Winter bedeutet für viele Eltern das ewige Rotzen.

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Mein Tag beginnt nach einer Nacht, die nicht stattgefunden hat. Alle zwanzig bis vierzig Minuten hat eines der Kinder geraunzt, weil der Rotz in den Mund läuft. Zwischendurch haben sie gehustet, als hätten sie eine Packung Marlboro geraucht. Sie tun mir natürlich furchtbar leid! Ich tröste, streichle, singe. Ich bringe ihnen mitten in der Nacht Kakao und Striezel, Medikamente und Lieblingsstofftiere. Aber ich tue mir selbst auch leid!

Pausenlos verkühlt

Wenn die Kinder krank sind, merkt man erst, wie lang so ein Tag sein kann. Das konnte ich neulich um 10.30 Uhr vormittags feststellen. Beim gefühlt siebzehnten Kaffee war ich schon so fertig, dass ich am liebsten schon "Gute Nacht" gesagt hätte. Dann hätte ich mir nicht einmal den Pyjama anziehen müssen, weil den hatte ich immer noch an. Und sind wir uns ehrlich: An solchen Tage mit Rotz und Husterei ist es auch völlig egal, ob man in der Pyjamahose oder in der Jeans vor sich hin vegetiert.

Heuer, finde ich, ist es besonders schlimm. Von November bis März waren die Kinder fast pausenlos verkühlt oder hatten sonst was. Oft sind sie einerseits zu krank für den Kindergarten, aber andererseits so gesund, dass es mit ihnen zu Hause kaum auszuhalten ist. Das fühlt sich dann so an, als wäre man als Elternteil in einer Zwischenwelt gefangen (manche nennen diese Welt auch Winter), die uns alles und noch mehr abverlangt.

Ist man dieser Zwischenwelt erfolgreich entflohen und kann die Gschroppen wieder in den Kindergarten schicken, dauert es maximal drei Tage, da rinnt die Nase schon wieder. Wir sind öfter in der Apotheke als Junkies bei ihren Dealern – und wir verstecken unsere Drogen auch gar nicht mehr. Die liegen überall in unserer Wohnung herum. Von Globuli bis Nureflex, von Isländisch Moos bis Wick, von Mexalen-Zäpfchen bis zu Thymian-Raumsprays – haben wir alles zu Hause.

Mein Mann und ich streiten dann regelmäßig, wer diesmal Pflegeurlaub nimmt. Wobei das Wort "Pflegeurlaub" dermaßen hirnrissig und widersprüchlich ist, das ich mich fast aufregen muss. Wie kann etwas Urlaub sein, wenn man kranke Menschen pflegt? Gerne schildere ich einen Auszug aus diesem sogenannten Urlaub:

Elendig lange Tage

Es ist gerade erst 10 Uhr, wir haben schon Feuerwehr, Duplo, Memory, Knetmasse, Dinosaurier und Barbie gespielt. Alle Tattoos sind aufgebraucht, und die beiden Patienten sind zugepickt von der kleinen Zehe bis zum Hals. Wir haben gemalt, gebastelt, gesungen und mindestens vierhundertmal "Oma Agathe" gelesen. Um 11 Uhr, als ich zufällig beim Spiegel vorbeigehe, erschrecke ich mich kurz, weil ich selbst ausschaue wie die Oma Agathe. Zumindest passe ich in unsere Bude, die schon jetzt ausschaut wie ein Saustall. Später wollen die Kinder frischen Orangensaft auspressen, der ihnen dann aber zu sauer ist. Die Hendlsuppe wollen sie auch nicht. Also schmeiße ich Würstel ins Wasser und Pommes in den Ofen. Vor lauter Frust, Überforderung und Langeweile verschlinge ich nebenher die Schokoosterhasen vom letzten Jahr und versuche meine Verzweiflung wegzuatmen. Das mit dem Wegatmen gelingt mir aber leider nicht, weshalb ich zu Gott bete, an den ich nicht glaube, dass der Sommer bald kommen und diese elende Zeit endlich ein Ende haben möge.

Seit ich Kinder habe, kann ich getrost auf die kalte Jahreszeit verzichten. Strumpfhosen, Unterleiber, Schal, Mützen. Man braucht drei Stunden bis endlich alle angezogen sind, von den depperten Fingerhandschuhen, die mir täglich den Rest geben, rede ich erst gar nicht. Ständig ist jemand krank oder im besten Fall halb krank, und die Tage werden meines Erachtens nicht kürzer, sondern um sehr, sehr, sehr vieles länger. Wenn es dann endlich einmal schneit und man in der Theorie einen Schneemann bauen oder Schlitten fahren könnte, sind genau die Kinder wieder krank und man sitzt mit Hustenzuckerl im Mund am Fenster und schaut den Schneeflocken beim Tanzen zu. (Anja Buchta, 9.3.2023)