ORF-Finanzierung: Eine Haushaltsabgabe soll die GIS ablösen.

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Der ORF soll sich künftig über eine Haushaltsabgabe statt über die GIS finanzieren, wie vom STANDARD in den vergangenen Wochen mehrfach berichtet. Medienministerin Susanne Raab bestätigte das Vorhaben am Freitagnachmittag: "Mit Sparpaket ist ein günstigerer ORF-Beitrag für Haushalte vorstellbar." Voraussetzung seien Sparmaßnahmen im ORF, dann werde sie mit dem Koalitionspartner, den Grünen, weiter über eine Haushaltsabgabe verhandeln.

Abgabe auch für Streaming

Die Haushaltsabgabe unabhängig von Empfangsgeräten und Nutzungsmöglichkeiten entspricht der Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs von Ende Juni 2022: Das Höchstgericht entschied, dass die bisher GIS-freie Möglichkeit der Streamingnutzung verfassungswidrig ist. Es müssten alle wesentlichen Nutzungswege erfasst werden von einer – so die Verfassungsrichter – unabhängigen Finanzierung des ORF.

Einkommensschwache Haushalte dürften wie bisher von der GIS befreit sein. Zweitwohnsitze sind derzeit GIS-pflichtig, können die Zahlung aber auf geringere Nutzungszeiten von mindestens vier Monaten pro Jahr beschränken.

"Weniger zahlen als bisher"

"Österreicherinnen und Österreicher, die den ORF finanzieren, sollen weniger zahlen als bisher", verlautete Freitagnachmittag aus dem Medienministerium. In den vergangenen Wochen verhandelte Medienministerin Susanne Raab wie berichtet mehrfach darüber mit ORF-Generaldirektor Roland Weißmann.

Raab verlangte einen "substanziellen ORF-Rabatt zugunsten der Menschen", zudem einen "harten Sparkurs" im ORF, wenn eine Haushaltsabgabe kommt. ORF-Generaldirektor Weißmann werde dem Stiftungsrat am Montag einen Budgetpfad für die nächsten Jahre mit hartem Sparkurs vorlegen, ließ das Medienministerium verlauten, und: Wo dabei gespart wird, sei Sache des ORF.

ORF-"Rabatt" – offiziell noch keine künftige Höhe verhandelt

Der "Kurier" berichtete Freitagmittag von kolportierten 16,50 Euro pro Haushalt, nach STANDARD-Infos ist der Betrag noch nicht fix, konkrete Beträge seien noch nicht Thema gewesen. Derzeit beträgt das GIS-Programmentgelt 18,59 Euro. Und Medienministerin Susanne Raab verlangte mehrfach in den vergangenen Wochen einen "Rabatt" vom ORF.

Widerstand gegen "Kahlschlag"

Noch bevor die Regierung diese künftige ORF-Finanzierung nach der GIS offiziell macht, formiert sich bereits wie berichtet Widerstand gegen damit verbundene, massive Kürzungen im ORF. Heinz Lederer, Sprecher der SPÖ-nahen ORF-Stiftungsräte, will von Sport über Kultur bis Länder betroffene Gruppen und Institutionen mobilisieren. "Ein struktureller Kahlschlag muss unbedingt abgewehrt werden", sagt Lederer im Gespräch mit dem STANDARD am Donnerstag.

Medienministerin Susanne Raab (ÖVP) hat mehrfach über die "Kronen Zeitung" deutliche Einsparungen des ORF und einen "Rabatt" für die Zahlerinnen und Zahler verlangt, wenn eine Haushaltsabgabe die GIS ersetzt. Die Bundessportorganisation Sport Austria befürchtet etwa die Einstellung des ORF-Spartenkanals ORF Sport+.

Die EU-Vorgabe für die Subvention öffentlich-rechtlichen Rundfunks lautet: Sie darf nur die Kosten abdecken, den das Unternehmen zur Erfüllung des gesetzlich vorgegebenen öffentlich-rechtlichen Auftrags braucht. Diesen Auftrag definiert der Gesetzgeber. Die Höhe der öffentlichen Beihilfen, und ob sie (allein) den Auftrag finanzieren, prüft – bisher – die unabhängige Medienbehörde. Auch künftig dürfte es eine externe Prüfung geben – und weil die Verfassungsrichter unabhängige Finanzierung verlangten, wohl durch eine unabhängige Stelle.

