Schnake an der Wand: sechs Beine, ein Insekt. Hier sind auch die seitlichen Schwingkölbchen hinter den Flügeln zu erkennen. (Belichtungszeit 1/200 Sek., Blende f8, Lichtempfindlichkeit ISO 500, Brennweite 105 mm Makro, Blitz)

Foto: Michael Simoner

Beim Gehen gibt es drei Varianten: Spazieren (im Park), rennen (dem Bus hinterher) und stolpern (durchs Leben). Warum Tiere, die sechs oder mehr Beine haben, nie stolpern, ist mir ein Rätsel. Vor allem wenn es Tiere mit richtig langen Haxen sind. Viele davon sind jetzt wieder im Garten unterwegs und kommen uns manchmal im Wohnzimmer besuchen.

Darunter sind zum Beispiel Schnaken aus der Tipulidae-Familie, zu denen wir als Kinder fälschlicherweise immer Eintagsfliegen gesagt haben. Weiße Wände scheinen für diese Riesenmücken sehr anziehend zu sein. Oft sitzen sie mit ausgestreckten, überlangen Beinen stundelang da, und wenn man ihnen zu nahe kommt, irrlichtern sie an der Wand und am Plafond umher. Wie viele Insekten folgen sie dem Licht – leider auch dem künstlichen.

Schwingkölbchen zur Stabilisierung

Aber wenn sie schon einmal da sind, kann man sie ja behutsam unter die Lupe nehmen. Die sechs schlaksigen Beine tragen einen schlanken Körper, seitlich sitzen vergleichsweise kleine Flügel, die in der Ruhestellung schräg nach hinten zeigen. Wie bei allen Zweiflüglern ist das hintere Flügelpaar zu Schwingkölbchen (Halteren) umgebildet. Die sehen aus wie kleine Xylofonschlegel und dienen der Orientierung und Stabilisierung.

Schnaken stechen nicht

Die langen Mundwerkzeuge sind von der Seite gut erkennbar, aber wir müssen uns nicht fürchten. Schnaken haben keinen Stechsauger und ernähren sich nicht von Blut, sondern von Wasser und Nektar. Hier geht es also nicht um Stechmücken oder Gelsen, auch wenn diese in manchen Regionen Schnaken genannt werden.

Verwechslung mit Weberknecht

Auch der Weberknecht (Opiliones) und die Schnake werden gern verwechselt. Er ist aber kein Insekt, sondern ein Spinnentier, hat also acht lange Beine, die den eher plumpen Körper über jede Unebenheit heben. Zur Beruhigung gegen aufkeimende Spinnenangst sei gesagt, dass der Weberknecht weder Spinn- noch Giftdrüsen hat. Und wenn das nicht hilft: stellen Sie sich einen Weberknecht mit Rollschuhen vor, dem die Beine durcheinanderkommen – so hat schon Ron Weasley seine Arachnophobie besiegt.

Tausende Arten

Auffällig sind, wenn man genau hinschaut, die beiden winzigen Augen des Weberknechts. Sie sitzen auf einem Augenhügel und ermöglichen eine Rundumsicht. Wollten wir ihnen beim Aufspüren ihrer Futtertiere helfen, bräuchten wir ein Mikroskop.

Sowohl von Schnaken als auch von Weberknechten gibt es weltweit tausende Arten, bei uns jeweils um die 130. Da gibt es also noch viel zu entdecken! (Michael Simoner, 26.4.2023)

Die Riesenmücke hat zwar auch ein großes Mundwerk, stechen oder beißen kann sie uns damit aber nicht. (Belichtungszeit 1/200 Sek., Blende f8, Lichtempfindlichkeit ISO 400, Brennweite 105 mm Makro, Blitz)
Foto: Michael Simoner
Eine Wiesenschnake. Gar nicht so einfach, mit derart langen Beinen durchs Gras zu hirschen. (1/250Sek., f5.6, ISO 320, 40 mm Makro am 1-Zoll-Sensor entspricht Bildwirkung v. 108 mm umgerechnet aufs Kleinbildformat)
Foto: Michael Simoner
Auf glattem Untergrund kommt die Wiesenschnake schneller voran. (1/250 Sek., f8, ISO 450, 60 mm Makro, Blitz)
Foto: Michael Simoner
Weberknecht von oben: 1, 2, 3, 4, 5, 6, 7, 8 – so viele Beine haben nur Spinnentiere. (1/60 Sek., f3.3, ISO 125, 40 mm Makro am APS-C-Sensor entspricht Bildwirkung v. 60 mm umgerechnet aufs Kleinbildformat)
Foto: Michael Simoner
Weberknecht von der Seite. Kam so etwas nicht in irgendeinem Science-Fiction-Film vor? (1/60 Sek., f3.3, ISO 320, 40 mm Makro, APS-C)
Foto: Michael Simoner