Auf Karten, Würstel und Champagner wurde ein "Solidaritätszuschlag" erhoben. Das war sicherlich gut gemeint, aber die Aktion nervte mich.

Foto: APA / Eva Manhart

Tarek Leitner schien bei seinem Debüt als Moderator auf dem Opernball ein wenig nervös zu sein. Der Auftrag lautete wohl, mehr Seriosität in die Berichterstattung des ORF zu bringen. Wir erfuhren aus seinen Interviews aus der Regierungsloge, dass der belgische Premierminister sich als Feminist bezeichnet und sogar ein Buch über seine Mutter geschrieben hat, die Anwältin und Frauenrechtlerin war. Der Finanzminister (ich meine den deutschen) war nüchtern, weil er zu Jahresbeginn keinen Alkohol trinkt. Selbst Baumeister Richard Lugner hatte dieses Mal keine oberflächliche Begleitung, sondern die Schauspielerin und Aktivistin Jane Fonda eingeladen.

Der Ball wollte nicht nur seriös, sondern auch solidarisch sein. Auf Karten, Würstel und Champagner wurde ein "Solidaritätszuschlag" erhoben. Diese Einnahmen sollen über die Initiative "Österreich hilft Österreich" an Hilfsorganisationen gespendet werden. Der Generaldirektor des ORF sprach von den Auswirkungen der Pandemie, der Teuerung und davon, wie schwer es manche Menschen haben. Das war sicherlich gut gemeint, aber die Aktion nervte mich.

Spaß in den Logen

Ich habe kein Problem damit, dass reiche, mehr oder weniger prominente Leute auf dem Opernball feiern. Ich gönne ihnen auch ohne "Soli-Aufschlag" den Spaß in ihren Logen. Ein Ball ist zum Feiern da – seriös, nüchtern und solidarisch muss er nicht sein. Braucht es einen solchen Ablasshandel? Mich bewegt eine andere Frage: Wie kann es sein, dass sich unser wohlhabendes Land in einer derartigen sozialen Schieflage befindet, dass Aktionen wie diese überhaupt nötig scheinen?

"Wie wäre es mit einer intelligenten Erbschaftssteuer und parallel dazu konkreten Anreizen, um eine Kultur der Philanthropie im Unterschied zur Almosenverteilung zu fördern?"

Wie wäre es, wenn anstatt der Würstelspenden ein gerechteres Steuersystem geschaffen und Steuerhinterziehung und Steuerflucht ernsthaft bekämpft werden? Wann hören Bundesregierung und Länder damit auf, intransparente Förderungen auszuschütten? Förderungen, die während der Pandemie gezeigt haben, dass sie teils null soziale Treffsicherheit haben, außer für die eigene politische Klientel. Wie wäre es mit einer intelligenten Erbschaftssteuer und parallel dazu konkreten Anreizen, um eine Kultur der Philanthropie im Unterschied zur Almosenverteilung zu fördern? Dann könnten die Reichen und Schönen die Nacht auf dem Opernball ohne schlechtes Gewissen durchfeiern und scheinheiliges Gerede bliebe uns erspart.

Kein Mitleidsthema

In einer solidarischen Gesellschaft wird Armut und Ungleichheit nicht als Mitleidsthema gesehen, sondern strategisch durch gezielte Maßnahmen bekämpft. Durch ein gerechteres Bildungswesen, durch echte Inklusion und treffsichere Interventionen. Diese bräuchte es zum Beispiel dringend in den Bereichen Kinderbetreuung und Pflege. Dann würde es auch gelingen, Frauen den Wechsel von der Teilzeitarbeit in die Vollzeitbeschäftigung zu ermöglichen. Ein anderer Besucher der Regierungsloge, der den seriösen Interviews von Leitner entkommen konnte, hatte dies vor ein paar Tagen gefordert, ohne jedoch zu erwähnen, dass seine Partei, die ÖVP, seit Jahren Reformen in diesen Bereichen blockiert. Vielleicht hätten ihm Jane Fonda oder der belgische Feminist das bei einem ernsthaften Ballgespräch mit solidarischen Getränken erklären können und ihm geraten, in eine Zukunft zu investieren, in der alle im Fasching etwas zu feiern haben. (Philippe Narval, 20.2.2023)