Einfach mitlachen, der Einfachheit wegen? Erst einmal: sich nicht angegriffen fühlen, sagt Katja Radlgruber.

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Der Fasching ist fürs Erste vorbei. Doch die Witze übers "Gendern", was Frauen angeblich nicht können oder ihr Aussehen gehen weiter. Mehr oder weniger subtil. Birgit Radeschnig ist Teil des österreichischen Musikkabarettduos RaDeschnig und erinnert sich an Sitzungen für den Villacher Fasching, an dem das Duo vor 25 Jahren noch beteiligt war. "Sowohl Männer als auch Frauen haben sich abgenutzter Klischees bedient – die Ehefrau war 'die Olte', die nur nervt, und der Ehemann 'da Olte', der außer saufen nichts auf die Reihe kriegt."

Heute wird milder über Geschlechterklischees gewitzelt, und Aufheiterungen mit sexistischem Unterton werden zum Beispiel gern in Hinblick auf angeblich zu strenge Gleichstellungsbemühungen dargeboten. Umso schwieriger ist es oft, darauf zu reagieren. Eine gute Antwort fällt einer oft zu spät ein, meist, wenn die Situation oder der Arbeitstag längst vorbei ist. Im Kopf spukt es aber weiter herum, und der Ärger wird immer größer, weil man selbst und viele andere aus Bequemlichkeit müde mitgelächelt haben. Davon handelt auch der aktuelle Teil der dieStandard-Reihe "Feministische Gewissensfrage".

Statuskämpfe

Katja Radlgruber ist Karrierecoach für Frauen – und hat dieses Thema oft auf dem Tisch. Für viele stellt sich im ersten Moment die Frage: War das jetzt untergriffig? War das sexistisch? Soll man sich jetzt den Schuh der "Spaßbremse" anziehen?

Sich angegriffen fühlen ist genauso wenig die richtige Reaktion wie ignorieren, sagt Radlgruber. Gar keine Reaktion bedeutet auch, dass sich nie etwas ändert. "Erst einmal ist es wichtig, bestimmte Scherze als das zu sehen, was sie sind: nämlich ein Statuskampf", sagt Radlgruber. Es gebe in Firmen einerseits eine festgeschriebene, transparente Hierarchie – doch innerhalb dieser Hierarchie gibt es eine Hackordnung zwischen Kolleg:innen. Und in dieser gehe es darum, wer sich in dieser Hackordnung hervortut.

Auch Birgit Radeschnig betont, dass der Kontext von Witzen auschlaggebend ist, vor allem bei der Frage nach der Beurteilung von Scherzen, ob sie nun Grenzen überschreiten oder nicht. "Ungut wird es ausnahmslos, wenn Machtverhältnisse im Spiel sind. Die Grenze würde ich also nicht bei der jeweiligen sexistischen Aktion ziehen, sondern beim jeweiligen Rahmen."

Anspielungen und Witzeleien sind vor allem für all jene anstrengend, die vom Mainstream abweichen, sagt Radlgruber. Seien es nicht heterosexuelle Menschen, Frauen mit Kopftuch oder generell Frauen. Abweichungen vom männlichen, weißen, heterosexuellen Mainstream können als Schwäche interpretiert und ausgenutzt werden. Solche Kämpfe würden von jenen geführt, die sich ihrer Position gerade nicht sicher sind und das Gefühl haben, jemanden diskreditieren zu müssen, um sich besser zu fühlen.

Die Perspektive, dass es vielmehr mit der Person zu tun hat, die die Witze reißt, als mit jenen, in deren Richtung sie gehen sollen, hilft, es nicht persönlich zu nehmen. Und dabei, es als Spiel zu betrachten, sagt Radlgruber.

Wie aber nun konkret Reagieren in diesem Spiel? Erst einmal: sich Zeit verschaffen, sagt Radlgruber – und zwar mit einer Klärungsfrage. Die vermeintlich witzigen Aussagen einfach zu wiederholen – mit einem Fragezeichen dahinter, ganz ohne Bewertung.

Situationen

Ein Beispiel: Wenn es einen Scherz über eine Frauenquote in einer Sitzung gibt, etwa wenn deutlich weniger Frauen in dem Meeting sind, etwa in der Art gibt: "Na ja – die Frauenquote haben wir ja nicht erfüllt – haha!" In dem Fall würde eine einfache Klärungsfrage lauten: "Die Frauenquote haben wir nicht erfüllt?" Einfach den Satz wiederholen – mit einem Fragezeichen dahinter, erklärt Radlgruber. Dann eine Pause – und das Gegenüber muss reagieren. Eine mögliche Reaktion wäre dann, dass der Kollege auf eine ernst gemeinte Beobachtung wechselt und sagt: "Na ja, schauen wir uns den Raum an, es ist ja nur eine Frau anwesend." Daraufhin könnte man sehr freundlich darauf eingehen und sagen: Das hätte ich Ihnen gar nicht zugetraut, dass Sie so auf die Frauenquote schauen, Herr Kollege. Das spricht für Sie." So könnte man unangenehme Situationen, in denen etwa Gleichstellungsbemühungen lächerlich gemacht werden, aushebeln, meint Radlgruber.

Unlustig

"Mit dieser Feedbackmethode bekommt man Zeit zum Nachdenken, mehr Informationen vom Gegenüber – und man bleibt nicht still", sagt Radlgruber. Ein häufige Situationen ist auch, dass ein sexistischer oder rassistischer Witz gebracht wird – und dann im Nachsatz oder bei ersten negativen Reaktionen mit "Das war ja nur ein Witz" kalmiert wird. Hierzu rät Radlgruber, immer von sich persönlich zu sprechen, dass "ich es nicht lustig" fand. Wenn man hingegen erklärt, dass das generell nicht okay ist, stelle man sich über den anderen – "und wir wollen mit dem Gegenüber ja auf gleicher Ebenen bleiben".

Birgit Radeschnig und ihre Kabarettpartnerin und Schwester Nicole Radeschnig fanden es angesichts der vielen Witze über "die Frauen" und "die Männer" schon damals beim Villacher Fasching befremdlich, dass Männer und Frauen "überhaupt Beziehungen eingehen, wenn sie in so einen Umgang miteinander münden – und sich scheinbar so viele aus dem Publikum in diesen tragischen Szenerien wiederfinden". Somit könnte es mit sexistischen Witzen erst dann vorbei sein, wenn sie keiner mehr versteht. (Beate Hausbichler, 23.2.2023)