Die SPÖ ist nach einer Schockstarre voll in die Asyldebatte eingestiegen. Das ist erst einmal positiv. Es wäre ein Fehler der Linken, die Themen Asyl und Migration den Rechten zu überlassen und ihnen damit die Deutungshoheit zu überlassen. Tatsächlich gibt es ein Problem, und es sind mehrere: Derzeit suchen sehr viele Menschen um Asyl an, viele kommen aus Staaten, bei denen eine Asylgewährung höchst unwahrscheinlich ist. Viele reisen weiter. Dennoch gibt es in Österreich Schwierigkeiten, diejenigen, die sich dem Asylverfahren stellen, auch unterzubringen.

SPÖ-Parteichefin Pamela Rendi-Wagner muss realistische Lösungsansätze aufzeigen.
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Es gibt ein Problem an den EU-Außengrenzen, es gibt auch eines an den österreichischen Grenzen. Ungarn winkt jene, die es überhaupt so weit geschafft haben, durch und schickt sie nach Österreich weiter.

Es gibt ein Problem mit jenen, die einen negativen Asylbescheid haben, die aber schwer außer Landes zu bringen sind.

Es gibt Probleme mit Menschen, die Asyl erhalten haben, sich aber mit der Integration schwertun, um es einmal neutral zu formulieren.

Es gibt ein Problem am Arbeitsmarkt. Zu viele Geflüchtete können oder dürfen nicht arbeiten. Angesichts der offenen Stellen, die nicht besetzt werden können, muss man sagen: Es gibt auch ein Problem mit der Qualifikation.

Fakten und Argumente

Das sind bestimmt nicht alle Probleme. Die SPÖ hat es Hans Peter Doskozil zu verdanken, dass sie überhaupt in die Debatte eingestiegen ist. Der hatte ordentlich herumgepöbelt und eine aktivere Rolle eingefordert. Auch wenn man ihm Illoyalität vorwerfen kann: Es bringt nichts, den Kopf in den Sand zu stecken und zu behaupten, das Thema helfe nur der FPÖ.

Wenn man der Bevölkerung die Angst nehmen will, muss man sich der Problematik stellen und sie durchdeklinieren. Man muss der Hetze der FPÖ und dem Populismus der ÖVP mit Fakten, Argumenten und nachvollziehbaren Vorschlägen entgegentreten. Das gilt auch für die Grünen, die sich aus dieser Diskussion weitgehend abgemeldet haben.

Die SPÖ kommt langsam in die Offensive. Da gibt es Luft nach oben. Viele Vorschläge betreffen die EU, da kann Österreich allein nichts bewegen. Manche Ansätze sind gut durchgehangen und schlichtweg unrealistisch. Da hätte auch eine Kanzlerin Pamela Rendi-Wagner nichts ausgerichtet. Man merkt, wie sich die SPÖ über ihre Unsicherheiten und Widersprüchlichkeiten hinwegturnt. Über manches kann man tatsächlich diskutieren: Lassen sich die Asylverfahren noch verkürzen? Hat ein verpflichtender Integrationsdienst Sinn – oder ist das der erste Schritt zur Zwangsarbeit?

Dass die ÖVP und die EU schuld sind, haben wir schon gehört. Die Forderung nach einem restriktiveren Kurs ist auch nicht gerade originell. Wenn die SPÖ das Kanzleramt erobern will, muss Rendi-Wagner aus dem behübschten Wolkensprech herauskommen und realistische Lösungsansätze aufzeigen. Auch einen Vertrauensvorschuss muss man sich erarbeiten. (Michael Völker, 30.11.2022)