Große Aufregung über die Freudenfeiern in Österreich lebender Türken nach dem Wahlsieg des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan. Der ÖVP-Innenminister kündigte "Ermittlungen" an, und die FPÖ ortete "Versäumnisse bei der Integration". Am empörtesten über die Zustimmung für den illiberalen Machthaber Erdoğan waren ausgerechnet diejenigen, die sich ihrerseits den illiberalen Machthaber Viktor Orbán zum Vorbild gewählt hatten.

Es ist unbestritten, dass manche Migranten für ihre einheimischen Nachbarn ein Problem darstellen. Und es ist auch unbestritten, dass Österreich die Tatsache, dass es ein Einwanderungsland geworden ist, noch nicht wirklich zur Kenntnis genommen hat. Der Wiener ÖVP-Chef Karl Mahrer hat neulich darüber geklagt, dass – "leider, leider" – in vier Wiener Bezirken bereits mehr Menschen ausländischer Herkunft leben als Einheimische und dass auf dem Brunnenmarkt in Ottakring "die Araber die Macht übernommen haben".

Dauerthema Migration: Blick auf den Wiener Brunnenmarkt.
Christian Fischer

Was tun? Alle hinausschmeißen? Geht nicht. Das Einzige, was vielen Verantwortlichen zu dem Problem einfällt, ist offensichtlich, den Neulingen das Leben so schwer wie möglich zu machen. Endlose Asylverfahren. Endlose Bürokratie. Praktisch unüberwindbare Hürden beim Erwerb der österreichischen Staatsbürgerschaft. Ständige Unsicherheit und Angst vor dem Abgeschobenwerden. Jede Menge Stolpersteine beim Zugang zum Arbeitsmarkt. Dass qualifizierte Leute, die die Wirtschaft gut brauchen könnte, auf dem Schwarzmarkt Hilfsarbeiten machen, nimmt man dabei in Kauf. Jeder, der mit Migranten zu tun hat, kennt solche Geschichten.

"Muss eine Partei Wahlen verlieren, die das Thema Zuwanderung offen, realistisch und positiv angeht?"

Für die meisten Politiker scheint derzeit das Allerwichtigste zu sein, das leidige "Ausländerthema" nicht allein FPÖ-Chef Herbert Kickl und den Seinen zu überlassen. Man will nicht ganz so niederträchtig sein wie diese, aber doch keineswegs in den Verdacht geraten, in dieser Frage zu weich und zu nachgiebig zu agieren. Infolgedessen liegt der Fokus in der öffentlichen Diskussion fast ausschließlich auf Grenzschutz, Verhinderung von "Asyltourismus" und genauer Beobachtung von Radikalen und Gefährdern. Die hunderttausenden Zuwanderer, die weder das eine noch das andere sind, kommen kaum vor. Und dass ein Drittel der Wiener und ein Fünftel der österreichischen Wohnbevölkerung – vielfach in Österreich geboren und aufgewachsen – vom Wahlrecht und damit von der Teilnahme an unserer vielgerühmten liberalen Demokratie ausgeschlossen sind, nehmen wir hin.

Ist es wirklich wahr, dass eine Partei Wahlen verlieren muss, die das Thema Zuwanderung offen, realistisch und positiv angeht? Die sagt: Ja, in Österreich wohnen Menschen aus verschiedenen Kulturen. Damit müssen wir leben. Und damit es gelingt, müssen wir mehr tun als alles abwehren, das nicht eins zu eins in unser Weltbild passt. Hans Rauscher hat von der "Van-der-Bellen-Mehrheit" gesprochen. Das sind jene Wähler, die – quer durch die Parteien – das vorherrschende Hass- und Raunzklima mittlerweile gründlich satthaben. Sie sind immer noch die größte Gruppe im Lande. (Barbara Coudenhove-Kalergi, 31.5.2023)