Hansi Flick musste sich ärgern.

Foto: IMAGO/Moritz Müller

Al-Ruwais – Zu wenig "Herzblut", fehlende "deutsche Tugenden" und "krasse Fehler": Die Kritik der Expertinnen und Experten fiel nach dem überraschenden WM-Auftakt der deutschen Fußball-Nationalmannschaft verheerend aus – auch Trainer Hansi Flick kam unter Beschuss.

Er stehe zwar immer zu seinem Freund, sagte Lothar Matthäus nach dem 1:2 gegen Japan der "Bild"-Zeitung, "aber ich habe in dem Spiel einiges nicht verstanden". Der Rekordnationalspieler zeigte Unverständnis für "die Aufstellung der Außenverteidiger", Niklas Süle sei keiner.

Zudem seien Flicks Wechsel "nicht glücklich" gewesen. Ohne Thomas Müller und Torschütze Ilkay Gündogan sei "die Ordnung verloren gegangen".

"Wenig Herzblut"

In die gleiche Kerbe schlug Paul Breitner. Die Auswechslungen seien ihm "ein Rätsel", dafür habe es "keinen triftigen Grund" gegeben, sagte der Ex-Weltmeister zu "Münchner Merkur" und "tz". Er verstehe nicht, "warum so viele Cheftrainer auf Teufel komm raus irgendwann einmal im Spiel unbedingt wechseln müssen. Damit reiße ich doch nur das Spielgefüge auseinander."

Die 1990er-Weltmeister Pierre Littbarski und Andreas Möller bemängelten die Einstellung. "Wir haben zu wenig Herzblut. Ich sehe nicht, dass sie 100 Prozent geben und sich den Arsch aufreißen", sagte Littbarski und kam zu dem Schluss: "Das ist einfach zu wenig für eine WM."

Möller vermisste in seiner "Kicker"-Kolumne die Galligkeit. "Vorne bei der Verwertung guter Chancen, hinten in den entscheidenden Zweikampfsituationen, wo wir die früher gepriesenen 'deutschen Tugenden' vermissen ließen." Der ehemalige Welt- und Europameister kam zu dem Schluss: "In dieser Hinsicht sind wir zu soft."

Zudem seien die Wechsel "zum Bumerang" geworden, betonte Möller: "Das Herz einer jeden Mannschaft ist ein kompaktes Mittelfeld. Dafür standen über eine Stunde lang Gündogan und Kimmich. Wir haben diesem Herz die Sauerstoffzufuhr verweigert."

Fehler führten zu Gegentoren

Scharf angegangen wurde die anfällige deutsche Defensive mit Süle und Nico Schlotterbeck. "Ganz, ganz schlecht", lautete die Analyse von Bastian Schweinsteiger in der ARD, Sami Khedira schimpfte über "ganz krasse Fehler".

Süle hätte seinen Gegenspieler beim ersten japanischen Treffer "nicht nach innen laufen" lassen dürfen, monierte Schweinsteiger. Beim zweiten Tor hob der Dortmunder das Abseits auf. "Der Fehler darf einem Außenverteidiger nie passieren", betonte Schweinsteiger.

Schlotterbeck kam beim entscheidenden Tor nicht mehr in den Zweikampf und wirkte insgesamt verunsichert. Das rief den ehemaligen Nationalspieler Dietmar Hamann auf den Plan, der Flicks Personalauswahl bemängelte. "Ein Spieler wie Mats Hummels hätte in die Mannschaft gehört, weil er Verantwortung übernimmt, weil er Missstände anspricht", schrieb Hamann in seiner Sky-Kolumne.

Für die Nichtberücksichtigung sieht er nicht nur sportliche Gründe. "Man hatte sich dazu entschieden, Harmonie über alles zu stellen. Das war wahrscheinlich auch der Grund dafür, dass Hummels nicht dabei ist", meinte Hamann, aber: "Du brauchst Reibung. Dadurch werden Reize gesetzt." (sid, red, 24.11.2022)