Was sich Familien mit einem monatlichen Gehalt früher leisten konnten, geht sich heute nicht einmal mehr aus, wenn beide Vollzeit arbeiten. Das liegt an seit der Finanzkrise stark gestiegenen Preisen, aber auch an fehlenden oder den falschen politischen Maßnahmen – und einem Run aufs Betongold.

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1. Hohe Grundstückspreise und Hortung von Bauland

Jeden Tag werden in Österreich etwa zehn Hektar Boden verbraucht – auch wenn Bund und Länder versuchen, mit Anreizen für Flächenrecycling zaghaft gegenzulenken. Es wird außerdem schon weniger umgewidmet als früher, was aber das Problem mit sich bringt, dass die vorhandenen Baugrundstücke immer teurer werden.

In ganz Österreich gibt es zwar noch unzählige Baulandreserven, die allerdings nicht verfügbar sind. Menschen wollen ein schon als Bauland gewidmetes Grundstück nicht her geben, weil sie etwa nicht wollen, dass ihr Nachbargrundstück verbaut wird, oder weil sie es für Kinder oder Enkelkinder aufheben wollen – oft jahrzehntelang. Gemeinden stehen daher oft vor dem absurden Problem, dass sie kein verfügbares Bauland haben, obwohl es viel bereits gewidmetes Bauland gibt.

Mancherorts wird der Baulandhortung nun der Kampf angesagt, zum Verkauf zwingen kann man Liegenschaftseigentümerinnen aber nicht, dafür fehlen verfassungsrechtlich abgesicherte Instrumentarien. Selbst einige Vertreter der gewerblichen Immobilienwirtschaft wären hier durchaus für härtere Maßnahmen, von den Gemeinnützigen ganz zu schweigen. Denn allesamt jammern sie über hohe Bodenpreise, vor allem in den Ballungsräumen. Laut Entwurf der aktuellen Bodenstrategie soll bei zukünftigen Widmungen die Hortung von Bauland "weitgehend ausgeschlossen" werden, etwa durch Befristungen. Wird Bauland dann nicht in einem bestimmten Zeitraum verbaut, drohen Strafzahlungen.

2. Baukosten

Mit Lieferschwierigkeiten wegen der Pandemie und wegen des 2021 im Suez-Kanal feststeckenden Containerschiffs Ever Given fing es an, der Ukrainekrieg ließ die Materialpreise 2022 dann völlig entgleiten. Monatelang bekamen Bauträger im Vorjahr keine Fixpreise für ihre Projekte, dadurch wurden zahlreiche Bauvorhaben verschoben. Mittlerweile bessert sich die Lage, jetzt kommen aber Steigerungen bei den Löhnen am Bau, die sich im Mai mit mehr als neun Prozent zu Buche schlagen. Fazit: keine Entspannung in Sicht.

3. Wohnen als Investment

Noch vor einigen Jahren haben in Wien die gemeinnützigen Wohnbaugenossenschaften die meisten Wohnungen gebaut. Mittlerweile produzieren mehr gewerbliche Bauträger Wohnungen, weil sich damit gutes Geld verdienen lässt. Sie sind aktuell in Wien, wenn man alle Wohnprojekte von Bauträgern ab einer Größe von fünf Wohneinheiten betrachtet, für fast zwei Drittel des Wohnbaus verantwortlich, in ganz Österreich sind es 56 Prozent. In allen Bundesländern außer in Niederösterreich und dem Burgenland haben die gewerblichen Bauträger derzeit die Oberhand. Sie errichten überwiegend Eigentumswohnungen, darunter auch viele, die von Anlegerinnen und Anlegern gekauft werden. Sie dienen also Menschen in erster Linie als Investition und decken erst in zweiter Linie den Wohnbedarf.

4. Leerstand

Der Leerstand ist ein recht diffuses Problem am Wohnungsmarkt: Genaue Zahlen dazu fehlen nämlich – mit Ausnahmen wie Innsbruck, wo seit längerem an einer Erhebung gearbeitet wird. Das liegt daran, dass Leerstand schwer zu definieren ist – nicht jede Wohnung, in der niemand gemeldet ist, ist unbewohnt, und nicht jede Wohnung, in der nur wenig Energie verbraucht wird, steht leer. Eine Leerstandserhebung ist viel Aufwand.

Aber nicht nur daran scheitert die oftmals geforderte Besteuerung von Leerstand: Für eine bundesweite Leerstandsabgabe bräuchte es eine Verfassungsänderung. Weil diese nicht absehbar ist, fahren Länder wie die Steiermark und Tirol einen eigenen Kurs. Sie dürfen aber nur relativ geringe Beträge von wenigen Euro pro Quadratmeter und Jahr einheben, die Eigentümerinnen und Eigentümer vermutlich nicht davon überzeugen werden, ihre Wohnungen zu vermieten.

Wie viele Wohneinheiten in Österreich dauerhaft ungenutzt sind, ist schwer zu sagen. Eine längst veraltete Erhebung in Wien ging vor fast zehn Jahren von 10.000 dauerhaft leerstehenden Wohnungen aus, was 2,5 Prozent der Wohnungen bedeuten würde. In Innsbruck wird seit ein paar Jahren der Leerstand akribisch erhoben, hier liegt die Quote bisher schon bei neun Prozent.

