Christian Kern, früherer SPÖ-Bundeskanzler, sagte kürzlich: Bei der Wahl 2017 sei "manipuliert worden ohne Ende". Zur Erinnerung: Damals hatte Sebastian Kurz im Handstreich die ÖVP übernommen und vorzeitige Neuwahlen erzwungen, bei denen er dann mit 31,5 Prozent einen klaren Sieg errang. Kann man angesichts der jüngsten Enthüllungen sagen, die Wahl sei manipuliert worden?

Gab es Deals mit Verlegerfamilien? Sebastian Kurz' erfolgreicher Wahlkampf 2017, im Bild ist der Ex-Kanzler bei einem Auftritt im Vorjahr in der Schweiz zu sehen, beschäftigt die WKStA.
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Nun, zunächst überzog die ÖVP das gesetzliche Wahlkampfbudget von sieben Millionen fast um das Doppelte. Es hält sich seither hartnäckig der Verdacht, die Gruppe um Kurz habe durch Absprachen mit mächtigen Verlegerfamilien und Eigentümern von Boulevardblättern nach dem Prinzip "Inserate gegen Kurz-Hochloben" diesen Wahlsieg weiterbefördert. Zuletzt wurde diese Version durch Aktionen der Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) bestärkt.

Inseratenvolumen aus Steuermitteln

Wie DER STANDARD mit seinem Investigativteam Renate Graber, Fabian Schmid und Michael Nikbakhsh mehrfach berichtete, ermittelt die Korruptionsstaatsanwaltschaft, ob zwischen der Verlegerfamilie Dichand und der Gruppe Kurz ein solcher Deal geschlossen worden sei. Eva Dichand ist Geschäftsführerin und Herausgeberin von Heute, Christoph Dichand Herausgeber und Chefredakteur der Krone. All das stützt sich überwiegend auf Aussagen von Thomas Schmid, Generalsekretär im Finanzministerium und Kurz-Intimus.

Das Inseratenvolumen aus Steuermitteln für die Dichand-Zeitungen stieg sprunghaft an.

Ein ähnlicher Deal wurde nach Aussage von Thomas Schmid schon vorher mit der Familie Fellner abgeschlossen. Da ging es darum, den aufstrebenden Jungstar der ÖVP, Sebastian Kurz, durch manipulierte Meinungsumfragen in Österreich zu pushen.

In einer Aussage von Thomas Schmid vor der WKStA heißt es: "Dr. Eva und Dr. Christoph Dichand sind ganz andere Persönlichkeiten als die Brüder Fellner ... Sie vermeiden ausdrückliche Drohungen, geben aber ihre Anliegen letztlich ebenso klar zu erkennen" (zitiert nach Falter).

Unkritische Berichterstattung

Die Familien Dichand und Fellner bestreiten vehement alle Vorwürfe. Die Redaktion der Krone und der Chefredakteur von Heute erklären, es habe keinen Druck der Eigentümer gegeben, Kurz "hochzuschreiben".

Das ist zur Kenntnis zu nehmen. Rein rechtlich wäre es übrigens egal, ob es auch wirklich Anweisungen an die Redaktionen gegeben hätte. Außerdem hatte Sebastian Kurz damals sozusagen aus eigener Kraft hohe Beliebtheitswerte. Massenzeitungen schreiben selten gegen die Massenlieblinge.

Faktum ist aber, dass es einen intensiven Austausch zwischen der Gruppe Kurz und den genannten Verlegerfamilien gegeben hat; dass sehr, sehr viel Inseratengeld geflossen ist; und dass 2017 und noch einige Jahre danach Sebastian Kurz eine sehr gute (Boulevard-)Presse hatte.

Wurde dadurch seine Wahl zum Bundeskanzler "manipuliert"? Wahrscheinlich hätte er auch so gewonnen. Aber dass die unkritische Berichterstattung in diversen Boulevardblättern etwas beigetragen hat, davon kann man ausgehen. (Hans Rauscher, 4.4.2023)