NÖ Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner im Archivbild zum Wahlkampf.

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Neun Bundesländer blickten am Montagabend zur besten Sendezeit auf ORF 2 auf das vergangene Jahr 2022 zurück. Die täglichen Regionalprogramme "Bundesland heute" gelten seit jeher als beliebte Präsentationsfläche für Landespolitiker. Recherchen von STANDARD, "Spiegel" und "Presse" deckten zuletzt Eingriffe von Niederösterreichs ORF-Landesdirektor Robert Ziegler in die Berichterstattung, vor allem zugunsten der Landes-ÖVP, auf. DER STANDARD machte den Livecheck von Ost bis West:

Wien

Ganz ohne Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) kommt der Jahresrückblick von ORF Wien aus (wenn wir ihn nicht doch übersehen haben). Patrick Budgen und Leila Mahdavian wandern durch das sehr leere ORF-Funkhaus in der Argentinierstraße und beleuchten im Studiogespräch Long Covid mit einer Betroffenen, dann die Klima- und Energiekrise mit Klimaaktivistinnen und Hinweis auf die Untersuchungskommission zur Wien-Energie-Finanzkrise im August, als der Landesenergieversorger sich rasch einmal und vorübergehend 1,4 Milliarden Euro von der Stadt per Notverordnung des Bürgermeisters borgte.

Topthemen zudem die Ukraine-Hilfe und Kinderabschiebungen. Dazu ein weiteres Studiogespräch mit Tina, die 2021 nach Georgien abgeschoben wurde und 2022 wieder zurück nach Wien kehrte, und ihrer beste Freundin Julia im Studiogespräch. Kultur-Rückblick und dann noch die musikalischen Begleiter der Sendung Wenzel Beck und Birgit Denk, fertig ist das Wiener Jahr 2022.

Niederösterreich

6:20 Talk über die Energiekrise aus dem grün ausgeleuchteten Kernkraftwerk Zwentendorf war mit Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner nicht alles an Politwerbung. Schließlich gilt es eine spannende Landtagswahl zu schlagen, worüber auch dieser Jahresrückblick ausführlich zu berichten wusste.

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In weiteren Beiträgen blickte man auf Wohltaten von Land und Leuten zurück, jedenfalls ging es um positive Meldungen: Ukraine-Hilfe, ehrenamtliche Helfer im Einsatz, sportliche Höchstleistungen. Nahe am Menschen ist man beim Thema Inflation und Teuerung, und Chris Steger und Edmund singen dazu: "Leicht kennt mas ham."

Burgenland

Weniger um die positive Bewerbung des Landeshauptmannes denn um die Vorreiterrolle bei der Energieversorgung geht es bei Burgenland heute: Beim "Talk über Teuerung im Burgenland" findet es die Boku-Studentin und ehemalige Klimaaktivistin Julia Zink "super, dass mehr und mehr erneuerbare Energie ausgebaut wird".

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Moderator Martin Ganster leitet geschickt über: "Genau. Das tun wir, und verantwortlich oder zu einem großen Teil dafür verantwortlich ist Ihr Sitznachbar!" Stephan Sharma hat für die nächsten eineinhalb Minuten das Wort. Der Verantwortung ist man sich aber auch im ORF bewusst, zeigt Moderator Ganster: "Wir wissen, es wird nicht genügen, wenn das kleine Burgenland etwas macht, da müssen alle anderen in Wahrheit rund um den Erdball auch mitmachen."

Knappe Politikerpräsenz gibt es in Beiträgen über Schlepperwesen, Ukraine-Hilfe, den trockenen Neusiedler See, Landtagswahlen. Zu Wort kommen so insgesamt Vertreterinnen und Vertreter aller Parlamentsparteien, immer wieder blitzt Hans Peter Doskozil (SPÖ) auf. Längere O-Töne gibt es nicht. Rot und schwarz eine Gesprächsrunde mit Bürgermeisterinnen, Margit Wennesz-Ehrlich (Oslip, ÖVP) und Claudia Schlager (Mattersburg, SPÖ) über das politische Jahr*.

