Die Kaffeebohnen auf der Schaumkrone eines klassischen Espresso Martini werden seit neuestem durch Parmesanflocken ersetzt.

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Über Geschmack lässt sich streiten, vor allem wenn Käse die neue Geheimzutat im Cocktail sein soll. In den sozialen Netzwerken sorgt Espresso Martini mit Parmesan seit kurzem für Diskussionen. Jordan Hughes, der sich selbst als Cocktailmacher und visuellen Geschichtenerzähler bezeichnet, mixt auf Social Media unter dem Namen "highproofpreacher" Drinks für seine trinkfreudige Community. Die neueste Kreation: Wodka, Kaffeelikör, Espresso, Eis – und Käse.

Käse im Drink

Die ungewöhnliche Zutat reibt Hughes besonnen über den bekannten Cocktail, der zu den Klassikern in jeder Bar zählt. In Großaufnahme prasseln die Parmesanflocken auf das hochprozentige Getränk, beim Hochheben des Drinks wackelt der Schaum vor lauter Käse. Die Aufnahme irritiert. Der erste Gedanke: Das ist widerlich. Aber neugierig macht es. Hughes trinkt einen Schluck, blickt verwundert in die Kamera und kommt zu dem Schluss: "Ich bedaure, euch informieren zu müssen, dass das irgendwie toll schmeckt." Spätestens jetzt will man das Zeug aus reiner Neugier selbst kosten.

Die Kombination von Parmesan und Espresso Martini klingt im ersten Moment schräg. Parmesan sorgt aber für den Umami-Schub, der vielen Rezepten eine besondere geschmackliche Note verleihen kann. Im Drink treffen dann die Süße des Likörs, das leicht bittere Aroma des Kaffees und die Umami-Nuance des Käses aufeinander.

Spätestens seitdem die fünfte Geschmacksrichtung Anfang der 2000er-Jahre wissenschaftlich nachgewiesen wurde, experimentieren auch außerhalb Japans viele Köchinnen und Köche mit dem herzhaft-intensiven Umami-Aroma. Seit einiger Zeit ist man auch in der Cocktailszene auf den Genuss gekommen. In der Luster Bar in Wien steht beispielsweise der Drink "Tennō" auf der Karte. Eine der Zutaten: Miso, das durch das Fermentieren besonders umami schmeckt. Ein weiteres "Umami-Monster" bietet die Die Parfumerie im siebenten Bezirk an. Im Getränk "Jake" treffen Rum, Sake, Chili, Feige, Limette und Miso aufeinander.

Die Mischung mit japanischer Würzpaste fällt unter klassischen Cocktails auf. Parmesan im Drink spielt dennoch in einer anderen kulinarischen Liga, in der sich Ekel und Neugier abwechseln. Es gilt wohl die Devise: Wer wagt, der trinkt.

Ganz neu ist die Verbindung von Käse und Kaffee übrigens nicht. In Skandinavien landet beispielsweise "Leipäjuusto", sogenannter Brotkäse, im Heißgetränk. Gebacken oder gegrillt, wird er in kleine Stücke geschnitten und direkt aus der Tasse gelöffelt.

Der Geschmackstest

Je nach Rezept werden Wodka, Kaffeelikör, Espresso und Eis (optional auch Zuckersirup) ordentlich im Shaker durchgemischt. Der Mix landet im hochstieligen Glas– fertig ist der klassische Espresso Martini. Zum Garnieren platziert man im Regelfall noch Kaffeebohnen auf der Schaumkrone. Hier kommt bei der neuen Variante aber der Käse ins Spiel. Stattdessen wird nämlich Parmesan über den Drink gerieben – dem Video von Cocktailmacher Jordan Hughes zufolge sogar eine ordentliche Portion. Auch auf Youtube gibt es bereits Tutorials, in denen nicht an der neuen Zutat gespart wird. Vielleicht liegt es daran, dass man den Käse sonst über herzhafte Speisen streut, aber dieser Vorgang fühlt sich einfach falsch an. Jetzt steht noch der Geschmackstest bevor. Handelt es sich um ein Gesöff, das eher an stinkende Socken als an den beliebten Cocktail erinnert?

Abgestoßen und fasziniert zugleich, stellt sich nach dem ersten Schluck heraus: Diese Kombination ist so ungewöhnlich, dass sie funktioniert. Der Drink schmeckt spannend. Dort, wo normalerweise eine leichte Kaffeenote übrig bleibt, tritt das herbe Aroma des Parmesans hervor, ohne zu käsig zu werden. Vorausgesetzt, man erwischt die Käseflocken beim Nippen – insofern empfiehlt es sich, den Parmesan wirklich gleichmäßig auf dem Schaum zu verteilen. Das Fazit: Der neue Käsedrink eignet sich als lustige und trinkbare Abwechslung mit anfänglichem Ekelfaktor, das Original kann er geschmacklich aber trotzdem nicht schlagen. (Elena Sterlini, 17.4.2023)