"Die wollen wir hier nicht", sagte der St. Georgener Bürgermeister jüngst bei der Demonstration, die sich gegen das Aufstellen von Zelten für Flüchtlinge wandte. Er meinte damit jene rechtsextremen Gruppen, die das Thema sofort instrumentalisiert hatten. Der Satz des Bürgermeisters hätte aber auch für die Zelte und – mehr noch – für deren Bewohner gelten können.

Wobei: Man hat nichts gegen Ausländer in St. Georgen. Man kümmert sich seit Monaten gut um ukrainische Waisenkinder. Das betonen die St. Georgener. Man wolle nur nicht, dass hier fremde Menschen, vor allem junge Männer, herumlungern und augenscheinlich den ganzen Tag nichts zu tun haben.

Volkes Stimme klingt nicht schön, aber sie bringt ein Kernproblem auf den Punkt. Das Herumlungern passiert in den meisten Fällen nicht freiwillig. Wer hier Schutz sucht, ist zum Nichtstun verdammt, bis die Behörden entschieden haben. Das ist ein großes Manko: Man stelle sich vor, junge Geflüchtete dürften etwa am St. Georgener Bauhof mithelfen oder sonst etwas für die Allgemeinheit tun. Das würde viel verändern.

Bei einer Demonstration gegen das Aufstellen von Flüchtlingszelten in St. Georgen waren auch fremdenfeindliche Plakate zu sehen.
Foto: APA/DANIEL SCHARINGER

Ein zweites, grundsätzliches Problem hat mit dem Verhalten vieler junger Männer mit Fluchthintergrund zu tun. Jedes Mal, wenn, wie zuletzt am Wiener Praterstern, eine Messerstecherei unter Jugendlichen mit Migrations-(Asyl-)Hintergrund stattfindet, steigt das Unsicherheitsgefühl der Bürgerinnen und Bürger. Die Polizei wirkt dabei seltsam machtlos. Sie untersteht übrigens seit 22 Jahren fast ausschließlich ÖVP-Innenministern, da kann der Wiener ÖVP-Chef noch so mit dem Finger auf die SPÖ zeigen. Vorfälle wie jener am Praterstern sind Wasser auf die Mühlen der Rechten. Sie reden dann von "kulturellen, unüberbrückbaren Unterschieden", schreien "Ausländer raus" und erfreuen sich wachsender Zustimmung. Da hilft es dann nicht mehr, insgesamt sinkende Kriminalitätsraten dagegenzuhalten und darauf hinzuweisen, dass nichtösterreichische Verdächtige deutlich öfter angeklagt und eingesperrt werden als Österreicher.

Unüberbrückbare Unterschiede?

Tatsächlich treffen ja die "kulturellen Unterschiede" oft zu. Aber unüberbrückbar? Wir sprechen hier zumeist immer noch von Halbwüchsigen, oft noch Kindern, die sich, aus kriegerischen Verhältnissen in ihren Heimatländern kommend, allein durchschlagen und behaupten mussten. Eine solche Sozialisation kann im Streitfall unter Pubertierenden fatale Folgen haben.

Nur: Was machen wir mit dieser Erkenntnis? Noch höhere Zäune bauen? Uns selbst vormachen, dass es möglich und besser wäre, uns abzuschotten? Das kann wohl nicht das Ziel sein. Man muss sich um die Menschen kümmern, man muss sie bilden, arbeiten, eben nicht "herumlungern" lassen – und ja, im Fall von Kriminalität auch hart bestrafen. Und man muss die Schutzsuchenden besser verteilen und menschenwürdig unterbringen, im Land und in Europa. Dafür braucht es den Willen, den Einsatz und die Zähigkeit der Politik.

Der Innenminister hat bis jetzt nur die Länder herausgefordert, statt sich mit ihnen zu einigen. Die ÖVP zieht, wie einst unter Kurz, das Thema "Asyl" hoch, weil es innenpolitisch gerade recht ungemütlich für sie ist. Für die FPÖ, die zwar keine Lösungen, dafür aber jede Menge Vorurteile zu bieten hat, ist das eine Steilvorlage, wie sich in ersten Umfragen zeigt. So hat sich die ÖVP ein neues Problem geschaffen, statt ein altes zu lösen. (Petra Stuiber, 30.10.2022)