Salzburg

Von einer "Achterbahn der Gefühle" sprechen die Moderatoren Conny Deutsch und Andreas Landrock beim Jahresrückblick des Salzburger ORF-Landesstudios. Es geht naturgemäß in Salzburg viel um das Thema Tourismus während und nach Corona, um Preise für Skikarten und Teuerung. Dazu zog Ex-Politiker und Gastronom Sepp Schellhorn in der Sendung Bilanz, er freut sich über Normalbetrieb, macht sich aber auch Sorgen um Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und den Fachkräftemangel.

ÖVP-Landeshauptmann Wilfried Haslauer kommt nur einmal kurz ins Bild und zu Wort, eingeblendet wurde nur ein Statement von ihm zu "Strompreis deckeln", "das Ziel muss es sein, das Leben leistbar zu halten".

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Krieg in der Ukraine, Demos, Streiks, Großbrände in der Stadt Salzburg dominierten die Sendung. Zumindest aber sei nach den schweren Unwettern im Frühjahr im Pinzgau und im Lungau der Zusammenhalt innerhalb der Bevölkerung groß gewesen, erzählen etwa der Bürgermeister des Ortes Hollersbach und ein von den schweren Unwettern Betroffener.

Später gibt’s es dann doch ein wenig Zuversicht mit feiernden Jugendlichen nach dem Aus für die Maskenpflicht, einer Festspielpräsidentin, die über 96 Prozent Auslastung berichten durfte, oder Rolando Villazón, der seine Mozartwoche bewerben durfte und zu Kunst und Aktionismus befragt wurde. In einem eigenen Meldungsblock wurden dann die sportlichen Leistungen von Salzburgerinnen und Salzburgern gewürdigt, bevor eine Psychologin etwas sehr allgemeine Tipps für 2023 gab (" Zuversicht und den Glauben an uns selbst"), bevor die Sendung mit persönlichen Statements von Salzburgerinnen und Salzburgern zu Ende ging. Für einen dieser Befragten war "2022 ein tolles Jahr, vor allem war es ein sehr warmes Jahr, was mir persönlich entgegenkommt, weil ich den Sommer lieber habe als den Winter".

Oberösterreich

Ein bisschen gar altbacken startet der Jahresrückblick aus Oberösterreich. "Was weißt du schon vom Alter, das kennst du doch nur vom Hörensagen", sagt Moderator Gernot Ecker zu Kollegin Jutta Mocuba. Die Sendung kommt aus der Tabakfabrik in Linz, deren Chef gleich erzählen darf, was es dort so alles an Innovativem gibt. Sängerin und Oberösterreicherin Ina Regen zieht zu Beginn Bilanz, sie persönlich hatte ein sehr schönes Jahr 2022, auch weil Auftritte wieder möglich waren. Danach geht es um die "Menschen des Jahres 2022" (Anton Zeitlinger, Kabarettist Josef Hader oder einen Buben, der ein Mädchen vor dem Ertrinken rettete).

Thema waren freilich auch die Corona-Demos in Linz, die Halloween-Randalierer oder der Tod der Ärztin Lisa-Maria Kellermayr. Ins Studio eingeladen waren eine Ukrainerin mit ihrer Tochter und zum Thema Teuerung und Energiekrise Wifo-Chef Gabriel Felbermayr und Michaela Haunold von der Caritas. ÖVP-Landeshauptmann Thomas Stelzer kam in einer Einspielung im Meldungsblock zu Krisen und Politik kurz vor, "es wird im Jahr 2023 leider nicht ohne Schulden gehen, weil wir wollen ja Investitionen vorantreiben", sagt er in diesem Ausschnitt.

Oberösterreichs Landeshauptmann Thomas Stelzer in Wort und Bild im Rückblick aus dem Landesstudio Oberösterreich.
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Eine Wortspende kommt auch von Wohnbaulandesrat und FPÖ-Politiker Manfred Haimbuchner, zuvor war auch Grünen-Politiker Stefan Kaineder im Bild. Berichtet wird auch über die Ablöse der oberösterreichischen SPÖ-Chefin Birgit Gerstorfer durch Michael Lindner oder auch die Interventionsvorwürfe gegen den Innviertler und ÖVP-Klubchef August Wöginger. Auch die Vorwürfe gegen den Seniorenbund wegen Corona-Hilfen kommen vor.

