Till Lindemann
Till Lindemann, der Frontsänger von Rammstein.
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Zwei Vertreter der österreichischen Kulturszene haben am Freitagabend in ORF 2 zur Causa Rammstein diskutiert und dabei auch ein Bild über die Zustände in Österreich gezeichnet. Komponist, Dirigent und Austropop-Insider Christian Kolonovits zeigte sich in der Sendung "3 am Runden Tisch" wenig überrascht von den Vorwürfen und Schilderungen vergangener Wochen. Drehbuchautorin und Regisseurin Eva Spreitzhofer ärgerte sich in der Sendung darüber, wie verhältnismäßig gering der Aufschrei in der Causa ausfällt. Texte von Rammstein würden zur Normalisierung von Gewalt an Frauen beitragen, sagte sie.

In der österreichischen Szene sei es üblich gewesen, erzählte Kolonovits, dass Musiker "bei Gefallen" an weiblichen Fans diese nach einem Konzert gezielt in den Backstage-Bereich einluden. Auf die Frage, ob sich Stars gezielt Mädchen ausgesucht hätten, sagte Kolonovits: "Ja klar, das gab es natürlich. Ich habe aber nie erlebt, dass sich jemand hinter der Bühne irgendeinem Mäderl sexuell genähert hätte."

Spreitzhofer forderte ein sichereres Umfeld, denn Bands würden ihre Macht ausüben auf Kosten anderer. In der österreichischen Filmszene gäbe es "jede Menge Berichte von MeToo", die teils bei Anlaufstellen gemeldet, teils untereinander in der Branche geteilt werden. Oft seien Schauspielerinnen oder Mitarbeiter im Setkostüm die Leidtragenden, jene, "die sich nicht wehren können", sagte Spreitzhofer.

Zuletzt schilderte Regisseurin Marie Kreutzer bei der Verleihung des Österreichischen Filmpreises drei neue MeToo-Fällen in Österreich. "Danach hat fast niemand danach gefragt, wer es war. Denn alle wussten es", sagte Spreitzhofer und fügte hinzu, die drei Personen würden allesamt aktuell noch in der Branche arbeiten.

Row Zero in Österreich unüblich

Eine Row Zero, ein getrennter Bereich unmittelbar vor der Bühne, wie er bei Rammstein-Konzerten üblich war, gibt es in Österreich laut Christian Kolonovits nicht. Es sei mehr bei großen internationalen Acts üblich. "Ich glaube, es wäre zu diskutieren, ob es so etwas noch braucht", sagte er.

Spreitzhofer findet, dass künftige Rammstein-Konzerte abgesagt werden sollen. Sie interpretiert das Absetzen der Peniskanone von der Bühnenshow der Band, das Auflösen der Row Zero und das Streichen besonders anstößiger Lieder von der Setliste als Zeichen, "dass sie kapieren, dass bestimmte Attribute over the top sind". "Jede Diskussion zu dem Thema wird uns weiterführen", sagte sie. "Das wichtigste ist, dass wir nicht mehr Relativieren." Kolonovits hofft, dass es keine Backstage-Partys bei Rammstein mehr gibt: "Das ist glaube ich vorbei."

Reaktion von Rammstein-Schlagzeuger

Am Freitag äußerte sich der Schlagzeuger der Band, Christoph Schneider, als erstes Bandmitglied öffentlich zu den Vorfällen. Dabei beschrieb er, dass Frontsänger Till Lindemann sich über die Jahre "seine eigene Blase geschaffen“ und vom Rest der Band "entfernt" hätte. "Strafrechtlich Relevantes“ sei dabei nie passiert, schrieb Schneider auf seinen Profilen in sozialen Netzwerken. Die Frauen, die sich nun mit Vorwürfen an die Öffentlichkeit gewandt haben, tuen Schneider leid: "Ich spüre ihr Mitgefühl".

Laut Staatsanwaltschaft Berlin gibt es einen Anfangsverdacht, dass die betroffenen Frauen im Rahmen von Rammstein-Konzerten zu Sex gezwungen worden sein könnten, daher hat sie ein Ermittlungsverfahren gegen Lindemann eingeleitet. Es gilt die Unschuldsvermutung. Ermittlungen in Österreich wurden auf STANDARD-Anfrage nicht bestätigt. (luza, 17.6.2023)