungsbereich des MRG.

Danach ist eine Eigenbedarfskündigung theoretisch möglich – aber nur, wenn es dringenden Eigenbedarf des Vermieters oder eines Verwandten in absteigender Linie und eine "zugunsten des Vermieters ausschlaggebende Interessenabwägung" gibt. In den Jahren nach dem Zweiten Weltkrieg habe es eine "Notstandsjudikatur" gegeben, sagt Rechberger, die den dringenden Eigenbedarf nur bei einem tatsächlichen Notstand als gegeben erachtete. Mieterinnen und Mieter hatten also Glück. Diese Zeiten sind vorbei, allerdings wird auch nach der jüngeren Rechtsprechung an den dringenden Eigenbedarf ein strenger Maßstab angelegt, beispielsweise werde sehr genau geschaut, ob es nicht eine andere Wohnmöglichkeit für den Vermieter gäbe.

Kein Vorratskauf

Verneint wurde der dringende Eigenbedarf in der Vergangenheit, wenn mehrere Eigentumswohnungen vorhanden waren oder wenn ein wirtschaftliches Interesse, etwa der höhere Ertrag bei Neuvermietung nach Sanierung, im Vordergrund stand. Eine Kündigung "auf Vorrat, weil in drei Jahren das Enkerl nach Wien zieht", geht außerdem nicht, der dringende Eigenbedarf müsse konkret sein.

Keine Angst, sagt Rechberger zu Mieterinnen und Mietern, die eine Eigenbedarfskündigung per Post erhalten. Es gebe immer wieder Vermieter, die "es einfach probieren", auch innerhalb der zehnjährigen Sperrfrist.

Die eingangs erwähnte Iris L. wird ihre Wohnung keinen Anlegerinnen und Anlegern überlassen: Sie hat beschlossen, ihre Wohnung selbst zu kaufen. (Franziska Zoidl, 29.10.2022)