Elsbeerbäume gibt es rund um den 1302 gegründeten Bauernhof "Auf der Prinz" sonder Zahl, aber nur zwei alte Linden. Eine davon nutzt das hofeigene Pfauenmännchen Herbert gerne als Nachtquartier. Für Jakob Mayer sind die beiden mächtigen Bäume aber ebenfalls ein Lieblingsplatz –weil sie zur Hochzeit seiner Großeltern gepflanzt wurden. Wohl auch deshalb hat der Landwirt und Lebensmitteltechniker sein Herzensprojekt genau dazwischen gepflanzt: ein fesches und ökologisch durchdachtes Tiny House mit begrüntem Dach in Alleinlage, das im vergangenen Winter bezugsfertig wurde.

In Michelbach im Mostviertel steht seit vergangenem Winter ein Tiny House in Alleinlage.
Foto: Sascha Aumüller

Vier Generationen leben zusammen auf dem Hof im niederösterreichischen Michelbach, und jede bisherige hat der Landwirtschaft ihren unverkennbaren Stempel aufgedrückt. Die Elterngeneration verhalf etwa der Elsbeere, einer kleinen, eiförmigen und säuerlich braunen Frucht, zu größerer Bekanntheit. Seit 2020 zählt deren Veredelung sogar zum immateriellen Erbe der Unesco. Jakob Mayer wiederum nahm offensichtlich die "Beschwerde" vieler Wandernden ernst, die an dem Hof mit der herrlichen Aussicht vorbeikamen und beklagten, dass man hier nicht übernachten könne.

Eigenes Holz

Mit eigenen Hölzern aus dem Mischwald der Familie errichtete er ein kleines Chalet, das auch über eine kleine Küche und ein edles Bad verfügt. Vom Innenraum, der mit Möbeln aus dem sehr harten Elsbeerholz ausgestattet ist, geht der Blick durch zwei riesige Panoramafenster in die weiten Hügel des Mostviertels. Draußen vor der Tür kann man auf einer kleinen Terrasse oder noch besser in der blühenden Wiese sitzen und nichts als dem sanften Wind, einem hartnäckigen Buntspecht und von Zeit zu Zeit dem Schrei von Herbert, dem Pfau, lauschen.

Terrasse oder Wiese? Draußen hört man manchmal nur Pfau Herbert schreien.
Foto: Sascha Aumüller

"Ich möchte ganz sicher kein zweites Chalet danebenbauen", sagt Mayer, der sich der Exklusivität dieser Alleinlage für seine Gäste bewusst ist. In den wenigen Wochen seit der Eröffnung hatte er bereits 60 Nächtigungen zu verzeichnen, wobei er sich allein um die Reinigung und Wartung des Häuschens kümmert. Vor allem Ausflügler aus Wien, die nur eine Autostunde zu ihm fahren, aber ebenso Gäste von weiter weg, hätten die Ruhe und den Komfort bereits schätzen gelernt. Zu den typischen Kunden gehört auch eine neue Sorte von Campern, die sich selbst vielleicht gar nicht als solche sehen. Sie können das fesche Häuschen unter anderem über die deutsche Plattform Hinterland.camp finden.

Camper, die nicht so heißen wollen

Hinterland fungiert als Schnittstelle zwischen Menschen, die einen freien Platz für ein Zelt, ein Wohnmobil oder auch ein Häuschen anzubieten haben und solchen, die genau das suchen. Die Hamburger Gründer der Plattform gehören selbst zu einer Spezies von Campern, die zwar das naturnahe Herumtingeln lieben, aber große Campingplätze verachten. "Mein Companion ist Surfer und fährt in seinem Bulli immer der perfekten Welle nach. Nie würde er von sich behaupten, er sei ein Camper", sagt Co-Gründer Marcus Oltmanns. Aus diesem Grund existieren in ganz Europa bereits mehrere Systeme, um Privatleute mit Stellplätzen und Individualisten zusammenzubringen und dadurch letztlich auch eine Alternative zum Wildcampen anzubieten, wo dies verboten ist.

