Medienministerin Susanne Raab (ÖVP) hat 2023 auf ihrer To-do-Liste ein neues ORF-Gesetz, das Tageszeitungsende der "Wiener Zeitung", eine neue Medienförderung und neue Regeln für öffentliche Werbebuchungen.

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Von Medienministerin Susanne Raab (ÖVP) und Grünen-Mediensprecherin Eva Blimlinger wird man 2023 noch einiges hören. Aber auch noch von anderen Medienmenschen im weiteren Sinne. Eine spekulative Vorschau – ohne Anspruch auf Vollständigkeit:

1. + 2. Susanne Raab (ÖVP), Eva Blimlinger (Grüne)

Medienministerin Susanne Raab (ÖVP) hat 2023 einiges zu tun: Das Verfassungsgericht verlangt bis Ende 2023 eine Neuregelung der GIS, die künftig auch Streamingnutzung einbezieht. Ein neues ORF-Gesetz dürfte dem Medienriesen auch eigene Streamingformate erlauben. Und sollte das Höchstgericht 2023 entscheiden, dass die Politik zu viel Einfluss auf die ORF-Gremien hat, wäre auch das zu reparieren. Die Verfassungsrichter prüfen das jedenfalls gerade.

In Raabs Ressort fallen auch der geplante Umbau der republikseigenen "Wiener Zeitung" zum staatsfinanzierten Onlinemedium, die Umsetzung einer neue Journalismus-Qualitätsförderung und neuer Regeln für Regierungswerbung.

3. Roland Weißmann (ORF)

Die wirtschaftliche Abhängigkeit des ORF von der Politik zeigt sich gleich im zweiten Jahr Roland Weißmanns als ORF-General. Wenn er im März keine verlässliche Zusage der Koalition für die angepeilten 740 Millionen Euro öffentliche Finanzierung ab 2024 bekommt, muss er sich fix überlegen, wo er an Angebot und Strukturen streicht.

4. Ingrid Thurnher (ORF)

Im STANDARD-Interview bestätigte die ORF-Radiodirektorin im September interne Überlegungen für eine Neuorientierung von FM4. Im ersten Halbjahr 2023 wollte sie darüber entscheiden. Ein "junges Ö3" könnte herauskommen. Der ORF-Popsender braucht jüngeren Flankenschutz – auch weil er einer der wichtigsten Werbeträger des ORF ist. FM4 hat schon heuer redaktionelle Wortbeiträge untertags zurückgefahren und das Tagesprogramm neu sortiert.

5. Georg Spatt (Ö3)

20 Jahre führt Georg Spatt Ö3 schon, seit 1996 arbeitet er für den Sender. Er könnte Koordinator der ORF-Radioflotte werden. Als möglicher Nachfolger bei Ö3 kolportiert: Michael Pauser, früher Ö3 und nun in der Technikdirektion des ORF.

6. Martin Bernhofer (Ö1)

Die Führungsfrage stellt sich 2023 auch bei Ö1: Senderchef Martin Bernhofer, seit wenigen Tagen 63, könnte sich im kommenden Jahr langsam verabschieden. Auch bei Ö1 stellen sich strategische Zukunftsfragen. Gegen Bernhofer hatten sich 2019 etwa Kulturchefin Silvia Lahner und der stellvertretende Ö3-Senderchef Albert Malli beworben, der zuletzt die Audioplattform "Sounds" für den ORF entwickelte.

7. Matthias Schrom (ORF)

Nach Bekanntwerden seiner Chats mit dem damaligen FPÖ-Chef und Vizekanzler Heinz-Christian Strache trat Matthias Schrom als TV-Chefredakteur zurück. Bis Februar 2023 macht er erst einmal Urlaub. Und dann geht der langjährige Sportchef des ORF, Hans Peter Trost, in Pension. ORF-Sportchef soll übrigens nun schon lange Schroms Traumjob gewesen sein.

