"Um es mit den freundlichen Worten von Johanna Mikl-Leitner zu formulieren: Das rote Gesindel lebt", rief Sven Hergovich ins Mikrofon. "Mit uns ist wieder zu rechnen, liebe Freundinnen und Freunde." Denn, so die Wahrnehmung des am Samstag auch offiziell gewählten Vorsitzenden der SPÖ Niederösterreich: Auf einmal gehe es in den Medien um Arbeitszeitverkürzung, um Mindestlöhne und Vermögenssteuern. Auf einmal, konstatierte Hergovich in seiner Rede, würde die Sozialdemokratie "wieder die Agenda bestimmen". "Deshalb noch einmal herzliche Gratulation an unseren neuen Bundesparteivorsitzenden Andreas Babler", rief Hergovich.

SPÖ-Bundesparteichef Andreas Babler und SPÖ-Landesparteichef von Niederösterreich Sven Hergovich am Parteitag in Sank Pölten.
SPÖ-Bundesparteichef Andreas Babler (rechts) gratuliert dem neuen Vorsitzenden der SPÖ Niederösterreich, Sven Hergovich. Zuvor hatten beide in ihren Reden die Delegierten auf ein neues rotes Selbstbewusstsein eingeschworen.
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Denn: Babler wurde bereits vor drei Wochen zum roten Chef im Bund gewählt – auf dem Bundesparteitag in Linz. Hergovich wurde erst am Samstagnachmittag zum roten Landesparteichef gewählt – auf dem außerordentlichen Landesparteitag der SPÖ Niederösterreich in St. Pölten. Hergovich hatte seinen Vorgänger Franz Schnabl nach dessen schwerer Wahlschlappe bei der niederösterreichischen Landtagswahl im Jänner an der Spitze der Landespartei abgelöst – er wurde am Tag nach der Wahl von Präsidium und Vorstand einstimmig designiert. Am Samstag stellte sich der einstige Chef des AMS Niederösterreich aber erstmals der Wahl durch die Delegierten. 339 machten am Parteitag von ihrem Wahlrecht Gebrauch, 326 gaben Hergovich ihre Stimme. Heißt: Der neue Chef der SPÖ Niederösterreich erhielt ein Ergebnis von 96,2 Prozent.

"Bundeskanzler Andi Babler"

Als Ehrengäste waren neben dem neuen Bundesparteichef Babler, der am Nachmittag ebenfalls eine Rede hielt, auch mehrere weitere Proponentinnen und Proponenten der (neuen) roten Parteiprominenz gekommen. So etwa der St. Pöltner Bürgermeister Matthias Stadler, die beiden neuen Bundesgeschäftsführer Sandra Breiteneder und Klaus Seltenheim und die SPÖ-Frauenvorsitzende und neue Klubobmann-Stellvertreterin im Nationalrat, Eva-Maria Holzleitner.

Hergovich appellierte in seiner Rede einerseits an eine neue Geschlossenheit innerhalb der SPÖ: "Es gibt nur eine Sozialdemokratie, und für die gibt es auch nur eine Richtung: Vorwärts, vorwärts mit unserem neuen Parteivorsitzenden Andi Babler." Den "Parteichef Babler" werde man beim nächsten niederösterreichischen Parteitag übrigens nicht mehr einladen, sagte Hergovich in seiner mit einigen Pointen gespickten Rede. "Beim nächsten Mal werden wir nämlich unseren Bundeskanzler Andi Babler einladen."

"Ausreden" der ÖVP

Andererseits teilte Hergovich munter gegen die Kanzler- und niederösterreichische Landeshauptfrau-Partei ÖVP aus. In der Politik brauche es einen langen Atem und ein konkretes Ziel vor Augen: Für die SPÖ könne dieses Ziel nur lauten, die Macht der Volkspartei zu brechen. "Mein kleiner Neffe hat einmal einen ganzen Schokohasen auf einmal verputzt", sagte Hergovich. Danach habe er gesagt, "Ich musste, weil der Tom Turbo mir das aufgetragen hat". Diese Ausrede "war immer noch viel glaubwürdiger als alles, was ich bisher von der ÖVP Niederösterreich gehört habe", so Hergovich.

