Burgtheater-Direktor Martin Kušej meldet sich etwa drei Wochen nach Bekanntwerden zum Fall Teichtmeister zu Wort.

Foto: APA / ROLAND SCHLAGER

Wien – Am Montag äußerte sich Burgtheater-Direktor Martin Kušej im Ö1-"Mittagsjournal" zum Fall Florian Teichtmeister. Am Mittwoch wird sich der ehemalige Burgschauspieler vor Gericht wegen des Besitzes zehntausender Darstellungen von Kindesmissbrauch verantworten müssen. Der vor etwa drei Wochen bekannt gewordene Skandal sorgte für eine Erschütterung in der heimischen Kulturszene. Vor allem bei einer Frage gehen die juristischen Meinungen stark auseinander: Hätte Kušej als damaliger Arbeitgeber – dem die kursierenden Gerüchte bekannt waren – Teichtmeister nicht suspendieren oder frühzeitig entlassen können?

Im Ö1-Gespräch sagt der Direktor, dass er sich hinsichtlich dieser Fragestellung keine Vorwürfe mache. Er vertraute darauf, dass die Einschätzungen des zuständigen Anwalts Bernhard Hainz stimmten. Dieser ordnete eine etwaige Freistellung bzw. Entlassung Teichtmeisters als Verstoß gegen das Theaterarbeitsgesetz ein. Dementsprechend habe man sich verhalten, so Kušej. Es sei für alle am Burgtheater eine "wahnsinnig schwierige Zeit", auch er habe viele schlaflose Nächte hinter sich. "Gedanken mache ich mir darüber, warum ich diesem Menschen vertraut, warum ich ihm geglaubt habe", so Kušej.

"Es galt die Unschuldsvermutung"

Trotz der kursierenden Vorwürfe hatte Kušej Teichtmeister noch im Herbst 2022 in einer der beiden Hauptrollen seiner eigenen Inszenierung "Nebenan" besetzt. Diese Entscheidung rechtfertigt er damit, dass viel Zeit nach ersten Beschuldigungen und Gesprächen mit dem Schauspieler vergangen sei. "Es galt die Unschuldsvermutung", so Kušej. Man hätte keinerlei Informationen seitens der Behörden erhalten, auch hätte es keine weiteren Medienberichte mehr gegeben. Das Burgtheater habe sich immer wieder bei Teichtmeister nach dem Stand der Anzeige erkundigt. Dieser habe glaubhaft versichert, dass alles in Ordnung sei. "Insofern war die Causa für uns im Laufe der Zeit immer mehr abgeschwächt."

Den Schauspieler aus Rollen zu streichen hätte zu Rückschlüssen geführt, und das wäre arbeitsrechtlich nicht gegangen – Teichtmeister wäre sofort vorverurteilt worden, sagt Kušej auf Ö1. "Jetzt weiß ich es besser, das muss ich dazu sagen. Ich hätte mich sicher in einigen Fällen anders verhalten." Die inhaltlichen Parallelen zu der von Teichtmeister verkörperten gleichnamigen Rolle in "Nebenan" sieht Kušej nicht. Das Stück habe "überhaupt nichts mit Missbrauch oder Jugendlichen zu tun", betont er.

Kostüme von Teichtmeister entsorgt

Nach der fristlosen Entlassung Teichtmeisters wurde "Nebenan" aus dem Programm genommen und Theaterstücke wie "Bunbury" oder "Der Sturm", in denen Teichtmeister mitgespielt hatte, umbesetzt. Die Figur des Calibans in "Der Sturm" wurde für die aktuelle Inszenierung neu definiert. "Wir haben alle Kostüme des Florian Teichtmeister weggeschmissen", so Kušej. Weiters bestätigte er, dass das Burgtheater Teichtmeister auf Schadenersatz klagen werde. "Wir sind als Geschäftsführer geradezu gezwungen, den entstandenen finanziellen Schaden einzuklagen."

Aus der Causa seien viele Lehren zu ziehen, wobei die Vorfälle nicht nur das Burgtheater beträfen, sondern die ganze Gesellschaft, meint Kušej. "Das Burgtheater ist nicht der Tatort", betont er. "Es ist schade, dass eine einzelne verbrecherische Person die Arbeit von über 500 Menschen diskreditiert." Man sei auch mit dem Kriseninterventionszentrum in Kontakt, da viele Personen am Haus sehr betroffen seien. Kušej zeigt sich zuversichtlich, dass man aus dem "hochkomplexen Problem" gemeinsam wieder herausfinde.

Sein eigenes Befinden stehe aktuell nicht im Vordergrund, so Kušej. Er sei noch bis Sommer 2024 Direktor am Wiener Burgtheater und in dieser Funktion für viele Menschen verantwortlich. Seine Aussagen zum Fall Teichtmeister bekräftigte Kušej am Montagabend im Interview im ORF-"Kulturmontag" noch einmal. (red, 6.2.2023)