Komfortabel kommerzialisiert

Bestehende Plattformen wie das österreichische Bauernleben oder Schau aufs Land verlangen eine Jahresgebühr, die Stellplätze sind aber grundsätzlich kostenlos. Man meldet sich einfach vorher beim Stellplatzanbieter, fragt ob der Platz frei ist, kauft als Gegenleistung zum Beispiel einige Produkte ab Hof, und der Aufenthalt bleibt meist auf eine Nacht beschränkt. Hinterland dagegen hat dieses Model kommerzialisiert und technologisch auf einen komfortablen Stand gebracht haben. So können Interessierte auch für mehrere Nächte über eine Kalenderansicht buchen und sich bei Fragen oder Schwierigkeiten direkt an Hinterland wenden. Den Preis pro Nacht – er beginnt bei rund fünf Euro – kann der Vermieter selbst festlegen, Hinterland kassiert eine kleine Kommission. Bereits 500 Buchungen pro Woche verzeichnet die Plattform, mit der man Deutschland mehr oder weniger lückenlos campend bereisen kann, in fast allen europäischen Ländern kommen selbst in entlegenen Regionen laufend Plätze dazu. Ein weiteres lokales Beispiel: Dorfstetten im Waldviertel.

Der Bauern- und Pferdehof von Daniela und Daniel Baumgartner liegt auf fast 800 Meter gut versteckt im Waldviertel.
Foto: Sascha Aumüller

Die Rocky Sunshine Ranch ist ein einsames Fleckchen Erde und gut 30 Kilometer nördlich von Ybbs an der Donau. 2019 haben Daniela und Daniel Baumgartner den Bio-Bauernhof 2019 von seinen Eltern übernommen und zu einer relaxten Ranch für Pferdeliebhaber umgemodelt, angeboten werden Reitpädagogik und Kutschenfahrten. Aber woher rührt der vielversprechende Name? "Wir hören gerne Rock-Musik und meistens scheint bei uns die Sonne", lautet die simple Erklärung von Daniela Baumgartner. Da hätte man auch selbst draufkommen können an einem sonnigen Mai-Tag, schließlich prangt ein großes Logo mit dem Heavy-Metal-Gruß – ausgestreckter Zeigefinger und kleiner Finger – vom Schuppen des Hofes.

Zelt mit Toilette

Während das edle Chalet im Mostviertel preislich eher in Richtung Glamping (also "Glamorous Camping") geht, kann man hier im Waldviertel auf 800 Meter Seehöhe am Ende eines Hügels bereits um wenige Euro auch im eigenen Zelt nächtigen. "Wir wollten, dass das bei uns möglich ist, weil wir selbst immer wieder auf Rockfestivals unsere Zelte aufschlagen", sagt Daniela Baumgartner, die hier mit ihrem Mann drei Kinder großzieht und gerade eine der Töchter zur Erstkommunion geleitet hat. Zudem besitzt die Familie seit einiger Zeit einen geräumigen Wohnwagen, mit dem sie immer dann unterwegs ist, wenn es der anstrengende Arbeitsalltag auf uns jenseits des Hofes erlaubt. Garantie für Exklusivität wird hier im Gegensatz zum Elsbeerbauern aber keine gegeben. Auch zwei Familien aus der Umgebung von Linz nutzen an diesem Wochenende die Gunst der ersten lauen Abende und kommen mit ihren selbst ausgebauten Bullis. Dafür verfügt die rockige Ranch über ein Ausstattungsmerkmal, das für private Stellplätze noch überraschend selten ist: eine eigene Toilette. Für Menschen, die im Zelt übernachten, ist diese unerlässlich.

Zelten wie auf einem Festival auf der Rocky Sunshine Ranch.
Foto: Sascha Aumüller

Marcus Oltmanns von Hinterland glaubt, dass die Schaffung solcher Infrastrukturen letztlich ein positiver Nebeneffekt der Kommerzialisierung privater Stellplätze ist. Wer auf einmal Gebühren für einen Platz verlangt, den er zuvor kostenlos angeboten hat, fühlt sich unter Umständen auch zur Schaffung besserer Ausstattung verpflichtet. Tatsächlich ist ein längerer Urlaub, bei dem man mehrere Tage von Hof zu Hof zieht, derzeit nur dann ein machbares Unterfangen, wenn man über ein Campingfahrzeug mit eigener Nasszelle verfügt. Wer bloß mit Auto und Zelt unterwegs ist, wird schon nach wenigen Tagen nach einer Dusche schreien oder zwischendurch auf Chalets oder eben doch wieder auf schnöde Campingplätze mit entsprechender Infrastruktur umsteigen müssen.

"Wir haben das Wildcampen gezähmt" benutzt Hinterland für sich als Claim. Das könnte in doppelter Hinsicht stimmen. So ist zum einen fraglich, wie lange vergleichbare Angebote noch in der eher wildwüchsigen und weitgehend kostenlosen (bis auf die Jahresgebühr) Community-Version existieren werden. Zum anderen ist Campen ohne Campingplatz durch die Professionalisierung des Angebots wohl gerade wieder ein Stück weit machbarer geworden. (Sascha Aumüller, 19.5.2023)