Aber freilich fehlen auch beim Jahresrückblick aus Oberösterreich die "schönsten Momente 2022" nicht (Marathon, sportliche Höchstleistungen, Konzerte von Bilderbuch oder Wolfgang Ambros oder auch ein Fest in eigener Sache: 50 Jahre Landesstudio Oberösterreich). Im Studio erzählt dann noch Karikaturist und Bad Ischler Michael Pammesberger, was ihm Stoff liefert, Viktor Gernot ("Ich liebe Oberösterreich") wünscht sich für 2023 den Weltfrieden.

Tirol

Der Tiroler Rückblick auf 2022 beginnt grimmig. Darüber können auch der idyllische Einstieg am Christkindlmarkt in Innsbruck und die kämpferische Ansage "Aber auch dieses Jahr hat uns nicht in die Knie gezwungen" nicht hinwegtäuschen: Femizide, Lawinentote, Unfälle, Corona, der Krieg in der Ukraine, Anti-Maßnahmen-Demos mit FPÖ-Chef Kickl, die Liste fällt lang aus.

Der Tiroler Franz Fischler im Interview.
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Freude und entsprechende Musik stellen sich erst langsam ein, beim Rekord auf den Standesämtern, Erfolgen in Sport und Wirtschaft. Bei der Ansiedlung eines Pharmakonzerns taucht ohne eigene Erwähnung und nur ganz kurz am Rande Altlandeshauptmann Günther Platter (ÖVP) mit der obligatorischen Schere im Bild auf. Beim Politrückblick, einem weiteren Stimmungsdämpfer etwa zur Sendungshalbzeit, heißt es dann: "Platter geht, Mattle kommt" und: "Wer hätte das zu Beginn des Jahres gedacht?" Aber auch hier kommt Platter nur mit zwei kurzen Sagern vor: "Es ist einmal genug" und "Schafe sind auch Tiere". Dem Neuen gibt man nur eine nüchterne Einschätzung im Off-Kommentar mit auf den Weg: "Ein hartes Jahr geht zu Ende. Weitere harte Jahre werden folgen, und sie werden weisen, ob Anton Mattle auch der richtige Landeshauptmann am richtigen Platz ist."

Statt neuen oder alten Landesschefs gehört das zentrale Interview einem überzeugten Europäer: Franz Fischler, einst Bundesminister und EU-Kommissar, sieht die Tiroler Politik "aufgerüttelt", er fordert mehr Bürgerbeteiligung und Transparenz. Auch bei der Integration von Immigranten, von denen es sehr viel zu profitieren gebe, müsse noch einiges in Tirol getan werden. Danach geht es wie auf einer Hochschaubahn weiter mit einem Kultur- und schlussendlich einem Wetterrückblick, der zwischen Niederschlagsarmut und extremen Gewittern wenig Gutes verheißt. "Jedenfalls nicht unterkriegen lassen!", lautet die Ansage, die von den bemüht optimistischen Schlussworten hängenbleibt.

Vorarlberg

Nach einem von Inflation und Energiekrise geprägten Wirtschaftsjahr samt Experteninterview mit einem Wirtschaftsforscher wendet sich der Vorarlberger Jahresrückblick einem "außergewöhnlichen" Politikjahr zu. "Zentral war unter anderem die Auszeit des Landeshauptmanns", heißt es über Markus Wallner (ÖVP), dessen leerer Sessel ins Bild gerückt wird. Dabei hätte das Jahr mit einer "ehrenvollen Aufgabe", dem Vorsitz in der Landeshauptleutekonferenz, begonnen. Archivbilder zeigen Tirols Noch-Landeshauptmann Günther Platt und Wallner bei der Staffelübergabe im Bild. Doch dann bricht die Inseratenaffäre über die ÖVP herein, werden die Ereignisse noch einmal aufgerollt.

Es folgen Verdächtigungen, die Wallner als "haltlos" qualifiziert, Rücktrittsforderungen, ein Krankenstand, wochenlange Spekulationen und schließlich die Rückkehr ins Amt. Daneben protokolliert werden mit Johannes Rauch als Gesundheits- und Sozialminister ein weiterer Vorarlberger Zugang in der Bundesregierung, Van der Bellens Wiederwahl, Rochaden bei den Grünen und Neos und eine SPÖ auf der Suche.

