Im Gastblog spricht Mediator Ulrich Wanderer über seine Erfahrungen bei der Online-Mediation.

Wie bereits im letzten Beitrag angesprochen, lebt die Mediation grundsätzlich von der persönlichen Gegenwart und den Regungen, der Gestik, Mimik, kurz der gesamten verbalen und nonverbalen Kommunikation der Parteien. Dennoch entwickelte sich gerade in den Monaten der Lockdowns die Online-Mediation als neuer Zweig mit vielen Möglichkeiten, aber auch Problemstellungen.

Voraussetzungen der Online-Mediation

Rein praktisch setzt eine gelingende Online-Mediation eine funktionierende technische Ausstattung voraus. Dies umfasst etwa eine gut auflösende Webcam sowie ein Headset, damit allfällig anwesende Personen der Konversation nicht folgen können. Eine stabile und ausreichend schnelle Internetverbindung sorgt für verzerrungsfreie, klare Bilder und vermeidet Missverständnisse.

Eine Online-Mediation erlaubt es zwar, von zu Hause aus teilzunehmen, hemmt dabei aber die Bedeutung von nonverbaler Kommunikation.
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Dass all jene Basics grundsätzlich bei allen beteiligten Parteien, also den Mediatoren und Mediatorinnen sowie den Medianden und Mediandinnen, gegeben sein sollten, scheint nachvollziehbar, ist aber in der Praxis immer wieder ein Problem. So kann eine mangelnde Netzabdeckung und die daraus resultierende schlechte Übertragungsqualität in einer möglicherweise angespannten Situation zur Eskalation führen.

Mediation bei verschiedenen Standorten oder Covid

Ein wesentlicher Vorteil der Online-Mediation besteht darin, dass die Parteien nicht unbedingt persönlich in einem Raum anwesend sein müssen, was insbesondere bei größeren Entfernungen die Terminfindung massiv erleichtert. So können Termine unabhängig von Bundesländern oder auch Kontinenten vereinbart werden. Auch ist die schnelle Bereitstellung von allfällig benötigten Dokumenten oder Informationen ein weiterer Benefit der elektronischen Arbeitsumgebung.

Familie F. wollte sich bezüglich der Erbfolge und der damit verbundenen Emotionen zusammenfinden. In gemeinsamen Gesprächen sollten die Bedürfnisse und Wünsche der Beteiligten sondiert und in eine umfassende testamentarische Regelung eingearbeitet werden. Zwei Geschwister wohnten gemeinsam mit dem Vater in der gleichen Stadt, die anderen zwei waren aber ins Ausland verzogen. So war es bereits eine Herausforderung, den ersten Termin für alle Parteien zu koordinieren, doch fand ich im Vorfeld der Weihnachtsfeiertage ein passendes Zeitfenster.

Nachdem bei diesem Termin allerdings neue Themen aufkamen und auch die Verwaltung einer Liegenschaft zu bewerkstelligen war, einigten sich die Geschwister gemeinsam mit dem Vater, die begonnene Mediation fortzusetzen, wobei jene Themen, die nicht mit der gemeinsamen Familiengeschichte zusammenhingen, sondern rein nur die Verwaltung der Liegenschaft betrafen, in einem regelmäßigen vom Mediator begleiteten Jour fixe zu besprechen wären. So konnten jene Termine, die die gemeinsame Familiengeschichte betrafen und daher auch die persönliche Anwesenheit aller Beteiligten voraussetzten, gesondert vereinbart werden.

Ein zweites Beispiel zeigt die Vorteile der Online-Mediation bezüglich der Nutzung Webcam und Smartphone: Als Frau O. aufgrund ihrer Covid-Erkrankung ihre Wohnung nicht verlassen konnte, litt sie besonders unter dem immer wieder hörbaren Geräuschen, die die über ihr lebenden Kinder der Familie R. verursachten. Zwar war eine herkömmliche Mediation nicht möglich, doch bot die Mediatorin eine Online-Mediation an, wobei sie selber in der Wohnung der Familie R. war, um auch die tatsächlichen Gegebenheiten besser verstehen und so auch zum besseren wechselseitigen Verständnis zwischen den Nachbarn beitragen zu können. O. konnte so auch die Wohnung über ihr sehen und war imstande, den Nachbarn genaue Informationen zu geben, wo die Tritte der Kinder besonders intensiv zu hören waren. Nachdem die jungen Eltern um gute Nachbarschaft bemüht waren und den Leidensdruck der Nachbarin nachvollziehen konnten, wurde der betreffende Gang zwischen dem Kinderzimmer und dem Wohnzimmer mit einem dicken schalldämmenden Teppich ausgelegt, der den Trittschall der Kinder wesentlich zu dämmen vermochte.