8. Eva Karabeg (ORF)

Ihre Arbeit sieht täglich weit mehr als eine Million Menschen: Eva Karabeg, Schroms bisherige Stellvertreterin in der ORF-Chefredaktion, führt die TV-Information interimistisch und eher im Hintergrund. ORF-General Weißmann überlegt, den gemeinsamen Newsroom neu zu strukturieren, in dem TV, Radio und Online bisher eher nebeneinander arbeiten. Die TV-Chefredaktion dürfte jedenfalls neu ausgeschrieben werden, womöglich auch die ganze Newsroomführung. Und danach die multimedialen ORF-Ressorts, für deren Leitung bisher Hans Bürger (Inland/EU), Claudia Lahnsteiner (Chronik), Barbara Battisti (Wirtschaft) und Hartmut Fiedler (Ausland) kolportiert wurden. Update: Bürger scheint nun eher aus dem Rennen, als möglicher Kandidat wird intern etwa Matthias Westhoff gehandelt.

9. Alexandra Wachter (ORF)

Der interviewerfahrene Neuzugang von Puls 4 dürfte nicht dauerhaft bei den Tages-"ZiBs" des ORF werken. Mit prominenteren Sendeplätzen ist zu rechnen – womöglich schon 2023.

10. Martina Salomon ("Kurier")

Die Chefredaktionsfrage beschäftigt 2023 auch den "Kurier" und seine Eigentümer. Martina Salomons aktueller Vertrag als Chefredakteurin läuft bis September 2023. Sie dürfte verlängert werden – kolportiert für ein weiteres Jahr. Möglicher Nachfolger: Richard Grasl, stellvertretender "Kurier"-Chefredakteur.

11. Richard Grasl, Christian Rainer ("Profil")

Seit einem Vierteljahrhundert führt er "Profil" als Herausgeber und Chefredakteur, er wird dieser Tage 61 und dürfte sich nun auf Sicht aus seinem operativen Langzeitjob verabschieden. Montag wurde die Entscheidung der Redaktion mitgeteilt. "Seine Entscheidung", heißt es in der "Kurier"-Gruppe, zu der das "Profil" seit 2019 wieder ganz gehört.

Als mögliche Nachfolgerinnen wurden in den vergangenen Monaten und Jahren etwa schon Susanne Schnabl (ORF), Alexandra Föderl-Schmid ("Süddeutsche Zeitung") oder auch Barbara Toth ("Falter") und Medienberaterin Anita Zielina gehandelt, auch APA-Chefredakteur Johannes Bruckenberger – alle bisher ohne erkennbare Konkretisierung oder auch nur Bestätigung von Gesprächen. Richard Grasl soll sich auch schon konzeptuelle Gedanken über "Profil" gemacht haben.

Im Mediaprint-Konzern um "Kurier" und "Krone" kursierte 2022 die Idee, "Profil" am Samstag dem "Kurier" beizulegen. Ebenso nachgedacht hat man, die Sonntagsausgabe des "Kurier" aufzugeben. Beide wurden vorerst aus wirtschaftlichen Überlegungen schubladisiert.

Die wirtschaftliche Lage beim "Profil" beschreiben Kenner der Daten, vorsichtig formuliert, als "schwierig". Seit mehreren Jahren schreibt das Magazin keine schwarzen Zahlen, STANDARD-Infos über Verluste von bis zu zwei Millionen Euro werden dementiert. Ein Sparpaket aber dürfte anstehen, überlegt wurden etwa Verhandlungen über Gehaltsverzicht vor allem für Besserverdiener. Mit Christian Rainer würde sich ein gewichtiger von der Payroll verabschieden.