Ein Thema im Vorarlberger Rückblick: die Auszeit von Landeshauptmann Markus Wallner.
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Selbst zu Wort kommt Wallner nicht. Stattdessen gibt es ein Gespräch mit Politologin Kathrin Stainer-Hämmerle, die die ÖVP "sehr hart" getroffen sieht: "Das ist eine vollkommen neue Welt für eine Partei, die das Land seit 1945 regiert." Zwar werde die Opposition Wallner die Auszeit als Zeichen der Schwäche auslegen, aber der Landeshauptmann "unternimmt jetzt alles, um dem entgegenzutreten", so die Analyse. Bis zur Wahl seien es noch zwei Jahre: "Da geht noch viel Wasser den Rhein hinunter."

Im Society-Rückblick findet das 50-Jahr-Jubiläum des ORF-Landesstudios Vorarlberg mit Intendant Markus Klement übrigens ebenso Platz wie Kabarettist und Präsidentschaftskandidat Marco Pogo.

Kärnten

Ein Potpourri an Geschichten servierte das Kärntner Landesstudio, um das Jahr Revue passieren zu lassen. Die gute Laune stand nicht unbedingt im Vordergrund, ging es doch gleich um die verheerenden Unwetter, die das Gegendtal heimsuchten, den Ukraine-Krieg oder den Zank um den Klagenfurter Flughafen, dessen Zukunft mehr als ungewiss ist.

Wie es im Streit um den ramponierten Flughafen weitergehen soll, darüber diskutierten Peter Kaiser, Kärntner Landeshauptmann (SPÖ), und Martin Gruber, Landesrat der ÖVP. Zu gewinnen gab es in dem Interview für beide Politiker nicht viel. Die Landespolitik sei am Flughafen mehr Passagier als Kapitän, resümierte Bernhard Bieche, Chefredakteur im ORF-Landesstudio Kärnten, mit einer Prise Politikerkritik. Und sonst? Es wurden noch die Erfolge der Kärntner Sportlerinnen und Sportler gewürdigt und die Kulturszene gefeiert. So weit, so harmlos.

Steiermark

Politischer als in Kärnten verläuft das Jahr 2022 offensichtlich in der Steiermark. Zumindest wenn man sich die Themen des Jahresrückblicks vor Augen führt, der neben chronikalen, sportlichen und künstlerischen Beiträgen eine schwarze Schlagseite hatte. Das hat nicht zuletzt mit dem Landeshauptmannwechsel von Hermann Schützenhöfer zu Christoph Drexler zu tun. Andere Politikerinnen und Politiker kamen erst gar nicht vor. Schützenhöfer war immerhin 20 Jahre in der Landesregierung tätig, er amtierte sieben Jahre als Landeshauptmann.

Sein Nachfolger, Christoph Drexler, wurde im Interview mit Fragen wie "Wie sehr hat sich das Leben verändert?" oder "Gibt es auch Momente, wo man sich denkt, warum habe ich mir das angetan?" gestreichelt. Der Interviewte antwortete mit "Diese Tage gibt es eigentlich nicht" und anderen Weisheiten aus dem Einmaleins des Politsprechs. So weit, so wenig überraschend. Dass die Zeiten herausfordernd sind, davon können viele ein Lied singen, auch Drexler tat es. Mit Zusammenarbeit auf regionaler Ebene wolle er der politischen Unkultur, die im Bund herrsche, etwas entgegensetzen. Kritische Fragen? Fehlanzeige!

Christoph Drexler.
Foto: Screenshot/ORF-TVThek

Da passte auch der Beitrag über Hermann Schützenhöfer ins Bild, der einen Kochkurs bei Willi Haider absolvierte. Serviert wurde Tafelspitz, und der Ex-Politiker und Kochlehrling verriet mit Verweis auf seine etwas mehr gewölbten Gesichtsbacken, dass er seit seinem Ausscheiden aus der Politik jetzt mehr isst und öfter ein "Schluckerl" trinkt. Prost und Mahlzeit! Bei so viel Gesülze kommt einem das Essen fast gleich wieder hoch.

Hermann Schützenhöfer.
Foto: Screenshot/ORF-TVThek

(Astrid Ebenführer, Harald Fidler, Karl Gedlicka, Oliver Mark, Doris Priesching, 20.12.2022)