Gleicher Lohn für alle, das Ende der Freunderlwirtschaft und Führung nur mehr in Teilzeit: Die Karriereredaktion des STANDARD hat aus drängenden Themen der Arbeitswelt sieben Szenarien zusammengetragen – und reflektiert, wie sie das Berufsleben umschlichten können. Was wäre wenn...

... New Work endlich vollständig in der Arbeitswelt ankommt

Der Name Frithjof Bergmann ist mittlerweile vielen Menschen geläufig. Dabei ist seine 40 Jahre alte Theorie trotz viel Zuspruchs immer noch nicht in unserem Arbeitsalltag angekommen. Dabei müssen wir dafür nur das tun, was wir "wirklich, wirklich wollen". Das sogenannte New-Work-Konzept ist längst ein klingendes Schlagwort, mit dem sich Unternehmen gerne schmücken, um neue Arbeitskräfte anzulocken.

Wenn aus der 40-Stunden- eine Maximal-30-Stunden-Woche wird und jeder Mensch seine eigenen Fähigkeiten und Ideen nutzen kann, seine eigene Kreativität spielen lassen kann, dann wären viele Firmen und Arbeitgeber schon nah dran am richtigen New Work. Wie viele Menschen fühlen sich, als würde die Arbeit ihr Leben bereichern? Noch sind es wohl nicht genug, um von einem wahren Wandel in der Arbeitswelt sprechen zu können.

Und noch sind zu viele Firmen streng hierarchisch ausgerichtet, zu männlich, zu einseitig, um von vielfältigen Ideen schöpfen zu können. Überhaupt sollte der Begriff "Leistung" neu gedacht werden. Sind viele Arbeitsstunden gleich Leistung? Oder zählt die Leistung ganz ohne die gezählten Arbeitsstunden? Im Grunde ist die Arbeitswelt noch viel mehr ein starrer Käfig an Vorgaben, und das New Work-Konzept will genau diesen aufbrechen.

Karenz für beide Elternteile, Doppelspitzen und Sabbatical für alle: Sieht so die Arbeitswelt der Zukunft aus?
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... offene Stellen nur nach Qualifikation vergeben werden

Freunderlwirtschaft ist in Politik und Wirtschaft kein Fremdwort. Dabei würden nicht nur viele Beschäftigte davon profitieren, wenn alle Positionen ausgeschrieben und transparent vergeben werden, sondern auch die Unternehmen.

Eine Umfrage des Portals Karriere.at zeigt: Mehr als die Hälfte der Beschäftigten will nicht für eine Firma arbeiten, wenn sich die Leitungsorgane und Führungskräfte nicht integer verhalten, also etwa persönliche Vorteile aus ihrer Position beziehen. In Zeiten des Personalmangels kann sich das eigentlich keine Firma leisten.

... in jedem Job das gleiche Gehalt bezahlt wird

New Work braucht auch eine Debatte über New Pay. Durch technologische Entwicklungen werden immer mehr Aufgaben automatisiert. Welche Leistungen machen Unternehmen erfolgreich? Leistet dafür nicht jede und jeder – vom Management bis zum Empfangspersonal – einen wichtigen Beitrag? Warum dann nicht allen gleich viel bezahlen? Unternehmensbeispiele dazu gibt es bereits.

Die Werbe- und Kommunikationsagentur CPP-Studios in Deutschland ist eines davon. Die mehr als 20 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bekommen alle das gleiche Gehalt unabhängig von Alter oder Funktion. Nur der Geschäftsführer bekommt etwas mehr, da er auch das gesamte Risiko trage. Regelmäßig werde das Gehalt gemeinsam und transparent angepasst. Seit mittlerweile 30 Jahren hält sich das Unternehmen mit diesem Modell in einem wettbewerbsintensiven Marktbereich.

... jede Führungsposition als Doppelspitze in Teilzeit besetzt wird

Das Image einer Führungskraft ist sehr hierarchisch geprägt. Vielerorts hält sich das Bild des Bosses, der oder die im Alleingang alles bestimmt und für alles verantwortlich ist, hartnäckig. Übernehmen diese Rolle aber gleich zwei Personen, kann das auf Dauer ganz schön entlasten. Egal in welcher Branche, geteilte Führung bedeutet auch: Mehr Zeit, nicht nur für Managementaufgaben, sondern für Themen die sonst oft hintanstehen müssen, wie etwa kurze Feedbackgespräche und gemeinsame Reflexionen.

Die eigenen Kompetenzen könnten mehr zum Vorschein kommen, und Mitarbeitende hätten mehr als eine direkte Ansprechperson. Vier statt zwei Augen auf eine Aufgabe können außerdem Druck rausnehmen. Dafür muss sich das Führungsduo gut verstehen und miteinander arbeiten können. Damit das gelingt, braucht es vor allem offene Kommunikation.

... beide Elternteile verpflichtend in Karenz gehen müssen

Bei acht von zehn Paaren geht der Mann weder in Karenz noch bezieht er Kinderbetreuungsgeld. Das zeigt eine Erhebung der Arbeiterkammer unter Personen, die im Jahr 2017 Eltern geworden sind. Der Großteil der Karenzväter unterbricht die Erwerbsarbeit zudem für weniger als drei Monate. Die Folgen für Mütter machen sich nicht nur bei Gehalt und Karrierechancen bemerkbar, sondern ziehen sich durch niedrigere Pensionsansprüche bis ins hohe Alter.

Neben einem verbesserten Angebot an Kinderbetreuung stellt auch eine verpflichtende Karenz für beide Elternteile eine Option dar, der Ungleichheit entgegenzuwirken. Denn viele Väter scheitern auf dem Weg in die Karenz bislang an der Bereitschaft ihres Arbeitgebers. Zu gewinnen gäbe es genug – vor allem für Kinder, die eine enge Bindung zu beiden Elternteilen aufbauen können.

... alle Beschäftigten Anspruch auf ein Sabbatical haben

Für viele junge Menschen ist klar: Sie wollen nicht ihr ganzes Leben Vollzeit arbeiten – Abwechslung und privates Glück sind genauso wichtig wie berufliche Erfüllung. Ein Jahr Pause kann helfen, den Kopf freizubekommen und etwas Neues zu erleben. Wie wäre es also mit einem Anspruch auf ein Sabbatical für alle?

Ein Jahr reisen, Sprachen lernen, Wildtiere pflegen oder voll für die Familie da sein. Eine Utopie für Firmen ist es zwar, dass wir immer und überall Leistung bringen – eine Auszeit mit frischem Input hat aber langfristig mehr Vor- als Nachteile für Arbeitgeber.

... jede Person den eigenen Arbeitsplatz sauber halten muss

Gläser und Kaffeehäferln türmen sich in der Spüle, im Gemeinschaftskühlschrank schimmeln Essensreste vor sich hin: Dieses Bild dürfte wohl einigen Menschen von ihrem Arbeitsplatz bekannt vorkommen. Dabei muss das gar nicht sein – im eigenen Zuhause klappt es ja schließlich auch. Unterstützung gibt es zudem durch smarte Gadgets wie Saugroboter mit Wischfunktion.

Damit die Umstellung gut klappt, könnte man sich ein Beispiel an Japan nehmen: Dort gehört es zur Tradition, dass Kinder einen Großteil der Reinigung der Schulen übernehmen. Genug Arbeit für Reinigungskräfte gibt es nämlich immer noch, und zwar dort, wo Hygiene besonders wichtig ist: in Krankenhäusern, Pflegeeinrichtungen oder Kindergärten. (red, 18.2.2023)