In fast jedem ÖVP-geführten Ressort gibt es Ärger über Postenvergaben – und auch Klubobmann August Wöginger (vorne, Mitte) hat Troubles wegen einer "Empfehlung".

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Es ist ein Thema, das in fast allen ÖVP-geführten Ressorts aufpoppt – und teils auch strafrechtliche Ermittlungen ausgelöst hat: Parteinahe Personen sollen gegenüber besser qualifizierten Beamten bei Postenvergaben bevorzugt worden sein, zum Nachteil der Republik. Darauf legte auch der ÖVP-U-Ausschuss einen großen Fokus. So individuell die Fälle an sich sind, so deutlich werden einzelne Muster.

Prinzipiell laufen Bestellungen in den meisten Ministerien so ab: Die Position wird (zumindest intern) ausgeschrieben, danach wird eine Begutachtungskommission gebildet. Die besteht aus hochrangigen Ministeriumsmitarbeitern und aus Personalvertretern. Beratend sind auch Gleichbehandlungsbeauftragte tätig.

Die Kommission prüft die Bewerbungen, führt gegebenenfalls Hearings durch. Danach werden die Kandidatinnen und Kandidaten gereiht, diese Liste kommt zur Ministerin oder zum Minister. Der oder die wählt aus dem Pool der Bestgeeigneten seinen bzw. ihren Favoriten aus, nicht immer ist das der oder die Bestgereihte – auch grüne Minister haben da schon "umgedreht", wie man in der Beamtenschaft sagt. Je nach zu vergebendem Posten gelangt der Vorschlag des Ministers, der Ministerin dann noch in den Ministerrat und zum Bundespräsidenten, der die offizielle Ernennung vornimmt.

Wer Einfluss auf eine Postenvergabe nehmen will, kann also an vielen Schrauben drehen – das legen auch Verdachtsmomente in einigen aufsehenerregenden Fällen nahe.

Die Ausschreibung

Schon bei der Frage, welche Qualifikationen nötig sind, kann der Grundstein für das erfolgreiche Abschneiden des eigenen Favoriten gelegt werden. Berühmt-berüchtigt sind da Chats, in denen der damalige Generalsekretär im Finanzministerium Thomas Schmid, seine Assistentin und der spätere Cofag-Chef Bernhard Perner über die Ausschreibungen für den Öbag-Chefposten diskutieren. "Internationalität eher streichen", riet Perner damals Schmid, der als Generalsekretär an der Entstehung der späteren Öbag mitwirkte.

Im Bundesheer wird nun hingegen der Posten des Kommandanten für den Truppenübungsplatz Allentsteig neu ausgeschrieben; zuvor hatte Bundespräsident Alexander Van der Bellen den Wunschkandidaten von Verteidigungsministerin Klaudia Tanner (ÖVP) mehrfach abgelehnt. Nun besteht Sorge, dass die neue Ausschreibung auf den Mann zugeschnitten wird – ihm sollen Qualifikationen gefehlt haben, die beim ursprünglichen Ausschreibungstext zwingend notwendig gewesen seien.

Die Mitbewerber

Eine beliebte Methode, um Aufregung bei Postenvergaben zu vermeiden, ist es, andere Kandidatinnen und Kandidaten subtil und diskret von einer Bewerbung abzuhalten. Dieses Muster sei vor allem im Innenministerium perfektioniert worden, sagte einst eine Polizeibeamtin im BVT-U-Ausschuss. Auch im Finanzministerium gab es immer wieder Hinweise auf eine solche Methodik. Sie ist so einfach wie effektiv: Wenn es keine anderen Bewerber gibt, ist der Wunschkandidat automatisch bestgereiht und alternativlos.

Die Begutachtungskommission

Der größte Hebel für die Beeinflussung von Postenvergaben ist naturgemäß die Begutachtungskommission. Chats aus dem Smartphone von Thomas Schmid zeigen, wie in mehreren Fällen Einflussnahme bis hin zu Druck auf Kommissionsmitglieder ausgeübt wurde. Schmid wandte sich auch an Mitglieder der Begutachtungskommission, die sich mit dem Posten eines Finanzamtchefs in Oberösterreich beschäftigt hatte – und zwar auf Bitte von ÖVP-Klubchef August Wöginger. Der hatte zuvor bei Schmid um Unterstützung für einen ÖVP-Bürgermeister geworben. Laut Bundesverwaltungsgericht, das sich später mit der Sache befasst hat, war jener Bürgermeister, der bestgereiht wurde, deutlich schlechter qualifiziert als eine unterlegene Kandidatin. Nun wird auch gegen Wöginger ermittelt, es gilt die Unschuldsvermutung.

"Wenn jemand zu meinem Sprechtag kommt und mir sagt: 'Ich habe mich beworben, kannst du mir das weiterleiten?', dann mache ich das. Der Bürgermeister ist ein guter Mann, er war aus meiner Sicht geeignet und qualifiziert", sagte Wöginger dazu dem STANDARD.

Im Justizministerium legendär ist ein Hearing, in dessen Begutachtungskommission der damalige Minister Wolfgang Brandstetter einen Chauffeur geschickt haben soll. Das Bundesverwaltungsgericht sprach später von einem "tribunalartigen Hearing" gegen den Bewerber, auch da wird nun ermittelt. Brandstetter bestreitet diese Vorwürfe.

Mit den Folgen leben

Wenn die Bestellung des eigenen Favoriten oder der eigenen Favoritin nicht reibungslos klappt, muss man als Minister dennoch nicht verzweifeln. Beim erwähnten Posten des Kommandanten in Allentsteig wurde der von Verteidigungsministerin Tanner bevorzugte Kandidat, der auf lokaler Ebene für die ÖVP engagiert ist, zweimal vom Bundespräsidenten abgelehnt; Chef in Allentsteig ist er trotzdem – und zwar "vorläufig mit der Leitung betraut".

Regelmäßig werden von Ministerien auch Schadensersatzzahlungen in Kauf genommen. Unterlegene Bewerberinnen und Bewerber können sich nämlich an die Bundesgleichbehandlungskommission im Bundeskanzleramt wenden. Die prüft dann, ob es aufgrund von Geschlecht oder etwa Weltanschauung zu einer Diskriminierung kam. Dort können beide Seiten ihre Argumente vortragen, dann wird ein Gutachten erstellt. Fällt ein solches im Sinne der benachteiligten Personen aus, können die den Rechtsweg beschreiten.

Das war schon öfter der Fall, etwa bei der Leitung der Flugpolizei, wo der spätere Kabinettschef von Minister Gerhard Karner, Christian Stella, einer anderen Bewerberin gegenüber bevorzugt worden sein soll. Auch beim Verfassungsschutz (BVT) gab es solche Fälle.

Zurzeit sorgt ein Gutachten der Gleichbehandlungskommission rund um den Botschafter in den Vereinigten Arabischen Emiraten, den einstigen Kurz-Sprecher Etienne Berchtold, für Aufsehen. Ein anderer Kandidat soll für den Posten besser qualifiziert gewesen, aber weltanschaulich (also parteipolitisch) diskriminiert worden sein. Ausgewählt hatte Berchtold übrigens eine Begutachtungskommission, der eine ehemalige Kollegin im Kabinett von Sebastian Kurz vorsaß. (Fabian Schmid, 8.2.2023)