Robert Kaspar, Assistant Professor für Sportmanagement an der Privatuniversität Schloss Seeburg, schreibt in seinem Gastkommentar über die Fehler, die in Katar gemacht wurden, und darüber, wie künftige Großereignisse angelegt sein sollten.

In einer der umstrittensten Entscheidungen im Weltsport wurde vor zwölf Jahren die Fußball-Weltmeisterschaft 2018 nicht an die Nationen England beziehungsweise Niederlande und Belgien vergeben, sondern an Russland. Am gleichen Tag wurde die WM 2022 nicht an das aufstrebende Fußballland Australien oder an eines der WM-Veranstalterländer von 2002, Südkorea oder Japan, sondern an das bis zu diesem Zeitpunkt im Fußball kaum bekannte Emirat Katar vergeben.

Nachhaltig ist anders: Sieben der acht Stadien wurden für die WM extra errichtet. So auch das Lusail Iconic Stadium.
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Katar hatte die für die Entwicklung und Errichtung von acht WM-Stadien ungewöhnlich lange Vorbereitungszeit von zwölf Jahren. In dieser Phase hätte die Fifa, aber auch Katar die Möglichkeit gehabt, nachhaltigere Lösungen als die Neuerrichtung mit Milliardeninvestitionen zu finden – vor allem wenn die Nachnutzung auch völlig ungeklärt ist. Die Fifa hätte auch von ihrer strikten Forderung nach einer Mindestkapazität der Stadien abgehen können und damit kleinere und günstigere Stadien ermöglichen können.

Das hat Fifa-Präsident Gianni Infantino nicht. Im Gegenteil: Er hatte sogar noch versucht, das Turnier bereits 2022 auf mehr teilnehmende Länder auszuweiten, was ihm erst mit der WM 2026 gelungen ist. Die Konsequenz daraus ist, dass zukünftige WM-Veranstalter für die 48 teilnehmenden Nationen 16 Stadien mit einer Mindestkapazität von 30.000 Besuchern zur Verfügung stellen müssen, was den Kreis der zukünftigen Bewerber weiter limitieren wird. So sind für 2030 nur mehr polyzentrische Bewerbungen wie aus Südamerika (Argentinien, Chile, Uruguay, Paraguay) beziehungsweise Saudi-Arabien gemeinsam mit Griechenland und Ägypten als erste trikontinentale Weltmeisterschaft im Gespräch.

Das Internationale Olympische Comité (IOC), das mit einem Mangel an Austragungsorten für die letzten Ausgaben der Olympischen Spiele 2024, 2026 und 2028 konfrontiert war (jeweils nur zwei Bewerbungsstädte), hat auf derartige Herausforderungen bereits reagiert. Es schreibt keine Mindestkapazitäten für Sportstätten vor und verlangt die Prüfung von Alternativen wie temporäre Sportstätten beziehungsweise Sportstätten außerhalb des Veranstaltungsortes, um eine sinnvolle ökonomische Nachnutzung aller Sportstätten zu gewährleisten.

Überraschend knapp

Die Fifa, die sich genau in die Gegenrichtung entwickelt – größere WM 2026 mit mehr Teilnehmern und vielleicht sogar 104 Spielen –, ist auf dem falschen Weg. Zur Fehlerbenennung gehört auch: Schon bei der Vergabe an Katar war klar, dass die Weltmeisterschaft in einem anderen Kulturkreis und nicht in einer Demokratie stattfinden wird. Die Fifa hat die vielen kontroversiellen Aspekte zum Thema freie Meinungsäußerung und Pressefreiheit lange vor sich hergeschoben, ehe diese – überraschend knapp vor der WM – gelöst oder eben nicht gelöst wurden.

Was sind also die Lehren? Künftig sollten die Wünsche der Sportlerinnen und Sportler beziehungsweise der teilnehmenden Teams für jeden Weltsportfachverband an erster Stelle aller Überlegungen sein. Bis knapp vor dem Turnier in Katar war nicht klar, was innerhalb des TV-Bereichs im Field of Play erlaubt ist. Die Teams waren nun nach dem Verbot der One-Love-Kapitänsschleife gefordert – oder besser überfordert. Die Fifa und alle Weltsportverbände sind in Zukunft gefordert, dies länger vor einem Megaevent möglichst präzise zu formulieren, was genau an Statements im jeweiligen landesspezifischen Kontext möglich ist.

Was Katar auch gezeigt hat: Es sollte globaler Konsensus sein, dass alle akkreditierten Journalistinnen und Journalisten bei jedem Sportevent über alle Aspekte des Events uneingeschränkt berichten dürfen. Ein relevanter Faktor der Unterstützung sind die Fans – nicht nur für die Teams, sondern auch für die TV-Rechteinhaber. Ein spannendes TV-Bild lebt von den Emotionen der Fans im Stadion. Hier ist ein weiteres Konfliktfeld bei der WM in Katar zu verorten. Fans, die eine politische Botschaft in das Stadion mitnehmen wollten, sei es auf T-Shirts, Kappen oder Flaggen, wurde der Zutritt in das Stadion verwehrt. Auch hier sollte eine Selbstverständlichkeit gelten: Es ist zu gewährleisten, dass sich alle Fans ohne Einschränkungen bewegen und ihre Meinung äußern können.

Schriftliche Garantie

Jeder Weltsportverband ist gefordert, Minimalkriterien zu definieren, die es von einem Gastgeberland voraussetzt (Reisefreiheit, Pressefreiheit, Menschenrechte, Arbeitsbedingungen). Erst wenn diese nachweislich erfüllt sind, sollte eine Bewerbung zugelassen werden. Natürlich soll es weiterhin für alle Länder legitim sein, sich für jede Sportveranstaltung zu bewerben, um Breiten- und Spitzensport im Land zu entwickeln. Die Weltsportverbände und die Bewerber sollten sich aber im Dialog am Beginn einer Bewerbung über eine Charta verständigen, dass diese Minimalkriterien erfüllt werden. Dies muss von den zuständigen Ministerien schriftlich garantiert werden, bevor eine Bewerbung akzeptiert werden kann.

Im Zentrum jeder Vergabe sollte weiters ökonomische, soziokulturelle und ökologische Nachhaltigkeit stehen. Jede Sportstätte, die von einem Veranstalter vorgeschlagen wird, sollte hinterfragt werden, wie und von welchem Personenkreis diese langfristig genutzt wird. Auch die errichtete Verkehrs- und Hotelinfrastruktur muss sich an den Entwicklungsplänen für die einheimische Bevölkerung und die Touristen und nicht an der Eventkapazität orientieren.

Kleiner und nachhaltiger

"Schneller, höher, stärker – gemeinsam" ist das Motto des IOC für die Olympischen Spiele. Für den Weltsport wäre in Zukunft dieses Motto zielführend: "Nachhaltiger, athletenorientierter und kleiner". Wäre dies das Motto für die Weltsportverbände, dann würden sich in Zukunft sicher wieder mehr Städte und Länder für die Austragung von Sportgroßveranstaltungen interessieren, und es wäre wahrscheinlich auch leichter, eine kritische Bevölkerung dafür zu gewinnen.

Aber zuallererst sollten die Weltsportfachverbände diese komplexen Fragen mit Athletinnen und Athleten beziehungsweise den Teams diskutieren, schließlich sind sie es, die immer im Zentrum des Sports stehen müssen. (Robert Kaspar, 17.12.2022)