"Gotham Knights" war zum Release nicht ganz fertig – vielleicht aber auch ganz anders als ursprünglich geplant.

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Kann sich noch jemand an "Battlefield 2042" erinnern? Vor einem Jahr erschien das Millionenprojekt, das seitdem zu seiner alten Formel zurückgepatcht wird. Die Verantwortlichen hatten nämlich versucht, Charaktere mit speziellen Fertigkeiten und flotten Sprüchen in die "Battlefield"-Formel zu quetschen, was Fans – abseits der zusätzlich im Paket enthaltenen Bugs – sauer aufgestoßen ist.

Natürlich will man Entwicklung sehen, auch in bekannten Marken. Aber zuletzt geschah es immer wieder, dass man erfolgreiche Konzepte mit völlig absurden Zusatzfeatures verschlimmbesserte. Blockbuster als Spielbälle verwirrter Game-Designer, oder reden mittlerweile zu viele Geldgeber in den Entwicklungsprozess hinein, die den sicheren Dollar wittern und dabei vergessen, dass ein Videospiel mehr ist, als die Summe seiner Einzelteile?

Irgendwo verrannt

Man kann sich diese Vorstands- oder Produzenten-Meetings richtig vorstellen. "Mein Neffe spielt dieses ‘Fortnite’, warum haben wir das nicht?" Sicher auch schon einmal ähnlich formuliert wurde wohl dieser Satz: "Dieses ‘Destiny’ ist erfolgreich, macht auch so was!" Anders ist es nicht zu erklären, wie große Produktionen immer wieder auf den Markt geworfen werden, ohne etwas besser zu machen als Vorgänger, und sogar Elemente ergänzen, die die Spielerfahrung schlechter machen.

Da reden wir jetzt gar nicht von falschen Versprechungen – etwa wenn Blizzard ankündigt, mit "Overwatch 2" die beste Fortsetzung aller Zeiten produzieren zu wollen, und man als Spieler am Ende nur daran merkt, dass man den zweiten Teil spielt, weil die Server von Teil eins einfach abgedreht werden. Wichtiger Hinweis: Teil eins wird aber sehr wohl noch verkauft, was aufgrund der ausgeschalteten Server eine bodenlose Frechheit ist.

"Battlefield 2042" sollte sogar kurzfristig Free2Play werden, weil der Shitstorm der Spieler so groß war.
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Aber kommen wir zurück zu den vermurksten Spielkonzepten. Das Action-Spiel "Gotham Knights" wurde mehrfach verschoben. Die echten Gründe wird man voraussichtlich erst in vielen Jahren von Ex-Mitarbeitern hören, aber als Externer kann man nur vermuten. Schaut man sich das Spiel in seiner "fertigen" Version an, dann hakt es an so ziemlich allen Punkten, die vergleichbare "Batman"-Spiele der Vergangenheit bereits besser hinbekommen haben. Warum gibt es etwa diese Waffen mit angezeigtem Power-Level? Warum ist die Technik nicht beeindruckend, wenn doch auf die letzte Konsolen-Generation extra verzichtet wurde, um keine Kompromisse eingehen zu müssen? Wo ist der Vierspieler-Modus hinverschwunden, der angekündigt wurde und jetzt höflichkeitshalber für einen Horde-Modus doch noch den Weg ins Spiel findet?

Es drängt sich hier die Vermutung auf, dass eigentlich ein Spiel à la "Destiny" geplant war, also ein Service-Game, das über Jahre Geld in die Kasse hätte spülen sollen. In diesem hätte es mit Sicherheit eine offene Spielewelt gebraucht, also Gotham City, zahlreiche tägliche Quests und so manche spektakuläre Hauptaufgabe – vielleicht Raids für vier Spieler, die am Ende tolle Verkleidungen oder Waffen beschert hätten. Dazu kam es allerdings nie, denn das vor wenigen Tagen erschienene Spiel wird von den potenziellen Fans keine zweite Chance bekommen. Der Zug ist in diesem kompetitiven Umfeld schnell abgefahren.

Die Liste an Spielen, die sich ähnlich verrannt haben, ließe sich noch weiterführen. "Rainbow Six: Extraction", das basierend auf einer bekannten Marke nicht genau wusste, für wen es eigentlich programmiert wurde. Die zahlreichen asynchronen Spielerlebnisse, etwa "Evil Dead" oder "Ghostbusters", die aus einem grundsätzlich spannenden Konzept so gut wie gar nichts machen konnten, trotz starker Lizenzen. Schließlich darf noch "Saints Row" angeführt werden, das in seiner neuesten Auflage ebenfalls, inhaltlich wie auch spielerisch, mit seiner hippen Darstellerinnen-Truppe auf die Nase fiel.

Besserung in Sicht?

Der Games-Markt ist aufgrund der zahlreichen Plattformen – allen voran Mobile – derart heterogen geworden, dass man sich Ausrutscher nicht mehr erlauben darf. Eine gute Idee vom Nachbar kopieren, auch wenn man gar nicht die richtigen Leute dafür hat oder es in die eigene Philosophie nicht passt, funktioniert nicht. Genau wie eine starke Lizenz kaufen und meinen, es sei damit getan. Spiele müssen sich – ähnlich wie TV-Serien zu bekannten Fantasy-Franchises – gleichzeitig neu erfinden, aber sich auch ausreichend treu bleiben.

Ein Beispiel scheint das in dieser Woche erscheinende "Call of Duty: Modern Warfare 2" zu werden. Die Kampagne, von der sich etwa ein "Battlefield" mit dem letzten Teil getrennt hat, scheint sowohl optisch als auch spielerisch zu überzeugen. Der Multiplayer-Modus bietet zum Start den Hardcore-Fans die bekannte Rezeptur, während am Horizont mit "Warzone 2" und einem neuen Spielmodus ausreichend Neuerungen warten.

Ob "Modern Warfare 2" in wenigen Tagen alles besser macht, werden wir demnächst sehen.

Bei "Need for Speed Unbound", das am 2. Dezember überraschend erscheinen wird, darf man noch skeptisch sein. Die Serie wieder in den Untergrund zu führen, ist mit Sicherheit ein schlauer Schachzug, die neuen Effekte, die man auch deaktivieren kann, könnten etwas Frische und Einzigartigkeit in den Action-Racer bringen. Ein Action-Racer, der in den letzten Jahren ebenfalls nicht mehr genau wusste, für wen er denn eigentlich gemacht war. Wie will man so eine Zielgruppe erreichen?

Als Spieler wünsche ich mir, dass man sich das Anbiedern an andere Erfolgsformeln oder das Einflechten von Mobile-Mechaniken anderen überlässt. Stehlt nicht überall die "Souls"-Formel, wenn ihr nicht das dazupassende Gameplay liefern könnt. Versucht kein Service-Game zu machen, wenn ihr kein Service bieten wollt, und bitte, bitte versucht nicht überall die "Fortnite"-Optik zu kopieren. Nicht alle Videospieler sind 14 Jahre alt.

Im Blockbuster-Bereich sollen Meilensteine gemeißelt werden, die zeigen, wohin die Reise in den nächsten Jahren gehen wird. Sei es technisch, spielerisch oder erzählerisch. Dass man dabei immer auf Risiko spielt, ist klar. Sich von Leuten dazwischenreden lassen, die nicht den Spielspaß, sondern den Umsatz im alleinigen Fokus haben, ist aber in jedem Fall auch der falsche Weg, um langfristig in dieser Branche Erfolge feiern zu können. Fragt also besser künftig mich oder einen der Millionen anderer Spieler, die es offenbar besser wissen. (Alexander Amon, 28.10.2022)