Seit 2018 zeigt der österreichische Demokratie-Monitor, dass das Vertrauen in Politik und Staat zurückgeht. Nur mehr ein Drittel denkt, dass das politische System gut funktioniert, und vertraut Bundesregierung und Parlament. Es war nicht immer so: 1981 stimmten nur 30 Prozent der Aussage zu, Politiker würden ihre Sache nicht gut machen. 2022 waren es 64 Prozent.

Vertrauen ist die Basis moderner Gesellschaften. Der US-Politikwissenschafter Francis Fukuyama beschreibt, wie Aufrichtigkeit, Verlässlichkeit und Pflichtgefühl Gemeinsamkeiten entstehen lassen, die auch essenziell sind, um Neues zu schaffen. Der Mut für Anfänge, der Mut, komplexe Probleme anzugehen, erfordert Grundvertrauen in eine bessere Zukunft. Der deutsche Philosoph Rüdiger Safranski sieht solches Weltvertrauen als "Brücke über einen Abgrund, die erst wächst, wenn man sie begeht".

Nur ein Drittel der Österreicherinnen und Österreicher denkt, dass das politische System gut funktioniert, und vertraut Bundesregierung und Parlament.
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Oft meint man, Vertrauen sei kulturell bedingt. Die Frage, ob den meisten Menschen vertraut werden könne, bejahen in reichen Ländern wie Dänemark, Finnland und den Niederlanden bis zu 60 Prozent der Bevölkerung; in Brasilien, den Philippinen und der Türkei sind es nicht einmal zehn Prozent. Obwohl naheliegt, dass Vertrauen in erster Linie durch gesellschaftliche Faktoren wie durch die Lebenskraft bürgergesellschaftlicher Vereinigungen geschaffen werde, meint der Schweizer Politologe Markus Freitag, dass die Ursprünge des Vertrauens in viel höherem Maße in der Wirkungsweise politischer Institutionen zu suchen seien. Wenn Politik und Justiz Vertragssicherheit nicht garantieren oder Diskriminierungen und Privilegen nicht ausschließen, entwickelt sich daraus Misstrauen.

Dilemma

Einige österreichische Politiker fahren seit Jahren für die eigene Tasche, für ihre Partei und zum Machterhalt das bestehende Vertrauen in "die Politik" in den Keller. Das hat reale Kosten. Je weniger Vertrauen, desto schwieriger ist es, gute Politik zu machen, und je erfolgloser Politik ist, desto weniger Vertrauen gibt es in sie. In jeder Organisation, in jedem Unternehmen und für die Gesellschaft belegt Misstrauen alles Handeln mit einer Art Steuer – Zögern, Intrige, Absicherung, Korruption –, die in solchen mit einem hohen Maß an sozialem Vertrauen entfällt. Auch in dieser Beziehung ist Österreich mittlerweile ein Hochsteuerland.

Vertrauen wird langsam gewonnen und schnell verspielt: das Dilemma der österreichischen Politik. Oberhand haben Taktiker, die meinen, langfristig zu gewinnen, wenn sie kurzfristig andere übertölpeln. Man sucht Privilegien – zum Beispiel Jobs unabhängig von Leistung oder Fähigkeit – und versucht andere, selbst Parteifreunde oder auch den Koalitionspartner, übers Ohr zu hauen. Sogar Themen von fundamentaler Bedeutung wie die nationale Sicherheit werden zu politischem Kleingeld geschreddert, wenn es einen Vorteil in Meinungsumfragen verspricht.

Misstrauen ist ein Tumor, den nur die Politik selbst überwinden kann. Dazu braucht es Führungspersonal in allen Parteien, das Fähigkeit über Nibelungentreue stellt und integrativ sein kann. Und es braucht machtteilende und deliberative – also nicht im Hinterzimmer oder in privaten Chats abgewickelte – institutionelle Prozesse, die das allgemeine Vertrauen wieder stärken. (Veit Dengler, 24.4.2023)