Auch Babler adressierte in seiner Rede Geschlossenheit innerhalb der Partei und versuchte Aufbruchstimmung zu vermitteln. "Wir haben 12.000 neue Mitglieder bekommen in den vergangenen Wochen." Und: "Wir sind mit unseren roten Themen wieder zurück in der Öffentlichkeit", attestierte auch Babler. "Diesen Schwung werden wir mitnehmen." Die Sozialdemokratie müsse wieder hinaus zu den Menschen, "raus aus den Strategiebesprechungen", die zwar auch wichtig seien; in der Politik dürfe aber nicht nur über Zahlen und Nummern gesprochen werden.

"Kampfansage an des Schwarz-blaue System"

Das Gegenmodell zur türkis-grünen Bundesregierung, die "uns als Einmalzahlungs-Empfänger abkanzeln will", sei eine Sozialdemokratie, die die Menschen nicht als "Bittsteller" sehe. So sei die aktuelle SPÖ-Forderung nach Arbeitszeitverkürzung eine "Urforderung" der Sozialdemokratie, die über die Jahrzehnte und Jahrhunderte auch immer wieder durch ebendiese umgesetzt worden sei. "Und immer haben sie vorher gesagt, das geht nicht und die Wirtschaft wird zusammenbrechen", argumentierte Babler.

Hergovich hatte im parteiinternen Lagerwahlkampf der vergangenen Monate den burgenländischen Landeshauptmann Hans Peter Doskozil unterstützt, nach der Wahl Bablers aber Einheit in der Partei eingefordert. Zum Sankt Pöltener Parteitag am Samstag war er demonstrativ gemeinsam mit Babler erschienen. Auch sein eigenes Ergebnis von mehr als 96 Prozent zeige nun, dass es nur eine Sozialdemokratie gebe, sagte Hergovich in seinen kurzen Dankesworten zum Abschluss. Von diesem Parteitag gehe nun "eine Kampfansage an des Schwarz-blaue System in Österreich heraus".

Neos sprechen sich gegen Ampel-Koalition aus

Eine mögliche Ampel-Koalition, bestehend aus SPÖ, Neos und Grünen, erfuhr unterdessen am Samstag auf Twitter einen Dämpfer. Der stellvertretende Neos-Klubobmann Nikolaus Scherak hat einer "Ampel" unter den von der SPÖ genannten Koalitionsbedingungen eine Absage erteilt. Er monierte online, dass der geschäftsführende SPÖ-Klubobmann Philip Kucher sich eine Ampelkoalition wünsche und gleichzeitig Vermögenssteuer und Arbeitszeitverkürzung zu Koalitionsbedingungen mache. Mit den Neos gebe es weder das eine noch das andere, teilte er mit.

Kucher sprach sich am Samstag unter anderem im Interview mit dem STANDARD für Vermögenssteuern aus. "Vermögensteuern sind eine Koalitionsbedingung", betonte er im STANDARD-Interview. Für eine "klare Entwicklung zu weniger Arbeitszeit und höheren Löhnen" würde man alles tun, meinte Kucher wiederum gegenüber der "Presse": "Sollte die SPÖ Verantwortung übernehmen, muss das ab dem ersten Tag klar sein." Die Ampel nannte er als Ziel.

An der Forderung nach Vermögenssteuern stießen sich auch die Freiheitlichen. "Neue Steuern sind in Zeiten der massiven Rekordteuerung das Letzte, was die Österreicher benötigen", meinte FPÖ-Generalsekretär Michael Schnedlitz in einer Aussendung und warf der SPÖ vor, einen "kommunistischen Klassenkampf" zu führen. Er forderte "massive Steuersenkungen bis hin zu ihrem völligen Aussetzen". (Martin Tschiderer, APA, 24.6.2023)