Das Café Westend beim Wiener Westbahnhof hat wieder geöffnet – die Kunde verbreitete sich in den vergangenen Tagen rasch. War das Traditionscafé doch mit 30. Juni 2022 geschlossen worden, samt medialem Wehklagen vom Sterben der Wiener Kaffeehäuser. Der damalige Betreiber, Hans Diglas junior, hatte das Café erst 2018 einer Renovierung unterzogen, doch Corona und die hohe Monatsmiete führten zu Verlusten, die man nicht mehr tragen konnte und wollte.

Das Westend ist wieder offen, die Außenvitrinen sind noch leer.
Petra Eder

Nun sind die Türen wieder geöffnet. Dass auch der Betrieb – unter einem neuen Inhaber – wieder läuft, ist derzeit hauptsächlich an den kreidebeschrifteten Aufstellern vor dem Lokal zu erkennen. Die Vitrinen mit den Speisekarten an der Fassade sind nämlich noch leer. Am späten Nachmittag wird mit einem Krügerl Bier zum Kampfpreis von 2,80 Euro ins Café gelockt. Das dürfte für die wenigen Gäste, die am Pfingstmontag an einem Tisch sitzen, auch der Hauptgrund für den Besuch sein. Zwei Frauen und ein einzelner Mann nippen an Gläsern, die mit Spaten-Bier aus München gefüllt sind.

Im sonnendurchfluteten Raum ist es ziemlich warm – und das bei Außentemperaturen von nicht einmal 24 Grad. Aus den Lautsprechern dringt penetrantes Richard-Clayderman-Geklimper. Man wünschte, der Flügel würde live bespielt. Aber vielleicht wird das ja am Abend passieren, wenn sich das Kaffeehaus in eine Bar verwandelt. Die kleinen Kaffeehaustische zieren künstliche Rosen, als Vasen dienen kleine Saftkaraffen. Zwar sind die Blumenstöcke in den Fenstern echt, warum aber eine Ecke des Lokals mit Plastikphilodendren bestückt ist, erschließt sich nicht. Man hat sich hier alle Mühe gegeben, das Kaffeehaus aufzuputzen: Das grün gepolsterte Sitzmobiliar wurde mit goldenen Kordeln verschönert, die Regale sind mit Bücherbänden gefüllt – dafür lässt die Auswahl an Zeitungen zu wünschen übrig.

Das Lokal am Pfingstmontag.
Anne Feldkamp

Speisen mit Tradition

Wer Hunger hat, muss sich zunächst einmal auf den laminierten Speisekarten, die auf dem Tisch in kleinen Ständern platziert sind, zurechtfinden. Zunächst fällt das strenge Zeitregiment auf. Frühstück gibt es von acht bis elf – für Wiener Verhältnisse ist das doch einigermaßen kurz. Ab elf Uhr kann man aus der großen Karte wählen.
Der Punkt "Vorspeisen und Salate" fällt mit den drei Posten "Fitness Salat" (mit gegrillter Hühnerbrust, 13,90 Euro), Backhendlsalat und Ziegenkäsesalat ein wenig mager aus. Zum Glück gibt es ja noch Suppen (Erdäpfelsuppe, Gulaschsuppe und Rindsuppe). Für Vegetarier oder gar Veganer schaut es hier aber insgesamt mehr als mager aus. Selbst die Erdäpfelsuppe um 4,90 Euro wird mit "Pilzen, Speck und Rahm" verfeinert, entsprechende Kennzeichnungen fehlen auf der gesamten Karte.

Bei den Hauptspeisen sind Kaffeehausklassiker zu finden, von Schinkenfleckerl mit Salat (10,80 Euro) über das Original Wiener vom Kalb (23,90), Schnitzel von Huhn oder Schwein (13,90) bis zu Vegetarischem wie Käsespätzle (10,90) oder Cremespinat mit Erdäpfeln und Spiegelei (9,50).

Topfenknödel in Zwetschkenrösterbad.
Anne Feldkamp

Unter den hausgemachten Desserts wie Apfelstrudel oder Topfenknödel sticht dann noch "Mohr im Hemd" heraus. Und das in einem soeben neu eröffneten Café im Jahr 2023 – spätestens hier könnte man meinen, dass man einfach aus alten Speisekarten abgeschrieben und die Preise verändert hat.

Wer ab 15 Uhr Hunger verspürt, kann aus einer kleinen Karte wählen. Der servierte Käsetoast (4,30) birgt eine Überraschung: Selbst die Zubereitung und das Servieren von Toast sind offenbar eine Herausforderung: Die dünne Scheibe Käse ist nur zart geschmolzen, die zweite Toasthälfte vom Kondenswasser aufgeweicht. Die Sacherwürstel mit dickem Gulaschsaft werden enttäuschenderweise von Brot begleitet. Mit einem Semmerl hätte sich der Saft besser auftunken lassen, es war aber sowieso nicht viel zum Tunken da. Dafür war man bei den Topfenknödeln umso großzügiger, sie schwimmen im Zwetschkenröster.

Sacherwürstel ohne Saftbad.
Petra Eder

Am Nachbartisch sind neue Gästinnen eingetroffen. Der Wunsch nach einem alkoholfreien Bier wird von der freundlichen Kellnerin mit "Das ist aber leider warm" beantwortet, der große aufgespritzte Fruchtsaft der Begleitung ist im 0,33-Liter-Glas auch nicht das Erwartete. In einem zu höchstens einem Drittel gefüllten Lokal verwundert das doch einigermaßen.

Der Käsetoast im Westend – eine der Speisen, die ab 15 Uhr angeboten werden.
Petra Eder

Das Lokal befindet sich derzeit noch in einer Soft-Opening-Phase, das mag manches erklären und entschuldigen. Junges, urbanes Publikum – und ja, das gibt es auch unter Touristinnen und Touristen – wird man mit dem Speisenangebot kaum anlocken, vielleicht sind die ab 17 Uhr angebotenen Cocktails am späteren Abend dann bei gedimmtem Licht noch eher dazu geeignet. Beim Kaffee kann man zumindest Hafermilch statt Kuhmilch bestellen, das dürfte momentan aber schon das Einzige sein, was an "Neuem" angeboten wird. Man kann dem Betreiber, Yasha Afdasta – er ist auch Chef der Fashion-TV-Lounge am Salzgries – jedenfalls nur viel Glück wünschen. (Petra Eder, 30.5.2023)

Tischschmuck im wiedereröffneten Westend.
Anne Feldkamp