Dreistellige Millionen-Sparpakete

Bereits in den vergangenen Wochen wurden Sparpakete in Größenordnungen von 250 Millionen über die nächsten fünf Jahre kolportiert. Der ORF soll etwa mit Kürzungen für externe Produktionen kalkuliert haben, aber etwa auch das Radio-Symphonieorchester RSO und Spartenkanäle auf den Prüfstand stellen.

Bei Fortschreibung des bisherigen GIS-Einnahmetrends (ohne Streamingnutzer) prognostizierte der ORF für 2024 70 Millionen Euro Minus, für 2025 90 Millionen und für 2026 schon 130 Millionen Euro Verlust.

Einnahmen und Digitalnovelle

Mit der Haushaltsabgabe müssen auch bisherige Streamingnutzer für den ORF zahlen – das dürften einige hunderttausend Haushalte sein. Für den ORF könnte die Haushaltsabgabe in Summe also auch bei Reduktionen pro Haushalt rund 676 Millionen wie für heuer aus der GIS prognostiziert oder mehr an jährlichen Einnahmen bedeuten.

Zudem auf der Agenda bei den Verhandlungen über das ORF-Gesetz: Der ORF solle auch "mehr Möglichkeiten im digitalen Bereich erhalten und mehr Inhalte online anbieten", hieß es im Medienministerium. Diese "sogenannte ORF-Digitalnovelle" werde der Gesetzgeber "so rasch wie möglich umsetzen". Auch dazu würden "zeitnahe vertiefende Gespräche mit dem Koalitionspartner stattfinden".

FPÖ-Kritik: "Skandal der Sonderklasse"

Kritik kommt von der FPÖ. Komme die Haushaltsabgabe wirklich, sei das ein "Skandal der Sonderklasse", wird FPÖ-Generalsekretär und Mediensprecher Christian Hafenecker in einer Aussendung zitiert. Mit der Haushaltsabgabe wolle sich Regierung "offenbar weiterhin den Einfluss im Staatsfunk" sichern. "Offenbar haben sich die grünen Marxisten durchgesetzt und führen das Land immer weiter in Richtung DDR-Stil. Anstatt allen Menschen das Geld aus der Tasche zu ziehen, muss der ORF selbst schleunigst einen Kassasturz machen."

SPÖ für soziale Staffelung

Für die künftige ORF-Finanzierung fehlen laut SPÖ-Mediensprecher Jörg Leichtfried noch wichtige Details: "Für uns ist entscheidend, dass jedes neue Finanzierungsmodell die Unabhängigkeit des ORF sichert und sozial verträglich ist. Die Frage ist, ob es etwa bei der angedachten Haushaltsabgabe eine soziale Staffelung gibt und wie Unternehmen einbezogen werden." Leichtfried: "Bedeutet das Modell, dass ein großes Unternehmen dann so viel Abgabe zahlt wie ein Ein-Personen-Haushalt?"

Völlig offen sei zudem, was die geplanten Kürzungen für den öffentlich-rechtlichen Auftrag des ORF bedeuten. Der ORF müsse seinen öffentlich-rechtlichen Auftrag weiter wahrnehmen können.

Neos verlangen Reformen und Entpolitisierung

"Nur die Haushaltsabgabe einzuführen und dem ORF einen Sparkurs zu verordnen, kann nicht der Weisheit letzter Schluss sein", sagt Neos-Mediensprecherin Henrike Brandstötter. "Die Menschen in Österreich haben ein Recht auf einen unabhängigen, entpolitisierten ORF. Dafür braucht es aber tiefgreifende Reformen, die weit über die Finanzierungsfrage hinausgehen."

Es sei völlig klar, dass die Neuaufstellung der ORF-Finanzierung mit einer Entpolitisierung durch eine Gremienreform einhergehen müsse. "Um einen kritischen, unabhängigen Journalismus zu gewährleisten, muss der Einfluss der Parteien im ORF endlich ein Ende haben. Das Anhörungsrecht der Landeshauptleute muss abgeschafft werden. In einem unpolitischen ORF werden der Stiftungsrat und seine politischen Freundeskreise aufgelöst. Stattdessen wollen wir einen unabhängigen Aufsichtsrat, der wiederum einen mehrköpfigen Vorstand mit klarer Kompetenzverteilung bestellt und überwacht." (fid, ae, 17.2.2023)