12. + 13. Franz Schellhorn (Agenda Austria), Eva Weissenberger (Wirtschaftskammer)

Die frühere Chefredakteurin der "Kleinen Zeitung" Kärnten und von "News" leitet inzwischen Kommunikation und Daten der Wirtschaftskammer Österreich und wurde als mögliche Chefredakteurin der "Presse" nach dem Chat-bedingten Rücktritt von Rainer Nowak gehandelt. Zuletzt soll Mutterkonzern Styria aber mit Franz Schellhorn (Agenda Austria, früher "Presse"-Wirtschaftschef) verhandelt haben. Ebenfalls als möglicher Kandidat kolportiert: Christian Ultsch ("Presse" Außenpolitik, "Presse am Sonntag"). Das Thema "Presse"-Führung beschäftigt – naturgemäß – den Aufsichtsrat der Styria am 13. Dezember.

14. Rainer Nowak

Der bisherige Herausgeber, Chefredakteur, Geschäftsführer und etwa unter dem Pseudonym "Hans Brenner" auch Gastrokritiker der "Presse" könnte fürs Erste auf seine kulinarisch-schreiberische Expertise setzen, womöglich mit einem eigenen Medienprojekt.

15. Walter Hämmerle

Die "Wiener Zeitung" soll nach den Regierungsplänen nur noch bis Mitte 2023 als Tageszeitung erscheinen. Der Vertrag von Chefredakteur Walter Hämmerle läuft vorerst nur bis Ende 2022, Geschäftsführer Martin Fleischhacker hat ihm angeboten, den Vertrag bis zum geplanten Ende der Tageszeitung Mitte 2023 zu verlängern. Hämmerle überlegte zuletzt noch, ob er es annimmt.

16. Die "Wienerin"

Mutterkonzern Styria sucht spätestens seit September 2022 Lösungen für seine Lifestyle-Magazine "Wienerin", "Diva" und das Portal "ichkoche.at" – zur Diskussion standen intern Verkauf oder notfalls auch Einstellung. Die Frage dürfte sich nun ins Jahr 2023 verlagern – die Styria hat mit Sparmaßnahmen bei der "Kleinen Zeitung" und Besetzungsfragen bei der "Presse" schon viele Hände voll zu tun.

Update: Eingestellt. Die Styria gab am 14. Dezember 2022 bekannt, dass sie "Wienerin" und "Diva" mit Jahresende einstellt.

17. Richard Schmitt (Exxpress)

Ein ganz eigenes Medienprojekt haben Richard Schmitt und Herausgeberin Eva Schütz 2021 mit exxpress.at in die Medienwelt gesetzt, mit Onlineplattform sowie Online- und TV-Kanal 2023 könnten sie ein Fenster in einem neuen Ausspielkanal öffnen.

18. Harald Maier (Servus TV)

Der Finanzchef von Servus TV sollte nach Berlin übersiedeln, vorige Woche noch war er da. Übersiedeln sollte er für die schon lange kolportierte Deutschland-Offensive des Red-Bull-Senders, der schon die TV-Rechte für die Fußballeuropameisterschaft 2024 in Deutschland erworben hat. Der Springer-Konzern soll ein Nachrichtenformat zuliefern und ein Magazin. Der deutsche Werbemarkt könnte helfen, den etwa bei Sportrechten zuletzt so investitionsfreudigen Sender wirtschaftlich selbstständiger zu machen.

19. Ferdinand Wegscheider (Servus TV)

Der Servus-Senderchef muss hoffentlich nicht bis 2023 auf eine Entscheidung der Medienbehörde Komm Austria warten, ob sein Wochenkommentar "Der Wegscheider" Rundfunkgesetze verletzt, wie eine vom Presseclub Concordia organisierte Beschwerde sagt.

20. Niki Fellner (Mediengruppe Österreich)

Wolfgang Fellners Sohn ist dem Generationswechsel mit der kolportierten Einigung über einen Schuldenschnitt mit kreditgebenden Banken einen Schritt näher gekommen. Und er ist seit wenigen Wochen Mehrheitseigentümer eines großen Teils der Mediengruppe Österreich. 37,5 Prozent an einer neuen Fellner Medien Holding hält seine Cousine Alexandra Fellner, Tochter von Helmuth Fellner, dem langjährigen kaufmännischen Kopf der Fellner-Medien. Wolfgang Fellner hat dann womöglich noch mehr Zeit für sein Hobby Fernsehen – als Moderator natürlich. Nach Sonntagsausgabe, Druckerei, Mitarbeitern und Büroflächen könnte auch das bundesweite Radio Austria zur Disposition stehen. Vor dem Start 2019 interessierte sich die deutsche Mediengruppe Bauer massiv für die bundesweite Senderkette.

