Gerti Senger (80) ist Psychologin, Autorin und Kolumnistin.
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Kaum konnte sie Buchstaben an einanderreihen, war Gerti Senger Gast in den städtischen Büchereien Wiens, so häufig, dass man sie beizeiten wegschickte: "Jetzt hast dir doch grad erst was ausborgt, das kannst ja nicht alles schon g’lesn ham!" Hatte sie aber. Über Weihnachtsgeschenke, die keine Bücher waren, freut sie sich gar nicht, über Pippi Langstrumpf aber auch nicht, die hat sie nie beeindruckt. Ihr Held war der Wiener Kinderbuchautor Karl Bruckner: "Ab dem Moment, wo der mal in meiner Schule einen Vortrag hielt, lag ich ihm zu Füßen."

Ihre Lesekarriere beförderte der Maler Heinz Jonak, ihre allererste Liebe, mit dem sie 16-jährig schon verlobt war. "Der hat mich mit den allerbesten Literaturtipps versorgt, die Bücher hab ich heute noch." Die Liebe freilich ging. Danach hatte sie "eine Phase so mit 18, in der ich die Lyrik entdeckte und glaubte, ohne Rilke darf kein Tag vergehen". Mit einer Freundin hat sie "trotz schlechtester Englischkenntnisse sogar Ezra Pound übersetzt". Das brachte ihr nicht den Durchbruch, der kam später.

Liebwies bekam sie von ihren Lesefreunden geschenkt, dem Professor Rappersberger und dessen Frau, mit denen sie sich über Bücher austauscht. "Liebwies klingt zunächst schrecklich. Aber es ist ein hinreißend aktuelles Buch, wo man schaut, dass sich das Lesen möglichst in die Länge zieht. So wie die letzten Bonbons, die darf man auch nicht verschlingen!" Worum geht’s? "Ein Lehrer ist arbeitslos und kommt in ein vergammeltes Nest, hört dort eine bezaubernde Stimme von einer Schiarchen aus der Kirche, möchte das unentdeckte Talent berühmt machen. Das Talent hat eine Schwester, die atemberaubend schön ist, aber nix kann. Der Lehrer erliegt natürlich der Schönheit, ebenso wie der Kunstförderer, bei dem die schiarche Talentierte hätte landen sollen. Eine köstliche Verwechslungs- und Korruptionsgeschichte über ein Phänomen, das wir hier zur Genüge kennen: Man muss nichts können, um was zu werden!" Und ja, sie meint durchaus gewisse "schöne" heimische Politiker, die auch nichts konnten, aber trotzdem was wurden. (Manfred Rebhandl, 7.1.2023)