Der Verfassungsgerichtshof sagt, wie man damit verfahren könnte, findet Florian Wenninger vom Institut für Historische Sozialforschung in seinem Gastkommentar.

Illustration: Fatih Aydogdu

Auch 104 Jahre nach der Proklamation der Republik am 12. November 1918 besteht Karl Habsburg, der Enkel des letzten Regenten, darauf, ein "von" im Namen zu führen. Trotz des offensichtlichen Gesetzesbruches reagierte die Staatsgewalt bislang eher ratlos. Wie kamen wir an diesen Punkt – und wie ließe er sich lösen?

Der 3. April 1919 ist ein bedeutender Tag in der österreichischen Demokratiegeschichte. An diesem Tag vollzog die junge Republik, unter dem Eindruck der verheerenden Folgen des Ersten Weltkrieges, den endgültigen Bruch mit der sechshundertjährigen Herrschaft der Habsburger. Das Parlament verwies den ehemaligen Kaiser Karl des Landes und verstaatlichte einen Teil seines Vermögens. Zugleich zog die Volksvertretung eine wichtige symbolische Trennlinie: Sie hob den Adel auf. Im neuen, demokratischen Staat sollte niemand mehr qua Geburt über seinen Mitmenschen stehen. In den Worten der Abgeordneten Adelheid Popp, einer sozialdemokratischen Fabriksarbeiterin, die bei dieser Gelegenheit als erste Frau im Parlament das Wort ergriff, zeigte die Abschaffung des Adels der Bevölkerung, "dass es diesem Hause mit der republikanischen Gesinnung ernst ist. In der Republik kann es keine Privilegien geben, in der Republik kann es nur Menschen geben, die gleichen Rechtes, gleichen Titels und gleichen Ranges sind."

"Demokratie braucht Gleichheit. Die Existenz einer Aristokratie steht dazu im diametralen Gegensatz."

Das schließlich einstimmig beschlossene Verbot, "von" im Namen zu führen, die Untersagung von Adelsprädikaten (Durchlaucht u. Ä.) und Standesbezeichnungen (Baron etc.) stehen in der Tradition der großen republikanischen Deklarationen, der US-amerikanischen Unabhängigkeitserklärung von 1776 ebenso wie der französischen Erklärung der Menschenrechte von 1789. Sie alle postulieren: Demokratie braucht Gleichheit. Die Existenz einer Aristokratie steht dazu im diametralen Gegensatz.

Öffentlich trotzig

Es wird über mehrere Schlösser in Österreich berichtet, deren Besitzer sich von ihren Bediensteten und Jagdgästen als Graf, Fürst oder Exzellenz ansprechen lassen. Besonders gut gefällt sich in der Rolle des blaublütigen Renegaten, der öffentlich auf seiner adeligen Herkunft beharrt, das Oberhaupt des verhinderten Erzhauses, Karl Habsburg. Obwohl die Aufhebung des Adels im Verfassungsrang steht, führt der Kaiserenkel öffentlich trotzig ein "von" im Namen. Wie ihn sein Personal unter welchen Verrenkungen zu adressieren hat, ist nicht bekannt. Mit Heinrich Heine ließe sich nun die Auffassung vertreten, der Teufel, der Adel und die Jesuiten existierten nur so lange, als man an sie glaube. Natürlich ist die demonstrative Zurschaustellung von Insignien der vermeintlichen eigenen genetischen Höherwertigkeit ein bizarres, ein lächerliches Schauspiel. Aber warum wird es dann veranstaltet? Und ist es, nur weil grotesk, auch gleichgültig?

Wie dessen Abschaffung ist auch die Anmaßung des Adels ein symbolischer Akt: eine demonstrative Zurückweisung des Gleichheitsprinzips. Im Jahr 2018 von der Stadt Wien mit einer Geldstrafe von 70 Euro oder einer vierstündigen Ersatzfreiheitsstrafe belegt, zog Karl Habsburg bis zum Verfassungsgerichtshof (VfGH). Dieser hielt in Übereinstimmung mit der vorangehenden Instanz zwar die Geldstrafe für uneinbringlich, weil die im Gesetz angegebene Buße noch in Kronen angegeben sei. Allerdings, und damit widersprach der Verfassungsgerichtshof der bisher gängigen Gesetzesinterpretation, sei die gesetzlich angedrohte Freiheitsstrafe nicht als Ersatzstrafe für eine Geldbuße zu verstehen. Vielmehr seien Geld- und Freiheitsstrafe "selbstständig nebeneinander als Sanktion vorgesehen". Mit anderen Worten: Statt die Bestimmung weiterhin durch die Verhängung obsoleter Geldbußen der Lächerlichkeit preiszugeben, könnten Behörden Verstöße gegen das Adelsaufhebungsgesetz künftig auch anders ahnden: durch eine Haftstrafe.

Es bleibt abzuwarten, ob Habsburg das stunden- oder auch wochenweise Martyrium republikanischer Gefängnisse auf sich zu nehmen bereit ist. Andernfalls wäre im Grunde nur ein Kompromiss denkbar: dass Habsburg und seine Getreuen sich zu Schaustellern erklären. Dann könnte man ihnen das "von" als Künstlernamen zubilligen. Der Kaiser und sein Hof als Schar von Clowns und Narren. Das wäre auch wieder irgendwie stimmig. (Florian Wenninger, 11.11.2022)