Heute wird es ernst: ORF-Chef Roland Weißmann legt seinen Stiftungsräten in einer Sondersitzung sein Programm vor, wie er bis Ende 2026 320 Millionen Euro einspart. Das könnte das Ende der ORF-Finanzierung für das RSO, das Radio-Symphonieorchester, bedeuten, das Aus für den Sportspartenkanal ORF Sport Plus als Rundfunkprogramm, die Einstellung der Streamingportale Flimmit und Fidelio.

Sport-Interessenvertreter laufen sich schon mit ersten Protesten warm gegen eine Einstellung des Sportkanals. Unruhe über die Zukunft des RSO war bei einem Konzert am Samstag spürbar.

Ein massives Sparprogramm ist Bedingung der Medienministerin Susanne Raab (ÖVP) für eine künftige ORF-Finanzierung. Freitag hat sie erstmals offiziell bestätigt, dass sie sich eine sogenannte Haushaltsabgabe statt der GIS vorstellen kann. Die Grünen sind ohnehin schon längst für eine solche Abgabe.

Eine neue Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks gibt der Verfassungsgerichtshof vor. Er entschied Ende Juni 2022, dass GIS-freie Streamingnutzung verfassungswidrig sei. Bis Ende 2023 gab er der Politik Zeit für eine neue Finanzierung des ORF, die seine Unabhängigkeit gewährleistet.

Sparpotenzial bei GIS

Die Umstellung selbst erspart dem ORF einigen Aufwand für die GIS-Zasterfahndung: Viele Dutzend Außendienstmitarbeiterinnen und Mitarbeiter klopfen bisher an Wohnungstüren und fragen, ob man nicht doch ein GIS-pflichtiges Rundfunkempfangsgerät zu Hause hat.

Eine künftige Haushaltsabgabe wird für öffentlich-rechtlichen Rundfunk, aber unabhängig von Geräten und Empfangsmöglichkeiten eingehoben. Ausnahme: Befreiungen für Einkommensschwache wird es wie bisher bei der GIS geben.

Wer bisher mit alleiniger Streamingnutzung die GIS umging, muss künftig zahlen. Das bringt dem ORF mehrere 100.000 zahlende Haushalte mehr. Das dürfte die Einnahmen des ORF zumindest stabilisieren, auch wenn die Zahlungen pro Haushalt und Monat laut Medienministerin Raab etwas weniger werden müssen.

Derzeit nimmt der ORF 676 Millionen Euro im Jahr aus der GIS ein, also ohne Streaminghaushalte. Mit dieser heutigen Finanzierungsbasis prognostizierte der ORF Verluste von 70 bis 130 Millionen Euro pro Jahr ab 2024. Das Sparprogramm diktiert also nicht allein die Ministerin.

Noch viel Klärungsbedarf

Die Details der neuen ORF-Finanzierung wirken vorerst noch ziemlich unklar. Im Medienministerium verweist man bei allen Detailfragen zum Thema auf noch offene Verhandlungen mit den Grünen über die Neuregelung. Und die neue Finanzierungsform wirft viele Detailfragen auf. Die Haushaltsabgabe soll günstiger werden als die GIS bisher, lautet die Vorgabe der Ministerin. Sie erwartet Kürzungen an den bisher 18,59 Euro pro Monat.

Bundes- und Landesabgaben in Bewegung

Ob auch auf eine künftige Haushaltsabgabe wie auf die GIS Umsatzsteuer eingehoben wird, ist unklar, aber zweifelhaft. Derzeit läuft eine Sammelklage eines Prozessfinanzierers gegen die Mehrwertsteuer auf die GIS, die Frage liegt zur Klärung beim EU-Gerichtshof. Ende Mai soll der Generalstaatsanwalt einen – meist richtungsweisenden – Schlussantrag dazu vorlegen.

Mit der Steuer würde der ORF voraussichtlich die Möglichkeit zum Vorsteuerabzug verlieren – der wesentliche zweistellige Millionenbeträge pro Jahr ausmacht.

Neben der Steuer hebt der Bund noch zwei Euro pro Haushalt und Monat an TV-Gebühr, Radiogebühr und Kunstförderungsbeitrag ein. Die Bundesabgaben fließen unter anderem in die Privatrundfunkförderung. Der Kunstförderungsbeitrag könnte künftig aus dem Bundesbudget kommen, sagen Menschen mit Einblick in die Verhandlungen.

Bei Finanzminister Magnus Brunner (ÖVP) wird derzeit an rund 100 Millionen Euro Volumen im Zusammenhang mit der künftigen GIS-Lösung gerechnet, heißt es in Verhandlungskreisen.

Wesentlich günstiger könnte die ORF-Abgabe künftig ausfallen, wenn die Bundesländer auf ihre Abgaben verzichten. Oder wenn für die Mittel aus den bisherigen Abgaben doch noch mit Bund-Länder-Vereinbarungen von der ORF-Abgabe entkoppelt würden. Dann stellt sich allerdings die Frage: Wie verfahren mit Oberösterreich und Vorarlberg, die bisher auf Abgaben auf die GIS verzichten.