5. Ferienwohnsitze

Ferienhäuser und -wohnungen treiben die Grund- und Wohnkosten in die Höhe. In vielen Regionen Österreichs stehen Wohnungen oder Häuser unter der Woche leer – und das, obwohl in diesen Regionen gleichzeitig viele Menschen dringend auf Wohnungssuche sind. In Salzburg hat daher beispielsweise der Landtag 2021 mit einer Raumordnungsnovelle die Widmung von Zweitwohnsitzen eingeschränkt. Wohneinheiten für Zweitwohnsitzer dürfen nur mehr dann gewidmet werden, wenn in der Gemeinde dadurch der leistbare Wohnraum nicht eingeschränkt wird. In anderen Bundesländern ist immer wieder auch eine Abgabe im Gespräch, die Zweitwohnsitzern auferlegt werden könnte.

6. Zu wenig Wohnbauförderung

Seit 2008 gibt es keine Zweckbindung der Wohnbaufördermittel mehr. Bundesländer müssen die Gelder aus diesem Topf also nicht mehr für die Schaffung und Sanierung von Wohnraum verwenden – und tun das oft auch nicht mehr. In Salzburg kamen in den letzten zehn Jahren von insgesamt 2,8 Milliarden Euro an Mitteln nur 1,6 Milliarden im Wohnbau an: So lautet der Vorwurf der Kommunisten, die für eine Wiedereinführung der Zweckwidmung sind – und damit eine überraschende Gemeinsamkeit mit der ÖVP haben.

Denn Bundeskanzler Karl Nehammer hat in seiner Kanzlerrede vor eineinhalb Monaten eine Wiedereinführung der Zweckbindung angekündigt. Gemeinnützige Wohnbauträger trommeln dafür schon lange, weil dadurch wieder mehr Mittel in den geförderten Wohnbau fließen würden. Insgesamt fordern die Gemeinnützigen, die Wohnbauförderung deutlich zu erhöhen, nämlich auf ein Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Derzeit sind es rund 0,4 Prozent.

7. Fokus auf das Einfamilienhaus

Das Einfamilienhaus gilt in weiten Teilen des Landes als das Nonplusultra aller Wohnformen. Es ist aber vor allem auch eine besonders teure Wohnform, weil es viel Platz benötigt. Ein Problem ist aber auch, dass in vielen ländlichen Gemeinden verdichtete und damit günstigere Alternativen zum Einfamilienhaus – Geschoßwohnungsbau zum Beispiel oder Atriumhäuser – fehlen, obwohl die Wohnqualität dort bei guter Planung annähernd so gut wie im Einfamilienhaus sein kann.

8. Es wird zu wenig gebaut

Bis ins Jahr 2080 wird Wien rund 2,5 Millionen Einwohner haben. Laut Prognosen wird das Immobilienangebot damit nicht mithalten können, spätestens ab 2025 wird es stark zurückgehen, sagen Expertinnen. Seit 2019 ist die Zahl der Baubewilligungen rückläufig. Nächstes Jahr werden in Wien 12.000 Wohneinheiten fertiggestellt, 2025 sollen es nur 7500 Einheiten sein. Zum Vergleich: Dieses und letztes Jahr waren es jeweils 16.000.

Viele Bauträger stehen derzeit bei der Planung und Errichtung von neuen Wohnprojekten auf der Bremse. Die Buwog hat etwa schon im Vorjahr angekündigt, aufgrund erhöhter Bau- und Finanzierungskosten, der verschärften Kreditvergaberichtlinien sowie aufgrund langsamer Widmungsverfahren die Baustarts ihrer für dieses Jahr geplanten Projekte nach hinten zu schieben. Ob im nächsten Jahr tatsächlich wieder gebaut wird, ist derzeit noch unklar.

9. Falsche Belegung

Alle in Österreich lebenden Menschen könnten in den schon bestehenden Einfamilienhäusern des Landes untergebracht werden. Doch leider wird der vorhandene Wohnraum nicht effizient genutzt. Häuser und Wohnungen stehen leer, oder ältere Menschen leben allein auf vielen, vielen Quadratmetern und haben mitunter auch Probleme, ihre großen Häuser und Wohnungen allein in Schuss zu halten.

Junge Familien hingegen suchen andererseits verzweifelt nach Wohnraum. Wohnungstauschbörsen gibt es in Österreich vereinzelt, etwa bei Gemeindebauten und Genossenschaften. Eine Tauschbörse im großen Stil gibt es bisher nicht. Das Problem: In älteren, großen Wohnungen ist die Miete oft günstiger als in neuen, kleineren.

10. Mietrecht

Das österreichische Mietrecht schützt Mieterinnen und Mieter relativ gut gegen Kündigungen, doch die erlaubten und immer öfter angewandten Befristungen hebeln diesen Kündigungsschutz sukzessive aus. Was die Preise betrifft, gibt es ohnehin nur in Altbauten und in gefördert errichteten Neubauten noch einen Deckel; jeder seit dem Zweiten Weltkrieg errichtete "Neubau" ist frei vermietbar, sofern keine Förderung floss.

Besonders absurd ist das, wenn man ein topsaniertes Gründerzeitzinshaus mit einem energetisch schlechten Bau aus den 1980er-Jahren vergleicht: Ersteres hat einen Preisdeckel (den Richtwert), Letzteres nicht. Diese Ungerechtigkeit wurde auch von der aktuellen Regierung bisher nicht angegangen, und es scheint nicht so, als würde das bis zum Ende der Legislaturperiode noch etwas werden. (Martin Putschögl, Bernadette Redl, Franziska Zoidl, 26.4.2023)