Klimaministerin Leonore Gewessler, Klimarat-Vereinsmitglied Edith Siebenstich, Climate-Lab-Geschäftsführer Gebhard Ottacher, MARTR-Co-Founderin Verena Judmayer und Wienerberger-CEO Heimo Scheuch (von links nach rechts) eröffnen das Climate Lab.

Foto: Lea Fabienne ©Climate Lab

Jedes Jahr verbraucht die Weltbevölkerung mehr Ressourcen, als die Erde erneuern kann. Dazu berechnet ein Wissenschaftsteam des Global-Footprint-Netzwerks jährlich einen Tag, an dem aufgebraucht ist, was der Planet im selben Jahr regenerieren kann. Danach läuft der Konsum quasi auf ein ökologisches Schuldenkonto. 2022 fiel der Tag auf den 28. Juli.

Weil die Übernutzung zu den Haupttreibern der Erderhitzung zählt, beschäftigte sich auch der österreichische Klimarat mit dem Problem – jene Versammlung von Bürgerinnen und Bürgern, die der Regierung vergangenen Sommer eine Liste mit 93 Forderungen überreichte. Darunter: ein Zentrum für die Kreislaufwirtschaft. Es müsse einen Ort geben, der ein ressourcenschonenderes Wirtschaften fördert, so der Klimarat. Ein solches Zentrum wurde am Donnerstag im Wien-Energie-Servicecenter bei Spittelau eröffnet.

Zur Auftaktveranstaltung des Climate Lab brachte Klimaministerin Leonore Gewessler (Grüne) die frisch gedruckte Ausgabe der Kreislaufwirtschaftsstrategie mit. Diese hatte sie gemeinsam mit dem Landwirtschafts- und dem Wirtschaftsministerium Ende vergangenen Jahres präsentiert. "Das ist der politische Kompass, damit der Weg in die Kreislaufwirtschaft gelingt", sagte Gewessler.

Refuse, Rethink, Reduce lauten die ersten drei Punkte der Strategie – neue Produkte sollen überflüssig gemacht, das Produktdesign neugestaltet und der dazu nötige Ressourcenverbrauch reduziert werden.

Wienerberger könnte Graz jedes Jahr neu bauen

Wie weit dieser Weg aber ist, zeigt das Beispiel des Ziegelproduzenten Wienerberger. Mit seinen über 200 Fabriken in 28 Ländern erzeuge das Unternehmens so viel Material, dass es die Stadt Graz jedes Jahr neu bauen könnte, so CEO Heimo Scheuch, der ebenfalls bei dem Auftakt im Climate Lab am Podium stand. Kunststoffrohre fertige das Unternehmen so viele, dass es sie jedes Jahr einmal rund um die Welt verlegen könnte.

Zwar verspricht Scheuch, für die langfristige Nutzung zu produzieren – das Material sei für mindestens 100 Jahre ausgelegt –, dennoch ist die Menge der heute produzierten Waren gewaltig. Wie dramatisch die Nutzung von Ressourcen in den vergangenen Jahrzehnten gestiegen ist, zeigen aktuelle Daten. So hat sich das Volumen seit den 70er-Jahren auf über 92 Milliarden Tonnen mehr als verdreifacht. Die globale Entnahme metallischer Rohstoffe vervierfachte sich im selben Zeitraum gar von 2,6 auf 9,7 Milliarden Tonnen Roherz im Jahr 2019, wie eine Schätzung zeigt.

Im Climate Lab sollen sich Programmpartner wie Wienerberger jetzt mit anderen Unternehmen zusammensetzen, um Wege zu finden, wie zirkuläres Bauen besser funktionieren kann und wie Abfälle des einen Unternehmens von anderen weiterverwendet werden können.

Reparaturbonus vor allem für Handys genutzt

Noch steht die Umsetzung der Kreislaufwirtschaftsstrategie ganz am Anfang. Viele Punkte sind noch als Ziele formuliert, die gut klingen, aber sehr vage bleiben. Einige Initiativen hat das Klimaministerium aber doch schon umgesetzt – dazu zählt der Reparaturbonus, der mit 130 Millionen Euro bis 2026 durch den EU-Corona-Aufbaufonds finanziert wird.

Mit diesem Geld wird die Hälfte von Reparaturkosten bis zu 200 Euro übernommen. Bisher wurden 440.000 Produkte repariert, der Großteil davon Smartphones, dahinter Geschirrspüler und Waschmaschinen. Als nächste Maßnahme hat das Klimaministerium dem Koalitionspartner das Vernichtungsverbot für Neuwaren vorgeschlagen.

In Arbeit ist außerdem ein sogenannter Produktpass. Dieser soll einerseits für Konsumentinnen und Konsumenten mittels QR- oder Strichcode ersichtlich machen, woher das Produkt genau stammt, und andererseits Informationen für die Wiederverwertung liefern, etwa dadurch, dass mitverfolgt wird, wo ein Gegenstand eingesetzt wurde. Nur so sei eine hochwertige Wiederverwertung möglich, erklärte Erika Ganglberger von der Österreichischen Gesellschaft für Umwelt und Technik (ÖGUT), die an der Erstellung der Strategie mitgewirkt hat.

"Daten zur Zusammensetzung von Produkten sind enorm wichtig und eine Grundvoraussetzung für einen erneuten Einsatz. Wie soll man Material im Kreislauf führen und Produkte weiter nutzen, wenn die Zusammensetzung unbekannt ist?", so Ganglberger.

Produkte mit QR- oder Strichcode nachverfolgen

Wie ein solcher Produktpass genau aussehen könnte, wird gerade in Brüssel erarbeitet. Dieser soll einerseits für Konsumentinnen und Konsumenten mittels QR- oder Strichcode ersichtlich machen, woher das Produkt stammt, und andererseits für das Recycling mitverfolgen, wo genau ein Gegenstand eingesetzt wurde.

Die Umsetzung von all dem soll jetzt im Climate Lab angeschoben und der Übergang zur Klimaneutralität beschleunigt werden. Der Klimarat werde seine Forderungen dazu weiter begleiten, erklärt Klimarat-Vereinsmitglied Edith Siebenstich. Denn bisher geht die Veränderung nicht einmal annährend schnell genug, damit die Klimaziele noch erreicht werden können. "Wir wollen weiter bohren", sagt Siebenstich. (Alicia Prager, 16.2.2023)