In der ÖH-Wahlzentrale herrschte am Donnerstag Erleichterung über die Wahlbeteiligung.

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Wien – Schon während der Abstimmung stand die Wahl der Österreichischen Hochschülerschaft (ÖH) unter keinem guten Stern: Mehrere Stunden lang konnten Studierende am Dienstag wegen Systemausfällen nicht ihre Stimme abgeben.

Nun ist die Wahl geschlagen und um eine Panne reicher, denn: Bis nach Mitternacht in der Nacht auf Freitag gab es vorerst kein bundesweites Ergebnis. Erneut stellte sich die Technik quer. Diesmal streikte das elektronische Wahlsystem, das Probleme mit der Übertragung der entsprechenden Daten hatte.

Noch ist unklar, wann das bundesweite Ergebnis vorliegen wird. Am Freitagvormittag sagte ein ÖH-Sprecher zum STANDARD, dass sich die ÖH derzeit keine Prognose zutraue, wann es so weit sein wird. Derzeit rufe man bei allen lokalen Wahlkommissionen durch, damit diese ihre Ergebnisse nochmals – beziehungsweise in anderer Weise – in das elektronische System einspielen. Unklar ist, wie gut die einzelnen Wahlkommissionen heute erreichbar sind, denn eigentlich war heute für die Beteiligten ja kein diesbezüglicher Termin vorgesehen.

Probleme bei Verarbeitung der Daten

Das Auszählen an sich dürfte nicht das große Problem gewesen – einige Hochschulen, von denen es noch keine Ergebnisse gibt, waren damit schon am Donnerstagabend fertig. Doch das Einpflegen der lokalen Daten in das zentrale elektronische Wahlsystem klappte vielerorts nicht. Dieses Jahr hat erstmals nicht das Bundesrechenzentrum die technische Abwicklung des Systems übernommen, stattdessen kam die externe Firma Brainformance zum Zug. Da drei Ebenen auf einmal gewählt werden und die Wahlen der Ebenen unterschiedlichen Modi folgen, gilt die Abwicklung als komplex. Dass es am Wahlabend keine Gesamtergebnis gab, ist allerdings kein völliges Novum, das war schon 2009 einmal der Fall.

ÖVP-Marchetti kritisiert ÖH

Nico Marchetti von der Jungen Volkspartei – er ist auch ÖVP-Studentensprecher im Nationalrat – übte am Freitagnachmittag via Aussendung heftige Kritik an der ÖH-Bundesvertretung. Die Auslagerung zu einer privaten Firma sei eine "glatte Fehlentscheidung" gewesen, schreibt Marchetti. Allerdings war es die ÖVP-nahe Aktionsgemeinschaft selbst, die innerhalb der bundesweiten ÖH-Wahlkommission für die Auslagerung gestimmt hatte – genauso wie Gras und VSStÖ. Einzige Gegenstimme war der erfahrene Wahlkommissionsleiter Bernhard Varga, dem die Umstellung zu schnell ging.

Auf Nachfrage des STANDARD relativiert ein Sprecher der Jungen Volkspartei: Man könne noch nicht beurteilen, ob die Auslagerung per se ein Fehler war. Die Aussendung Marchettis dürfe man auch nicht so verstehen, dass die ÖVP dafür sei, künftig wieder das Bundesrechenzentrum zu nehmen. Erst brauche es einmal "lückenlose Aufklärung".

Große Hochschulen fehlen

Bis kurz vor Mitternacht war zwar eine knappe Mehrheit der Hochschulen bereits ausgezählt, doch Stand Freitagvormittag fehlen noch immer die Wahlergebnisse der größten Hochschulen – darunter die Universität Wien, die Wirtschaftsuni Wien, die Uni Innsbruck und die Uni Graz. Auch zahlreiche Fachhochschulen scheinen noch nicht in den Ergebnissen auf.

Erste Hochschulergebnisse zeigen aber Tendenzen, die aber mit Vorsicht zu betrachten sind, da eben die größten Unis nicht enthalten sind. Platz eins dürfte demnach der VSStÖ (Verband Sozialistischer Studentinnen) belegen. Unsicher ist, ob die Gras (Grüne und Alternative Studenten) wie bei der letzten Wahl Platz zwei erreicht, da die Grünen nach ersten Ergebnissen tendenziell verlieren. Die Liste "Who the F*ck is Herbert?" könnte den Einzug in das Studierendenparlament schaffen, auf der Militärakademie in Wiener Neustadt holte sie sogar den ersten Platz und verdrängte damit den RFS.

Die interessantesten Detailergebnisse inklusive Balkengrafiken können im Live-Ticker nachgesehen werden.

Anstieg bei Wahlbeteiligung

Fest steht allerdings schon die Wahlbeteiligung: 21,2 Prozent der rund 346.000 Wahlberechtigten an Unis, Fachhochschulen und Pädagogischen Hochschulen haben teilgenommen. Das ist deutlich mehr als beim letzten Urnengang 2021 (16 Prozent), aber deutlich weniger als in den Jahren davor mit je rund 25 Prozent.

In der ÖH-Wahlzentrale herrschte am Donnerstagabend Erleichterung über den Anstieg der Beteiligung. Das Plus von fünf Prozentpunkten sei "unglaublich erfreulich", so ÖH-Chefin Keya Baier (Gras). "Das ist eine absolute Trendwende." Auch Bildungsminister Martin Polaschek (ÖVP) freute sich über das Überspringen der 20-Prozent-Marke. "Der Trend geht eindeutig nach oben." Für ihn sei das ein Zeichen, dass die Studierenden erkannt hätten, welche Arbeit die Studienrichtungs- und Universitätsvertretungen, die er aus seinen 16 Jahren als Vizerektor der Uni Graz gut kenne, sowie die Bundesvertretung leisten.

ÖH-Vizechefin Sara Velić (VSStÖ) war etwas kritischer. Die Beteiligung sei natürlich "alles andere als ideal". Trotzdem könne man sich durchaus auf die Schulter klopfen. Für Grünen-Wissenschaftssprecherin Eva Blimlinger ist das leichte Plus auch kein Grund, zufrieden zu sein. "Aber besser, es geht ein bisschen aufwärts, als es gibt Stagnation."

Neun Fraktionen

Bundesweit kämpften neun Fraktionen um die 55 Mandate in der ÖH-Bundesvertretung, dem österreichweiten Studentenparlament. Dort verfügt der VSStÖ über 14 Mandate, die Gras und die ÖVP-nahe Aktionsgemeinschaft (AG) über je zwölf. Die Jungen Liberalen Studierenden (Junos) halten sechs Mandate, auf die gleiche Anzahl kommen die Fachschaftslisten (FLÖ).

Zwei konkurrierende Kommunistische Studierendenverbände (KSV LiLi beziehungsweise KSV Kommunistische Jugend / KJÖ) haben je zwei Mandate, über den letzten Sitz verfügt der Ring Freiheitlicher Studenten (RFS). Neben diesen acht Fraktionen steht auch noch die neue Liste "Who the F*uck is Herbert" bundesweit auf dem Stimmzettel. Die ÖH-Spitze bilden eine Koalition aus VSStÖ, Gras und FLÖ. (Max Stepan, Theo Anders, APA, 12.5.2023)