Gut möglich allerdings, dass am Ende der Verhandlungen weiterhin Bundesländer eigene Abgaben auf oder mit der Haushaltsabgabe einheben.

Sparprogramm am Montag: ORF-Chef Roland Weißmann präsentiert Stiftungsräten, wo er kürzt.
Foto: APA / Eva Manhart

Wen das 320-Millionen-Sparpaket im ORF bis 2026 treffen könnte

Wo könnte das Sparpaket durchschlagen, das ORF-Chef Weißmann am Montag seinen Stiftungsräten präsentiert?

ORF Sport Plus: Sport-Spartenkanal auch laut Umfrage Sparkandidat

Wenn der ORF schon am Programm sparen soll, dann am ehesten an ORF Sport Plus. Das sagen 51 Prozent der 1043 online Befragten laut OGM-Erhebung für den Kurier. ORF Sport Plus zählt zu den wahrscheinlichsten Opfern des großen ORF-Sparpakets, das am Montag den ORF-Stiftungsräten präsentiert wird.

ORF Sport Plus könnte als Rundfunkkanal eingestellt werden. Die Übertragungen einer Vielzahl von Sportarten abseits von Premiumbewerben aus Fußball, Formel 1 und Ski soll offenbar im ORF-Angebot bleiben: Einerseits braucht ORF 1 österreichische Inhalte, wenn es sich deutlicher von US-Serienware verabschieden will. Andererseits plante der ORF schon länger eine Streamingplattform dafür – wenn es das Gesetz erlaubt.

RSO: ORF-Orchester soll wieder einmal eingespart werden

Das ORF-RSO Wien ist Debatten um seine Auflösung gewöhnt. Mehrfach drohte der ORF damit, den Klangkörper einzusparen. Das aktuelle Vorhaben trifft ein Orchester, bei dem fast 50 Prozent Frauen spielen und das – als einziges etabliertes Orchester Österreichs – eine Frau, Marin Alsop, als Chefdirigentin hat. Das RSO ist zudem ein zentraler Faktor im musikalischen Ökosystem. An die 300 Uraufführungen hat es umgesetzt und damit Musikgeschichte mitgeschrieben. Durch das RSO ist der ORF somit ein wesentlicher Kulturförderer des Landes, wozu ihn das ORF-Gesetz auch verpflichtet. Spannend wird, welche Kosten bei einer Auflösung des Orchesters anfallen und ob die Bundesregierung, Auslöser der Sparaktivität, ein Konzept zur RSO-Rettung hat.

GIS: Haushaltsabgabe statt Hausbesuche

Eine Umstellung von der bisher geräteabhängigen GIS-Gebühr auf eine Haushaltsabgabe eröffnet Sparpotenzial bei der Gebührentochter des ORF mit derzeit an die 300 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern und einem Aufwand von rund 40 Millionen Euro pro Jahr. Wenn die Gebühr künftig nicht mehr von Empfangsgeräten abhängt, sondern alle Haushalte zahlen müssen (bis auf besonderes einkommensschwache), dann braucht es keinen Außendienst mehr, der an der Wohnungstür nach TV oder Radiogerät fragt. Ob eine kleinere GIS künftig die Haushaltsabgabe einhebt (sie hat schon jetzt hoheitliche Aufgaben für Bund und Länder) oder eine neue Stelle, ist noch unklar. Der Aufwand für die Einhebung dürfte jedenfalls mit der Haushaltsabgabe gegenüber der bisherigen GIS deutlich sinken.

Flimmit und Fidelio: Bezahlportale für Film und Klassik auf dem Prüfstand

Der ORF will mit der ORF-Novelle über seine künftige Finanzierung auch mehr Möglichkeiten im Streaming bekommen. Zwei bestehende Bezahlportale allerdings könnten dem großen Sparpaket zum Opfer fallen.

Flimmit ist ein Film- und Serienportal, das der ORF als kommerzielles Angebot gegen Netflix und Co 2015 startete. Es blieb unter seinen anfangs großen Erwartungen und darf inzwischen auch mit GIS-Gebühren querfinanziert werden; nach dieser Neupositionierung haben sich die Abo-Zahlen vervielfacht*. Flimmit konzentriert sich auf österreichische und europäische Filme und Serien. Dafür dürfte auch im künftigen ORF-Streaming Platz sein.

Fidelio ist ein Klassikportal, das der ORF 2015 mit der deutschen Unitel aus Jan Mojtos Beta-Gruppe startete. Auch dieser Streamingdienst blieb unter den anfänglichen Erwartungen. Die Medienbehörde lehnte eine GIS-Finanzierung dieses Portals ab. (Harald Fidler, Ljubiša Tošić, 20.2.2023)