Ein Ex-Kanzler, der ausgewählten Medienvertretern das Transkript eines von ihm selbst heimlich aufgezeichneten Gesprächs vorliest: Das hat diese Republik auch noch nicht erlebt. Dabei ist Sebastian Kurz’ Wunsch, die von ihm wohl tatsächlich stark empfundene eigene Unschuld zu beweisen, nachvollziehbar. Die Verteidigungslinie seines Umfelds verkommt allerdings zusehends zu einer Satire – und erinnert immer mehr an seine Regierungszeit.

Die Verteidigungslinie des Kurz-Umfeld verkommt zusehends zu einer Satire
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Denn auch da galt eine glanzvolle Inszenierung als oberste Prämisse. Ob die präsentierten und versprochenen Inhalte dann tatsächlich umgesetzt werden konnten oder nicht, war zweitrangig. Der größte anzunehmende Unfall war, wenn jemand anderes als Türkis die Schlagzeilen dominierte und die Control über die Message verlorenging.

Rund um sein Ermittlungsverfahren herrscht für Kurz natürlich der maximale Kontrollverlust. Was die Korruptionsstaatsanwaltschaft vermutet oder ein Thomas Schmid als potenzieller Kronzeuge aussagt, kann Kurz nicht bestimmen. Nur so ist zu erklären, dass Kurz bereit ist, mit einem heimlich aufgenommenen Telefongespräch hausieren zu gehen – das noch dazu nicht allzu aussagekräftig erscheint.

Für sein Prestige ist es ein tiefer Fall. Was andere Regierungschefs davon halten, mag man sich gar nicht ausmalen. Auch in der Wirtschaft telefoniert man nicht gern mit jemandem, der heimlich aufnimmt. Aber das scheint Kurz egal zu sein. (Fabian Schmid, 21.10.2022)