Kamerabild und Terminfindung

Den Möglichkeiten stehen jedoch auch einige Aspekte entgegen, auf die im Rahmen der Vereinbarung einer Online-Mediation besonderes Augenmerk gelegt werden sollte: Die bereits erwähnte Tatsache, dass die Körpersprache nur zu einem sehr geringen Teil über die Weiten des Internets transportiert werden kann, nimmt der Mediatorin und dem Mediator ein wesentliches Tool aus der Hand. Einen weiteren heiklen Punkt stellt die begrenzten Sicht auf den Raum dar, in welchem die Medianden sitzen. Gleichzeitig bietet eine Online-Mediation aber die Möglichkeit einer kurzfristigen Terminvereinbarung, wodurch der Prozess oftmals beträchtlich unterstützt werden kann.

Ein Beispiel: Aufgrund terminlicher Abstimmungsprobleme vereinbarten die getrennt lebenden Eheleute einen Online-Mediationstermin zur vorübergehenden Festlegung der Betreuungsregelung des gemeinsamen Kindes. Seit der gemeinsam vereinbarten zeitlich begrenzten Trennung herrschte jedoch eine Atmosphäre des Misstrauens zwischen den Partnern. Erst stellte A den Aufenthaltsort von B infrage, indem er ihr unterstellte, im Haus eines Jugendfreundes zu sein, dann stand die Vermutung im Raum, dass die Frau nicht alleine im Zimmer sein könnte. Die Sitzung musste in weiterer Folge nach Vereinbarung eines neuen Präsenztermins beendet werden, da keine zielführenden Gespräche mehr möglich waren.

In einem anderen Fall war, nachdem die Eltern sich geeinigt hatten, heikle und eskalationsträchtige Punkte wie beispielsweise die Frage des nachehelichen Unterhalts auf später zu verschieben, der Stress vorerst aus der Situation genommen. Dennoch musste im Sinne der siebenjährigen Tochter der regelmäßige Kontakt zur Mutter, die den gemeinsamen Haushalt verlassen hatte, sichergestellt werden. Da die Mutter berufsbedingt nur kurzfristig bekanntgeben konnte, wann sie die Betreuung der Tochter übernehmen würde, einigten sich die Eltern, bis auf weiteres in (virtueller) Gegenwart des Mediators die Termine einmalig im Monat im Voraus per Videokonferenz zu fixieren.

Die Frage des Datenschutzes

Ein weiterer wichtiger Punkt, der insbesondere (aber nicht nur) bei Online-Mediation zum Tragen kommt, ist die Frage des Datenschutzes. Wer zum Meeting im virtuellen Raum einlädt, muss sich bewusst sein, auch die daraus resultierenden datenschutzrechtlichen Verantwortlichkeiten zu übernehmen. Daher ist die Wahl des Videokonferenztools bereits eine entscheidende. Wichtig ist hier zu bedenken, dass in vielen Mediationen datenschutzrechtlich sensible Daten genannt werden und schon daher besondere Vorsicht geboten ist.

Mehr als ein Lückenbüßer

Dennoch ist Online-Mediation mehr als nur ein Lückenbüßer für Lockdowns. Sie eröffnet neue Möglichkeiten für jene Aspekte einer Mediation, in denen beispielsweise Fakten ausgetauscht werden oder Termine vereinbart werden müssen. Bei aller gebotenen Vorsicht bei der Verarbeitung von personenbezogenen Daten bleibt die Nutzung von Online-Medien auch in der Mediation eine spannende Weiterentwicklung. (Ulrich Wanderer, 15.11.2022)