20. + 21. Julia Becker (Funke-Gruppe), Christoph Dichand ("Krone")

Auf Julia Becker, die Verlegerin und Eigentümervertreterin der deutschen Funke-Gruppe, könnte eine kleine Überweisung der deutschen Mediengruppe an ihre "Krone"-Mitgesellschafter zukommen: Die Funke-Gruppe blockiert die Gewinnausschüttungen an die Familie Dichand schon seit 2018/19. Die Verträge garantieren den Dichands pro Jahr hohe einstellige Millionenbeträge. Ein weiteres Schiedsgericht entscheidet diese Streitfrage.

"Krone"-Herausgeber Christoph Dichand wirkte 2022 sehr bemüht um ein konstruktives Gesprächsklima mit Funke-Chefin Becker. Das wäre eine – zumindest atmosphärisch – neue Situation nach jahrzehntelangem Gesellschafterstreit bei Österreichs weitaus größter Tageszeitung. An den vertrackten Verträgen und Verhältnissen bei der "Krone" ändert das allerdings praktisch nichts. Und seit sich auch Signa-Boss René Benko 2019 an der Funke-Auslandsholding für "Krone" und "Kurier" beteiligte, wurde die Sache eher noch komplizierter. Dichand soll in Sachen "Krone" Zuversicht für eine Lösung in seinem Sinne zeigen.

22. Wilfried Stauder (Moser Holding)

Bis 2023 läuft der vom 1993 verstorbenen Gründer Josef Stephan Moser verfügte Treuhandvertrag. Bis dahin verwaltet der Innsbrucker Wirtschaftstreuhänder Wilfried Stauder die knapp 75 Prozent der Erbenfamilie Moser am Medienkonzern um die "Tiroler Tageszeitung" (der Rest gehört der Hausbank BTV). Das nährt Spekulationen über einen Verkauf – für den es bisher allerdings keine Anzeichen gibt. Über angebliche Interessenten wird dennoch munter spekuliert – etwa Eugen A. Russ (Russmedia, Vorarlberg) und René Benko (Signa). Die aktuellen Verträge der Moser-Holding-Vorstände Hermann Petz und Silvia Lieb laufen noch bis Ende 2024.

23. Margrethe Vestager und die EU-Kommission

Die EU-Kommissarin für Wettbewerb und Digitales sieht 2023 Werke wie den Digital Markets Act (DMA) und den Digital Services Act (DSA) in Kraft treten. Sie regulieren Onlineplattformen, da geht es etwa um diskriminierungsfreien Zugang für Anbieter, die Datennutzung und die Einwilligung der User dazu, Verbraucherschutz. Und sie werden nicht nur Google, Meta und Co beschäftigen, sondern wohl auch klassische Medienhäuser.

Die EU-Wettbewerbshüter werden Plattformen wie Google 2023 weiter intensiv beschäftigen. 2022 brachte etwa der europäische Medienverband EPC eine Wettbewerbsbeschwerde gegen Googles marktbeherrschende Position bei Onlinewerbung ein.

Die EU-Kommission muss auch noch die geplanten Subventionen des Bundes für die "Wiener Zeitung" als Onlinemedium und Journalismusausbildung von immerhin 16,5 Millionen Euro prüfen, ob sie den Beihilferegeln der EU entsprechen. Ebenso die für 2023 geplante neue Förderung für journalistische Qualität im Umfang von 20 Millionen Euro. (Harald Fidler, 12.12.2022)