Eine Hand hält eine andere Hand mit Verband.
Die Bewältigung des steigenden Pflegebedarfs ist eine der größten Herausforderungen, denen Österreich künftig gegenübersteht.
APA / Hans Klaus Techt

Eine steigende Lebenserwartung der Menschen und der zugleich wachsende Mangel an Fachkräften im Pflegebereich lassen die Frage nach der Zukunft der Pflege immer dringlicher werden. Ein Teil der Lösung wird sicherlich in einer kontinuierlichen Optimierung des als komplexes System verstandenen Gesundheitswesens bestehen.

Die Digitalisierung bietet dafür ideale Voraussetzungen, schöpft ihr Potenzial bisher aber noch nicht aus, findet Elisabeth Haslinger-Baumann, Vizerektorin für Forschung und Entwicklung der FH Campus Wien. "Gesundheitsversorgung rein medizinisch zu denken, ist viel zu kurz gedacht", meint Haslinger-Baumann. "Gesundheitsversorgung beinhaltet viele Professionen, von denen die Medizin ein wesentlicher, aber kleinerer Teil ist. Den Großteil übernehmen Pflegeberufe, therapeutische Berufe, soziale Arbeit." Als Leiterin des von der österreichischen Forschungsförderungsgesellschaft (FFG) geförderten Leitprojektes "LinkedCare" arbeitet Haslinger-Baumann gemeinsam mit einem umfangreichen Konsortium an der Erstellung einer digitalen Plattform. Diese soll als eine Art digitale Vermittlerin fungieren und die Kommunikation sowie den Datenaustausch zwischen den IT-Systemen der verschiedenen Gesundheitsprofessionen verbessern beziehungsweise in manchen Fällen auch erstmals ermöglichen. Das mit rund vier Millionen Euro budgetierte Projekt, das auch vom Klimaministerium gefördert wird, startete 2021 und wird bis zum Herbst 2025 laufen.

Verknüpftes System

Der Schwerpunkt des Projekts liegt auf der extramuralen Pflege, also dem Bereich, der nicht von Krankenhäusern abgedeckt wird. Insbesondere will man eine Optimierung speziell der mobilen Pflege und Betreuung erreichen. "Bisher ist es oft noch so, dass Pflegepersonen aus den Hauskrankenpflegeorganisationen mit erheblichem Aufwand die nötigen Informationen und Befunde zusammentragen müssen, durch Telefonate oder E-Mails", sagt Haslinger-Baumann. Mit "LinkedCare" soll das anders werden. Ein praktisches Anwendungsszenario sähe etwa wie folgt aus: Einem Patienten wird im Krankenhaus ein Medikament verschrieben. Die niedergelassene Ärztin des Patienten erhält diese Information auf ihrem Softwaresystem, auf dem sie die Vergabe freigeben oder auch verändern kann. Diese Info geht weiter an das System der Apotheke, wo das Medikament bereitgestellt wird. Die Heimpflege des Patienten wiederum sieht in ihrer Software, dass ein Medikament abzuholen ist, und kann das direkt bei der Apotheke tun.

Viele Gesundheitsberufe sind bereits weitgehend digitalisiert. So haben die Apotheken ihre IT-Systeme, die niedergelassenen Ärztinnen und Ärzte, die Krankenhäuser und so weiter. Allerdings lasse die Durchgängigkeit zwischen diesen Systemen oft noch zu wünschen übrig, so der Ausgangsbefund des Projekts "LinkedCare". Die neue Schnittstelle soll bestehende Systeme verbinden, nicht ersetzen. Auch eine Anbindung der elektronischen Gesundheitsakte Elga ist geplant. Damit die Plattform auch in der Praxis von den beteiligten Interessengruppen angenommen wird, bilden die beteiligten Projektpartner ein thematisch sehr breites Konsortium. So sind unter anderem Anbieter von Medizinsoftware, von Apothekensoftware sowie von Pflege- und Betreuungssoftware dabei.

Ethik und Recht einbinden

Als Vertreter der künftigen Anwender sind die Johanniter, die Volkshilfe Wien und Oberösterreich, das Rote Kreuz und die Akademie für Altersforschung am Haus der Barmherzigkeit dabei. Das Institut für Ethik und Recht der Universität Wien ist für den prüfenden Blick auf ethische und juristische Fallstricke zuständig. Denn die größte Herausforderung ist nicht die technische Umsetzung, sondern die Definition der verschiedenen Zugriffsberechtigungen. "Es geht ja um Daten von Patientinnen und Patienten, mit denen sehr sorgsam umgegangen werden muss", sagt Haslinger-Baumann. "Es sollen nur diejenigen Zugriff haben, die ihn auch brauchen, um die Versorgung der Patientinnen und Patienten sicherzustellen."

Vor diesem Hintergrund wurde eine Matrix aus Berechtigungen erstellt, anhand derer festgelegt ist, welche Berufsgruppe auf welche Arten von Befunden Zugriff hat und welche Lese- und Schreibrechte es für wen gibt."Das ist ein komplexes Themenfeld, das sich über verschiedene Berufsgesetze verteilt", erklärt die Projektleiterin. "Man muss die Prozesse sehr genau kennen, um zu wissen, welchen Bedarf es gibt und was ethisch und rechtlich möglich ist. Das lässt sich nicht auf rein technischer Ebene lösen."

So wird es zum Beispiel im Allgemeinen nicht nötig sein, dass eine Physiotherapeutin Einsicht in die psychische Krankengeschichte ihres Klienten hat. Die meisten Rechte haben Medizinerinnen und Mediziner. Auf der obersten Stufe der Berechtigungshierarchie steht dennoch der Patient oder die Patientin, um deren Daten es geht, betont Haslinger-Baumann. (Raimund Lang, 4.6.2023)