Im Gastblog gibt die Elternratgeberin Barbara Buchegger Tipps zum Thema Sexualität im Internet.

Frage: In der Klasse meines neunjährigen Sohnes ist unlängst etwas sehr Unangenehmes passiert: Ein Bub hat seinen erigierten Penis fotografiert und das Bild in der Klassengruppe verschickt. Die Aufregung war groß, und alle sind auf ihn losgegangen – viele Kindern haben sich lustig gemacht, und die Eltern haben sich furchtbar aufgeregt. Für den Buben war das echt schlimm. Wie hätten wir da besser reagieren können?

Barbara: Gut, dass Sie sich Gedanken darüber machen, wie man mit so einer Situation besser umgehen kann! In letzter Zeit höre ich immer wieder ähnliche Geschichten, und es ist so wichtig, dass Erwachsene hier die Initiative ergreifen und schon mit Kindern im Volksschulalter über Sexualität, Nacktheit und den Körper sprechen.

Denn dass solche Dinge passieren, ist an sich nicht verwunderlich: Schließlich haben Kinder oft schon in der Volksschule ein eigenes Handy oder eine Smartwatch mit Fotofunktion, und damit machen sie zum Teil auch sehr intime Bilder. Immerhin ist das ein Alter, in dem sich die Hormone zunehmend bemerkbar machen und sich der Körper verändert. Das beobachten und spüren die Kinder – und um diese Veränderungen besser einordnen zu können, werden erste Erfahrungen mit der eigenen Sexualität manchmal auch mit anderen geteilt.

Wenn Kinder dann nicht rechtzeitig darüber aufgeklärt werden, dass Nacktfotos nichts im Internet verloren haben, fehlt ihnen natürlich das Bewusstsein, dass sie solche Bilder auch nicht per WhatsApp verschicken sollen. Da geht es zum einen um den Schutz der eigenen Intimsphäre, zum anderen aber auch um soziale Regeln und rechtliche Aspekte.

Kind verwendet ein Handy
Benutzt das eigene Kind ein Smartphone, sollte es gleich zu Beginn über den richtigen Umgang damit aufgeklärt werden.
Foto: Getty Images/iStockphoto

Soziale Regeln vermitteln

Wie in anderen Lebensbereichen müssen Kinder auch in puncto Sexualität erst lernen, welche Grenzen es gibt und was in unserer Gesellschaft akzeptiert wird. Dazu gehört etwa, dass wir unseren Kindern erklären, dass sie sich selbst befriedigen dürfen, aber nicht an jedem Ort und zu jeder Zeit – wie zum Beispiel am Geburtstagstisch bei Oma. Oder ihnen beizubringen, wann Nacktheit angemessen ist und wann nicht, und dass andere es vielleicht nicht mögen, wenn man ihnen unaufgefordert intime Fotos schickt.

Realistisches Körperbild fördern

Dass sich die Kinder bei dem von Ihnen geschilderten Vorfall über den Penis des Buben lustig gemacht haben, kann auch damit zusammenhängen, dass Kinder immer früher mit Pornografie in Kontakt kommen und diese als Informationsquelle nutzen. Und da schauen Penisse natürlich anders aus als bei einem neunjährigen Buben. Kinder können hier oft noch nicht zwischen inszenierter Pornografie und realer Sexualität unterscheiden – und genau hier gilt es, aufzuklären.

In der Klasse Ihres Sohnes wäre genau jetzt ein guter Zeitpunkt, mit den Kindern über das Aussehen der Geschlechtsorgane zu sprechen und ihnen ein realistisches Körperbild zu vermitteln. Das kann im Sachunterricht unter dem Motto "Mein Körper und ich" oder auch im Rahmen eines sexualpädagogischen Workshops passieren. Vielleicht gibt es auch die Möglichkeit, so eine Schulung für die Eltern anzubieten – denn die Aufklärung zu diesem Thema sollte natürlich auch in den Familien stattfinden.

Als Botschaft sollte den Kindern vermittelt werden, dass jeder Körper einzigartig und auf seine Weise schön ist – und dass das auch auf die einzelnen Körperteile wie zum Beispiel den Penis zutrifft. Thematisieren sollte man auch, dass Pornos nicht die Realität abbilden. Hier kann ein Vergleich mit Action- oder Fantasyfilmen hilfreich sein, in denen ebenfalls mit Schauspielern, Requisiten und technischen Tricks gearbeitet wird.

Folge 9: Frag Barbara! - Hilfe, mein Kind schaut Pornos!
saferinternetat

Rechtliche Konsequenzen aufzeigen

Ein Vorfall wie in der Klasse Ihres Sohnes kann aber auch rechtliche Konsequenzen haben: Denn das verschickte Penis-Bild kann als "kinderpornographisches Material" nach §207a StGB gelten. Laut diesem Gesetz sind sowohl die Verbreitung als auch der Besitz solcher Bilder strafbar. Alle Kinder, die das Bild bekommen und auf ihrem Handy gespeichert haben, können also als Besitzer und Besitzerinnen des Fotos gelten – deswegen müssen sie das Bild unbedingt löschen; und zwar nicht nur in WhatsApp und in der Fotogalerie des Handys, sondern auch in allen Backups und möglicherweise in den "versteckten Dateien". Am besten ist es, den automatischen Download in WhatsApp von vornherein zu deaktivieren.

Für Aufklärung ist es nie zu spät

Auch wenn sich der Vorfall in der Klasse Ihres Sohnes jetzt nicht mehr rückgängig machen lässt: Nutzen Sie ihn als Chance, um sich künftig gegen solche Situationen zu wappnen. Wenn sich die Aufregung etwas gelegt hat, ist das ein guter Zeitpunkt, um mit den Kindern über Sexualität und den Umgang mit der eigenen Privatsphäre im Internet zu sprechen. Denn wenn sie beim nächsten Mal besser Bescheid wissen, ist bereits ein wichtiger Schritt getan! (Barbara Buchegger, 8.6.2023)