Das Aztekenstadion in Mexiko-Stadt ist mit fast 88.000 Plätzen das größte der 16 Stadien für die WM 2026.

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Nach der Weltmeisterschaft ist vor der Weltmeisterschaft. Und Gianni Infantino wäre nicht Präsident des Weltverbands Fifa, würde er die Gigantomanie des Fußballgeschäfts nicht noch steigern wollen. Katar war groß, die WM 2026 in den USA, Mexiko und Kanada wird gigantisch. 48 statt wie bisher 32 Mannschaften nehmen teil. Dabei lässt sich Katar in puncto Spannung nur schwer toppen. Das Drama in der deutschen Gruppe, ein bangender Lionel Messi oder das späte Glück Südkoreas – nicht wenige Träume zerplatzten innerhalb weniger Minuten. Englands Fußball-Ikone Gary Lineker sprach von der "besten Gruppenphase der WM-Geschichte". Eine, die ganz offensichtlich auch den vorgesehenen Modus der WM 2026 ins Wanken bringt.

Geht es nach der Fifa, sollen aus 16 Dreiergruppen jeweils der Gruppenerste und der Gruppenzweite in ein Sechzehntelfinale einziehen. Dieser neue Modus ist höchst umstritten. Nicht nur, weil Teams nur mehr zwei statt drei garantierte Spiele haben, sondern vor allem, weil die Gefahr für Spielabsprachen groß ist. Ein Beispiel: Gehen die beiden ersten Spiele in einer Gruppe 0:0 aus, reicht den beiden Teams im letzten Spiel durch die mehr erzielten Tore gleichermaßen ein 1:1 zum Weiterkommen, während das dritte Team mit der Gesamtbilanz von 0:0-Toren zuschauen und ausscheiden muss.

Vor- und Nachteile

Die Fifa will sich erst im kommenden Jahr auf einen Modus festlegen, es soll aber bereits Gespräche über eine Beibehaltung der Vierergruppen geben. Dadurch würden die Erstplatzierten der dann vorgesehenen zwölf Gruppen sowie die acht besten Drittplatzierten in die K.-o.-Phase einziehen. Das brächte sage und schreibe 104 WM-Spiele, 40 mehr als bisher geplant, acht statt sieben Partien auf dem Weg zum WM-Titel – und noch mehr Belastung für ohnehin ausgelaugte Spieler. Der Modus mit Dreiergruppen hat auch Vorteile. So bläht sich der Spielplan nicht noch weiter auf, es wären insgesamt nur 16 Partien mehr im Turnier zu absolvieren. In der größeren Variante wäre die Ausweitung der WM um eine weitere Woche unausweichlich. Klubs und Spielergewerkschaften würde das nicht schmecken.

Fifa-Präsident Infantino brachte ein Elfmeterschießen bei einem Remis in der Vorrunde ins Gespräch. Mit Vergabe eines Extrapunktes für den Sieger. Oder eine sportliche Belohnung für den Gruppensieg, womit beispielsweise vermeintlich leichtere Gegner oder kürzere Reisewege in der folgenden K.-o-Runde warten könnten.

Und dann warf Arsene Wenger einen gewagten Vorschlag in die Runde. "Wir können auch zwei Vorrunden zu 24 Mannschaften organisieren", sagt der Ex-Arsenal-Trainer und mittlerweile Chef der Technischen Studiengruppe der Fifa. Damit würde es bei der WM 2026 praktisch zwei Turniere geben. Die beiden Sieger dieser Turniere, bei denen die Teams – wie derzeit bei den EM-Endrunden – auf sechs Vierergruppen aufgeteilt wären, würden dann im Finale aufeinandertreffen und den Weltmeister ermitteln.

Wohin die Reise des Fußballs in Zukunft geht, wird anhand der Verteilung der 16 neuen Startplätze klar. Aus Europa sind drei weitere Mannschaften dabei, Asien hat dann doppelt so viele Teilnehmer wie bisher, nämlich acht statt vier. Afrika erhält neun Startplätze (bisher fünf), Ozeanien musste zuletzt immer durch ein WM-Playoff, soll nun aber ein fixes Ticket erhalten. Das große Geld ist jedenfalls nicht mehr in Europa zu Hause.

80 Superbowls

Gigantisch wird auch der Reiseaufwand zwischen den Spielorten in den USA, Mexiko und Kanada. Vancouver und Mexiko-Stadt sind etwa 4000 Kilometer Luftlinie voneinander entfernt, mehrere Stadien liegen in unterschiedlichen Zeitzonen. Eine Einteilung in der Gruppenphase in drei verschiedene Regionen (Ost, Mitte, West) wäre denkbar. Ob das für Mannschaften und vor allem Fans dann auch in der K.-o.-Phase klimafreundlich machbar ist? Eigentlich denkunmöglich.

Was fix ist: Für die Fifa wird die nächste WM wieder ein Reibach. Katar hat durch Rechtevergaben und Sponsorenverträge Einnahmen von 7,11 Milliarden Euro beschert, um eine Milliarde mehr als noch 2018 in Russland. Die WM 2026 wird dank des starken US-Marktes alle Grenzen sprengen.

Bewerbungschef Carlos Cordeiro, mittlerweile in Diensten der Fifa, sieht einen möglichen Umsatz von mehr als 13 Milliarden Euro und einen Gewinn von mehr als zehn Milliarden am Horizont. Allein die Ticketverkäufe könnten alle Rekorde brechen. Sieben der 16 Stadien bieten mehr als 70.000 Zuschauern Platz. 5,8 Millionen Karten wollen die Gastgeber verkaufen. Der derzeitige Plan sieht noch 80 Spiele vor. Für Infantino sind das "80 Super Bowls, 80 unglaubliche Spiele, 80 Endspiele". (Florian Vetter, 21.12.2022)