Wiens Bürgermeister Michael Ludwig ist der einzige führende Oppositionspolitiker, der Donnerstagabend beim Opernball erwartet wird.

Foto: Heribert Corn

Im Wiener Bürgermeisterbüro fällt die Erklärung trocken aus: "Alexander Wrabetz ist Aufsichtsratspräsident der Wiener Symphoniker, und in dieser Funktion wurde er als Gast eingeladen", sagt ein Sprecher Michael Ludwigs (SPÖ). Wrabetz war viele Jahre lang ORF-Generaldirektor, aktuell fungiert er als Präsident des Fußballklubs Rapid, er ist bekennender Sozialdemokrat – und neuerdings wird er an der Gerüchtebörse als potenzieller Anwärter für die SPÖ-Spitze gehandelt.

Vor zwei Tagen gab Ludwig nun bekannt, dass er dieses Jahr Alexander Wrabetz als seinen persönlichen Gast zum Opernball mitnehmen werde. Das hat die Spekulationen – auch innerhalb der SPÖ – noch einmal angeheizt. Denn seit der Wahl in Niederösterreich, bei der die SPÖ trotz eigentlich guter Ausgangslage Stimmeinbußen hinnehmen musste, köchelt in der Betriebsküche der Partei eine Führungsdebatte. Viele Sozialdemokraten rechnen damit, dass spätestens nach den anstehenden Landtagswahlen in Kärnten und Salzburg ein Machtkampf zwischen SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner und Burgenlands rotem Landeshauptmann Hans Peter Doskozil ausbrechen wird.

Die Wiener Landespartei und der mächtige Sozialdemokrat Ludwig gelten als die große Stütze Rendi-Wagners. Was bedeutet es nun also, dass Ludwig ausgerechnet jenen Mann zum Wiener Traditionsball lädt, der gerade als möglicher Nachfolger der SPÖ-Chefin im Gerede ist?

Einladung als "Provokation"

Es gibt zwei Auslegungsarten. Die erste lautet: Es handelt sich um ein bewusstes Signal. "Man kann diese Einladung nur als Provokation verstehen", sagt ein roter Funktionär, der dem Lager rund um Doskozil zugerechnet wird. "Und die richtet sich eigentlich nicht nur gegen Hans Peter Doskozil, sondern auch gegen Pamela Rendi-Wagner." Das Verhältnis zwischen Doskozil und Ludwig gilt als schlecht, jenes zwischen Doskozil und Rendi-Wagner als gänzlich zerrüttet.

Der Burgenländer attackiert und kritisiert die rote Chefsozialdemokratin seit langem. In einer Umfrage ließ Doskozils Landespartei kürzlich erheben, mit wem an der roten Spitze die SPÖ bei einer Nationalratswahl besser abschneiden würde. Das Ergebnis der Umfrage, die natürlich ihren Weg in die Medien fand: mit Doskozil.

Einige parteiinterne Sympathisanten von Doskozil sind auch überzeugt, dass die Gerüchte rund um Wrabetz direkt aus der Wiener Landespartei gestreut wurden. Von ihnen wird das als erster Hinweis interpretiert, dass Ludwig nicht mehr lange an Rendi-Wagner festhalten will – oder dass er zumindest für den Fall, dass sie sich nicht halten lässt, vorsorgt und schon einmal einen alternativen Kandidaten zu Doskozil ins Spiel bringt.

Symbol für Stärkung des ORF

Die zweite Erklärung ist deutlich banaler: Ludwig war auf der Suche nach einem Gast für den Ball. Wrabetz schätzt er, als Aufsichtsratspräsident der Symphoniker eignet er sich – und noch dazu wird derzeit eine hitzige Debatte über die Finanzierung des ORF geführt. "Der Bürgermeister tritt für den Fortbestand des ORF als starkes öffentlich-rechtliches Medium ein", sagt ein Sprecher Ludwigs zum STANDARD. So könne Wrabetz als Gast auch in diese Richtung als Zeichen verstanden werden. Im Bürgermeisterbüro wird auch betont: "An Personalspekulationen innerhalb der Partei beteiligen wir uns nicht." Pamela Rendi-Wagner sei die gewählte Parteichefin.

Wrabetz selbst ließ im Gespräch mit dem STANDARD kürzlich keine große Ambition auf den SPÖ-Vorsitz erkennen: Ein neuer Job als Parteichef sei derzeit wirklich "kein Thema", richtete er aus. Er sei als Rapid-Präsident vollkommen ausgelastet und halte Rendi-Wagner auch für die richtige Parteivorsitzende und Spitzenkandidatin.

Michael Ludwig ist übrigens der einzige führende Oppositionspolitiker, der Donnerstagabend beim Opernball erwartet wird. Dass Wrabetz als Gast des Bürgermeisters mitkommt, sei erst "vor einigen Tagen" entschieden worden, heißt es. (Katharina Mittelstaedt, 16.2.2023)