Wer es ernst meint mit der EU-Erweiterung, sollte zunächst einmal die Fehler, die die EU in den vergangenen Jahrzehnten auf dem Balkan gemacht hat, klar benennen und dann eine neue Strategie aufzeigen. Denn statt jene Kräfte zu unterstützen, die demokratisch, pluralistisch und prowestlich sind, wurden in den sechs potenziellen EU-Mitgliedsstaaten in den letzten Jahren ethnonationalistisch orientierte Autokraten unterstützt, die mit Wladimir Putin und Viktor Orbán packeln. Mit diesen Politikern kann man nämlich gut Hinterzimmerdeals machen; sie sind erpressbar, weil korrupt. Diese Vorgangsweise vieler EU-Staaten hat dem westlichen Balkan jedoch sehr geschadet.

Die EU-Staaten unterstützen weiterhin vor allem das Regime des serbischen Präsidenten Aleksandar Vučić.
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Trotzdem unterstützen die EU-Staaten weiterhin vor allem das Regime des serbischen Präsidenten Aleksandar Vučić. Er bedient nämlich die Obsessionen der verschiedenen Großmächte. Mit den Deutschen macht er Geschäfte; über 60 Prozent der Werbeeinnahmen in serbischen Medien, die unter Vučićs Kommando stehen und Kreml-Propaganda betreiben, werden schließlich von westlichen Firmen bezahlt.

Den Franzosen verklickert er die gemeinsame Vorstellung einer Grande Nation, erinnert an die Waffenbrüderschaft im Ersten Weltkrieg und bietet außerdem französischen Großkonzernen Konzessionen wie den Flughafen von Belgrad an. Mit den Österreichern verhandelt er über Migrationskontrolle. Den US-Amerikanern aber verkauft er angebliche Stabilität auf dem Balkan; und weil die USA nachvollziehbarerweise wenig Vertrauen in die Gestaltungskraft der EU haben, sehen sie den mächtigsten Politiker in der Region als logischen Partner.

EU-Diplomaten verleiht er schließlich ein Gefühl der Wichtigkeit. Die Einflussmöglichkeiten des EU-Außenbeauftragten Josep Borrell tendieren schließlich im Südchinesischen Meer und in der Subsahara gegen null. Wenn die EU weiterhin so agiert, kann es gar keinen Fortschritt auf dem Balkan geben. (Adelheid Wölfl, 25.6.2023)